Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 345 / Januar 2011

Aus alten Zeiten

Bauprojekte aus den 80er Jahren treiben die Berliner Arbeiterwohlfahrt in die Insolvenz

Christian Linde
 

Der Berliner Landesverband der Arbeiterwohlfahrt ist nicht mehr zahlungsfähig. Nachdem er in den 80er Jahren ohne Eigenkapital Pflegeheime errichtete, droht nun eine drückende Zinslast. Während die Beschäftigten im Rahmen eines „Sanierungsvertrags“ seit Jahren Gehaltseinbußen in Kauf nehmen, blickt der Sozialkonzern nach dem Rückzug der größten Gläubigerin, der Berlin Hyp, in eine völlig ungewisse Zukunft.

 

Die Berliner Arbeiterwohlfahrt (AWO) befindet sich in einer ungewohnten Rolle. Der Sozialverband, der unter anderem Beratung für überschuldete Personen anbietet, ist nun selbst in finanziellen Schwierigkeiten. Der Landesverband beantragte im November beim Amtsgericht Charlottenburg die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Presseberichten zufolge lasten auf der Organisation Schulden in Höhe von 30 Millionen Euro. „Wir sind nicht jetzt in Schwierigkeiten geraten, in den Schwierigkeiten stecken wir schon lange“, so der AWO-Landesgeschäftsführer Hans-Wilhelm Pollmann in einer schriftlichen Stellungnahme. „Ihnen dürfte bekannt sein, das wir seit Jahren nach einer Lösung für die Kreditverbindlichkeiten suchen, die auf Immobilien lasten. Diese Projekte sind nur unter den politischen Verhältnissen im alten West-Berlin zu verstehen. Inzwischen jedoch machen diese Darlehenslasten einen wirtschaftlichen Betrieb unserer Einrichtungen fast unmöglich.“
 

Überhöhte Baukosten

Die AWO und ihre Tochterunternehmen Ida-Wolff-Geriatriezentrum Neukölln gGmbH und Seniorenwohnheim gGmbH betreiben vier Seniorenpflegeheime. Diese wurden in den 80er Jahren zu völlig überhöhten Baukosten errichtet und ausschließlich fremdfinanziert. Nun heißt es: „Die daraus resultierende Annuität war von den Gesellschaften unter den aktuellen Finanzmarktgegebenheiten nicht mehr realistisch zu bedienen.“ Denn der günstige Kreditvertrag, der mit lediglich 1% jährlich getilgt werden musste, lief bereits 2005 aus. Danach habe die Bank eine höhere Tilgung gefordert, welche die AWO nicht leisten konnte. Hinzu komme, dass aufgrund der hohen finanziellen Belastungen notwendige Modernisierungen und Instandhaltungen bei den Immobilien ausblieben.

Von der Insolvenz betroffen sind auch zwei Beratungsangebote für Migrant/innen im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, die aber bislang noch alle angebotenen Leistungen erfüllen. „Über deren Zukunft ist unseres Erachtens im weiteren Verfahren zwischen Zuwendungsgeber und Insolvenzverwaltung zu entscheiden“, prognostizierte der Bezirkssozialstadtrat Knut Mildner-Spindler (Die Linke). Nicht betroffen seien die Bezirksorganisationen und weitere Einrichtungen der Tochterunternehmen in den Bereichen Pflege, Behinderte und Kinder. „Sowohl die Kreisverbände als auch die Tochtergesellschaften haben keine wesentlichen wirtschaftlichen Beziehungen zum AWO-Landesverband und sind sowohl organisatorisch als auch finanziell gut aufgestellt“, so Mildner-Spindler.
 

Sanierungsplan erfolglos

Bis zuletzt hatte die AWO gehofft, den Verband und die Unternehmen durch einen Sanierungsplan wirtschaftlich auf sichere Beine stellen zu können. Ohne Erfolg. Der Hauptgläubiger, die Berlin Hyp, eine Tochter der Landesbank Berlin, ist nach jahrelangen Verhandlungen abrupt abgesprungen. Dabei hatte die Bank die Bemühungen der letzten Jahre durch Stundung von Zins- und Tilgungsleistungen unterstützt. Im Gegenzug verzichten sämtliche Beschäftigte der AWO im Rahmen eines Sanierungstarifvertrags bereits seit 2004 auf 5% ihres Gehalts sowie auf Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlungen. Beobachter führen den kurzfristigen Rückzug der Berlin Hyp auf eine bankinterne Entscheidung zur Bilanzbereinigung zurück.

Nichtsdestotrotz sollen nach Angaben des Insolvenzverwalters Joachim Voigt-Salus sämtliche Einrichtungen der AWO trotz des laufenden Verfahrens weiterbetrieben werden. „Die Löhne sind über das Insolvenzgeld sicher und können mit Zustimmung der Agentur für Arbeit zu den Fälligkeitszeitpunkten durch ein Darlehen gezahlt werden“, versicherte Voigt-Salus. Betroffen sind rund 1.000 Mitarbeiter/innen. Voigt-Salus zufolge sei zwar unklar, in welcher Form der Sozialkonzern weiter bestehen wird, aber mithilfe des Insolvenzverfahrens werde es gelingen, die Einrichtungen zu stabilisieren und zu sanieren. Ob allerdings die AWO auf Dauer Trägerin dieser Einrichtungen bleiben werde, könne er noch nicht abschätzen.
 

MieterEcho Nr. 345 / Januar 2011


MieterEcho 345 / Januar 2011

Schlüsselbegriffe: Arbeiterwohlfahrt, AWO, Bauprojekte, Pflegeheime, Insolvenz, BerlinHyp, Landesbank Berlin, Ida-Wolff-Geriatriezentrum Neukölln gGmbH, Seniorenwohnheim gGmbH

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