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Wessen Stadt ist die Stadt?

Der Volksentscheid „Unser Wasser“ war ein Erfolg auf der ganzen Linie

Benedict Ugarte Chacón
 

Die meisten Berliner/innen hätten es der Bürgerinitiative „Berliner Wassertisch“ wohl nicht zugetraut, einmal mit dem ersten erfolgreichen Volksentscheid in die Geschichte des Landes einzugehen. Damit endete ein Prozess, der auch von der Berliner MieterGemeinschaft mit angestoßen wurde. Bereits im Jahr 2006 wurde im Berliner Bündnis gegen Privatisierung die Möglichkeit erörtert, per Volksbegehren und Volksentscheid Druck auf die Landespolitik auszuüben. Im Jahr darauf starteten drei Volksbegehren, das des Wassertischs führte am 13. Februar schließlich zum Ziel. Die Politik reagierte überrascht und unbeholfen. Vor allem die Regierungspartei Die Linke scheint durch den Erfolg der Bürgerinitiative enorm verunsichert.

 

Der vom Wassertisch zur Abstimmung gestellte Gesetzestext sieht die vollständige Veröffentlichung aller Verträge, Beschlüsse und Nebenabreden bezüglich der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe vor. Aufgerufen waren 2,5 Millionen Berliner/innen. Von ihnen gaben 27,5% ihre Stimme ab. Von diesen stimmten 98,2% für den Gesetzestext des Wassertischs, was einem Rückhalt von über 665.000 Befürworter/innen entspricht. Das für das Gelingen des Volksentscheids erforderliche Quorum wurde damit übertroffen, und somit war „Unser Wasser“ der erste gelungene Volksentscheid in Berlin. Dies ist aus mehreren Gründen ein beachtlicher Erfolg für die Bürgerinitiative und ihre Unterstützer/innen. Erstens gab es keinerlei Unterstützung seitens der etablierten Parteien – mit Ausnahme einzelner Politiker/innen der Grünen. Dies war ein deutlicher Unterschied zu den vorangegangenen Volksentscheiden „Pro Reli“ und „Tempelhof“. Zweitens nahmen zumindest die großen Medien die Initiative lange Zeit nicht ernst, was die meist spärliche Berichterstattung zeigte. Und drittens kam der Wassertisch mit einem recht kleinen Budget dennoch ans Ziel.

Zuvor hatten sich die Initiator/innen mit allerlei Anwürfen auseinander zu setzen. So sei beispielsweise die im Gesetzestext enthaltene „Nichtigkeitsklausel“, nach der alle nicht veröffentlichten Vertragsbestandteile für ungültig erklärt werden, nicht verfassungsgemäß. Mit diesem Argument wetterten die Landespolitiker gegen den Volksentscheid. Allerdings muss betont werden, dass über die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes nicht Politiker entscheiden, sondern das Verfassungsgericht. Auch versuchte der Senat, dem Volksentscheid den Wind aus den Segeln zu nehmen, indem er selbst Verträge im Internet veröffentlichte und behauptete, damit sei ja alles offen gelegt und die Abstimmung hinfällig. Als zwei Tage vor dem Entscheid ein Bericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG bekannt wurde, der fünf bis dato unveröffentlichte Verträge auflistete, blieb dem Senat nur ein halbseidenes Dementi. Dieses unglaubwürdige Verhalten mag einen letzten Anschub für die Zustimmung zum Gesetzentwurf gegeben haben.
 

Die Linke verunsichert

Ein herber Schlag ist das Ergebnis für die mitregierende Partei Die Linke. Deren Führung gab sich vor dem Entscheid zum einen heuchlerisch und zum anderen feindselig. Den Erfolg des Wassertischs bei der Sammlung von Unterschriften für das Volksbegehren, das den Volksentscheid erst möglich machte, interpretierte sie frech zum „gemeinsamen Erfolg“ um. Und dies, obwohl der Landesvorstand in der ersten Sammelphase den Bezirksbüros untersagen wollte, Material zum Volksbegehren auszulegen. Als der Volksentscheid nicht mehr zu stoppen war, reagierte die Partei höchst verunsichert. So dozierte der Landesvorsitzende Klaus Lederer in umständlichem Juristendeutsch, warum der Volksentscheid in der Sache zwar irgendwie richtig, aber aus rechtlicher Sicht irgendwie nicht richtig sei. Wirtschaftssenator Harald Wolf ließ einige Tage vor dem Entscheid verbreiten, dass er gedenke, nicht teilzunehmen. Seine Begründung war ähnlich geschraubt wie die Lederers. Aus juristischen Bedenken könne er zwar nicht zustimmen, aber dagegen stimmen gehe auch nicht, weil er ja in der Sache dafür sei. Als er dann am Abend des gewonnenen Volksentscheids vom RBB interviewt wurde, schaute er bedröppelt in die Kamera und fand es „richtig, dass sich viele Menschen in diese Richtung ausgesprochen haben“. Und als ob das Verhalten der Führungsriege der Partei Die Linke im Vorfeld nicht schon dilettantisch genug gewesen wäre, gab Lederer am Tag nach dem Entscheid eine Erklärung ab, in der er genau das anregte, was der Wassertisch seit Jahren fordert: „Die Linke Berlin schlägt vor, unverzüglich unabhängige Personen mit der Einsicht in sämtliche Unterlagen zu betrauen, die das Land zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe angelegt hat.“ Die Verunsicherung der Regierungspartei ist ein weiterer Erfolg des Wassertischs. Bleibt zu hoffen, dass viele andere Initiativen dies als Ansporn begreifen – gerade im „Superwahljahr“ 2011.
 

MieterEcho Nr. 346 vom März 2011


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