Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

Nur die Rendite zählt

Kommunale Wohnungsunternehmen füllen leere Haushaltskassen

Christian Linde
 

Die Privatisierung kommunaler Wohnungsbestände hat der nachhaltigen Entlastung verschuldeter kommunaler Haushalte nicht gedient. Zu diesem Ergebnis kommt die von der Bundesregierung in Auftrag gegebene Studie mit dem Titel „Strategien der Kommunen für ihre kommunalen Wohnungsbestände“. Städte und Gemeinden, die in großem Umfang Wohnungsbestände veräußerten, sehen ihre wohnungs- und stadtentwicklungspolitischen Handlungsspielräume eingeschränkt. Trotz negativer Erfahrungen mit privaten Investoren sollen geplante Wohnungsverkäufe nicht mit sozialen Auflagen verbunden werden.


In den wohnungspolitischen Diskussionen der letzten Jahre spielte der Verkauf kommunaler Wohnungsunternehmen und -bestände eine zentrale Rolle. Zahlreiche Kommunen bzw. deren Wohnungsunternehmen haben umfangreiche Teil- oder Komplettverkäufe vorgenommen. Seit 1997 wurden laut Bundesregierung rund 700.000 Wohneinheiten veräußert. Gleichwohl ist seit 2006 ein Rückgang dieser Entwicklung zu verzeichnen. Zu den Ursachen gehören die wachsende Kritik an der Privatisierungspolitik, die – zumindest bis zur Finanz- und Wirtschaftskrise – etwas bessere Haushaltslage der Kommunen, das abnehmende Interesse potenzieller Käufer sowie die sinkenden Immobilienpreise. Während einige Kommunen im großen Stil Wohnungen verkauft haben – bis hin zur Trennung von ihrem vollständigen Bestand wie etwa im Fall von Dresden –, entschieden sich andere gegen eine Politik des Ausverkaufs. Von Bedeutung war in diesem Zusammenhang nicht zuletzt der Protest der Bevölkerung, der zu einer neuen Debatte über Wohnungsprivatisierung führte und die Veräußerung kommunalen Eigentums politisch weniger populär werden ließ. Das bekannteste Beispiel ist die Stadt Freiburg. Dort verhinderte vor vier Jahren ein Bürgerentscheid den Verkauf der städtischen Wohnungsbaugesellschaft.
 

Befragung der Kommunen

Um Auskunft über den Umgang der Kommunen mit ihren Wohnungsbeständen zu erhalten, gaben das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung eine Studie in Auftrag. Durchgeführt wurde die Untersuchung mit dem Titel „Strategien der Kommunen für ihre kommunalen Wohnungsbestände“ vom IfS Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik. Auswertbare Informationen liegen über 1.400 Kommunen vor. Das entspricht knapp der Hälfte der angeschriebenen Städte, Gemeinden und Landkreise. Beteiligt haben sich zahlreiche Städte und Gemeinden, die über umfangreiche Wohnungsbestände verfügen. Die Ergebnisse sind deshalb besonders aussagefähig.
 

Von den befragten Kommunen haben 268 (19%) keine eigenen Wohnungsbestände oder Anteile. Die übrigen 1.132 (81%) verfügen über direkte oder indirekte Beteiligungen an Wohnungsunternehmen oder über eigene Wohnungen. Allerdings befinden sich lediglich 4% der Wohnungen in direktem Eigentum der Kommunen. Insgesamt 96% sind bereits in privatrechtliche Gesellschaften ausgelagert. Auf die erfassten Städte, Gemeinden und Landkreise entfallen bundesweit insgesamt knapp 2 Millionen Wohnungen. Die Studie zeigt, dass die direkte kommunale Beteiligung an Wohnungsunternehmen bezogen auf die Zahl der Wohnungen mit Abstand die bedeutendste Eigentumsform darstellt. Auf die Wohnungsunternehmen mit direkten kommunalen Beteiligungen entfallen 87% (1,7 Millionen) der gesamten Wohnungen der Kommunen.
 

Folgen der Privatisierung

Der Studie zufolge hatten die Motive für die Verkäufe von Wohnungen oder kommunalen Wohnungsunternehmen mit wohnungspolitischen Überlegungen wenig zu tun. Als Gründe wurden am häufigsten die Vermeidung finanzieller Belastungen (65%) und die Nutzung der Einnahmen zur Entlastung des Haushalts (49%) genannt. Nur 36% gaben an, die Erträge in die übrigen Wohnungsbestände zu reinvestieren. Fast zwei Drittel (63%) der Wohnungen gingen an private Investoren. Während die Kommunen ihre Erfahrungen bei Veräußerungen an Genossenschaften in 77% der Fälle positiv bewerteten, erhielt von den Privatinvestoren nicht einmal die Hälfte (44%) ein gutes Zeugnis. „Die Befragungsergebnisse machen deutlich, dass sich der größere Teil der Verkäufe an Privatinvestoren richtete, die für die Bewirtschaftung der Wohnungen in der Regel andere Geschäftsmodelle verfolgen als kommunale Wohnungsanbieter.“ Auch haushaltspolitisch kommen die Kommunen zu einem eher fragwürdigen Ergebnis. Mehr als die Hälfte (56%) gab an, „kurzfristig eine Verbesserung der finanziellen Situation“ herbeigeführt zu haben, während „eine langfristige Verbesserung“ nur von 31% festgestellt wurde. Darüber hinaus verzeichnet knapp ein Drittel der Kommunen bereits zum Zeitpunkt der Befragung negative Auswirkungen auf ihre Spielräume für wohnungs- und stadtentwicklungspolitische Maßnahmen. So nennen 13% eine generelle Verschlechterung ihrer Steuerungsmöglichkeiten, 12% sehen ihre Handlungsmöglichkeiten bei der Unterbringung von sozial benachteiligten Haushalten beeinträchtigt, und immerhin 9% berichteten von erschwerten Bedingungen bei der Stadt- und Quartiersentwicklung.
 

Städtische Wohnungsunternehmen als Instrument der Haushaltspolitik

Nach mehr als einem Jahrzehnt des Privatisierens stellt die Untersuchung eine Tendenz des Umdenkens bei den Stadtoberen fest. „Die große Mehrzahl der Kommunen, die über Wohnungsbestände in relevanter Größenordnung verfügt, misst diesen eine große Bedeutung für die Verfolgung der kommunalen Ziele und die Erfüllung der kommunalen Aufgaben bei.“ Und ein zentrales Ergebnis der Befragung lautet: „Die Kommunen wollen ganz überwiegend an ihren Wohnungsbeständen festhalten.“ Gleichbedeutend mit einer an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientierten Politik ist dieses Bekenntnis allerdings nicht. „Zwar verfolgen die Kommunen vielfach die Strategie, Gewinne insgesamt oder teilweise im Unternehmen zu belassen. Je größer jedoch eine Stadt ist, umso weniger Spielräume bleibt den Wohnungsunternehmen.“ Während bei 82% der kleinen Städte mit bis zu bis 10.000 Einwohner/innen häufig Gewinne vollständig im Unternehmen bleiben, nimmt dieser Anteil mit zunehmender Größe der Stadt deutlich ab. Bei Städten mit 200.000 und mehr Einwohner/innen gaben gerade einmal 32% an, so zu verfahren. Ein Blick auf die Bilanzen, vor allem in den Stadtstaaten, verdeutlicht die Motive: Die finanziellen Mittel, die von den Wohnungsunternehmen erwirtschaftet werden, garantieren den klammen Kassen üppige Einnahmen. Die IfS-Befragung ergab, dass kommunale Wohnungsbaugesellschaften im Norden und Süden bis zu 100% ihres Gewinns ausgeschüttet haben. Im Westen der Republik immerhin noch 69% und im Osten – trotz großen Leerstands und niedrigeren Mieten – durchschnittlich 42%. Diese „positiven“ Auswirkungen sind vor allem das Ergebnis entsprechender Interventionen seitens der politischen Verantwortungsträger.
 

Ertragsvorgaben und „Stadtrendite“

Der Druck auf die städtischen Wohnungsunternehmen dürfte angesichts der knapp ausgestatteten Haushaltskassen der öffentlichen Hand noch wachsen. „Interessant ist, dass eine schlechte Finanzlage von Kommunen für kommunale Wohnungsunternehmen offenbar sowohl zu höheren finanziellen Vorgaben bezogen auf Ertragsziele und Ausschüttungen als auch erhöhten Erwartungen an eine messbare Stadtrendite führt“, stellt die Studie fest. Der Ansatz Stadtrendite, der nicht nur die finanzwirtschaftliche Rendite der Unternehmen erfassen soll, sondern den gesamtwirtschaftlichen Mehrwert, den eine Stadt oder Gemeinde durch ihre öffentlichen Wohnungsunternehmen erzielt, wird ausdrücklich betont. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Gesellschaften weniger unter betriebswirtschaftlicher Betrachtung stehen. Vielmehr wird geprüft, ob sie von allgemeinerem Nutzen sind. Die weitaus meisten Vorgaben in Bezug auf Stadtrendite stellen die Metropolen. Dazu gehören die Entwicklung attraktiver Stadtquartiere (81%), preisgünstiger Wohnraum (75%), die Wohnungsversorgung sozialer Zielgruppen (75%) und die energetische Erneuerung des Wohnungsbestands (73%). Dagegen werden Vorgaben für die Integration von Migrant/innen (21%) und den Neubau für soziale Zielgruppen (12%) kaum gemacht. Ein Viertel der Kommunen plant vielmehr für die nächsten drei Jahre die Privatisierung einzelner kommunaler Wohnungen. Wie schon bei den Veräußerungen in der Vergangenheit stehen finanzielle Aspekte im Vordergrund. Hinsichtlich der potenziellen Käufer kündigten die Kommunen laut Befragung wenige Einschränkungen wie z. B. sozial verpflichtende Auflagen an – insbesondere bezogen auf den Verkauf an private Käufer.
 

Stadtrendite

Unter dem Stichwort Stadtrendite wird seit 2005 der städtische Nutzen der kommunalen Wohnungsunternehmen jenseits des betriebswirtschaftlichen Gewinns diskutiert.     Im weiteren Sinne wird unter Stadtrendite der Mehrwert verstanden, der aus der Tätigkeit des kommunalen Wohnungsunternehmens entsteht und der Kommune wirtschaftliche Vorteile verschafft.

Dazu gehören betriebs- und stadtwirtschaftliche Vorteile wie auch ökologische und soziale. Stadtrendite entsteht vor allem in den Bereichen Wohnungsversorgung von ökonomisch benachteiligten Haushalten, Wohnumfeld und Stadtentwicklung, Förderung der lokalen Ökonomie und Förderung der Ökologie.

Weitere Infos siehe MieterEcho Nr. 323/August 2007 oder unter www.bbsr.bund.de.


Weitere Infos:

Strategien der Kommunen für ihre kommunalen Wohnungsbestände – Ergebnisse einer Kommunalbefragung, Forschungen, Heft 145, Hrsg.: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Berlin 2010

Kostenfrei zu beziehen bei: Email an forschung.wohnen@bbr.bund.de, Stichwort: Forschungen 145 oder Download als PDF unter www.bbsr.bund.de.
 

MieterEcho Nr. 346 vom März 2011


Schlüsselbegriffe: Kommunale Wohnungsunternehmen, Haushaltspolitik, Christian Linde, Privatisierung, Strategien der Kommunen für ihre kommunalen Wohnungsbestände, Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik, IfS, Genossenschaften, Privatinvestoren, Reinvestitionen, Ertragsvorgaben, Stadtrendite

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