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Mit Elektro-Musik gegen Wuchermieten

Wohnungsbesichtigungsrallyes lehren Makler das Fürchten

Tobias Höpner
 

Wohnungssuche? Ärger über hohe Mieten? Wer gern das verdutzte und ratlose Gesicht eines Maklers sehen will, sollte sich einer Wohnungsbesichtigungsrallye anschließen. Seit Juli 2010 gibt es auch in Berlin, was in Paris, Zürich und Hamburg bereits bekannt ist: Besichtigungen völlig überteuerter Wohnungen werden kurzzeitig zu Partys umfunktioniert, um gegen hohe Mieten zu protestieren.

 

Ein Sonntagnachmittag, einzelne gepflegt-seriös aussehende Interessenten begutachten die frisch modernisierte Wohnung und versuchen herauszufinden, warum sie für saftige 10 Euro/qm nettokalt inseriert ist. Doch nicht alle sind aus den gleichen Gründen hier: Während der Makler in ein Gespräch verwickelt wird, öffnet jemand die Wohnungstür und betätigt den Summer für den Hauseingang. Plötzlich strömen bunt gekleidete Leute herein. Die meisten tragen Karnevalsmasken. Aus einer tragbaren Musikanlage ertönt elektronische Tanzmusik, und während sich die Wohnung füllt, beginnt die Menge zu tanzen. Luftschlangen und Konfetti fliegen durch den Raum, und beim Tanzen werden Schilder geschwenkt: „Mietwucher“ steht darauf.
 

Fette-Mieten-Partys in Berlin

Ungefähr so verläuft eine typische Wohnungsbesichtigungsrallye, auch Fette-Mieten-Party genannt (siehe MieterEcho Nr. 342/ September 2010). Den ahnungslosen Wohnungssuchenden werden Zettel zugesteckt, um ihnen die unerwartete Feier zu erklären. Jemand öffnet ein Fenster und hängt ein Transparent nach draußen, sodass es von der Straße sichtbar ist. „Wohnraum für alle“ steht beispielsweise darauf, bei einer schicken Dachgeschosswohnung vielleicht auch „Luxus für alle“. Je nach dem, ob der Makler gelassen reagiert oder sehr verärgert ist, ob er sich zu einer Diskussion über steigende Mieten hinreißen lässt oder sofort beginnt, Hausverbote auszusprechen, kann die Party sehr kurz ausfallen oder auch einen Augenblick länger dauern. Greift er zum Telefon, um die Polizei zu rufen, bleibt den Tanzenden nicht mehr viel Zeit, denn eine solche Konfrontation möchten sie in der Regel vermeiden.
 

Ärger über hohe Mieten

„Politik kann auch Spaß machen“, scheint der Grundgedanke hinter den Mieten-Partys zu sein. Warum den Ärger über steigende Mieten in sich hinein fressen, wenn man stattdessen mit einer ungewöhnlichen Party hohe Mieten öffentlich thematisieren kann? Die Gruppe, die in Berlin die „Wohnungsbesichtigungsrallyes“ organisiert, hat meist eine Videokamera dabei. Der Tanz und die Gespräche mit den Maklern werden zu dokumentarischen Kurzfilmchen verarbeitet und anschließend ins Internet gestellt. Längst ist auch die Presse auf die Mieten-Partys aufmerksam geworden. Die Gruppe weist immer wieder auf Möglichkeiten der Behörden hin, überhöhte Mieten zu bekämpfen. Eine Miete, die mehr als 20% über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt, kann in Zusammenhang mit der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Wohnungen gemäß § 5 Wirtschaftsstrafgesetz eine Ordnungswidrigkeit darstellen. Damit sich jedoch Mieter/innen auf diesen Paragrafen überhaupt berufen können, muss erst ein Mangel an Wohnraum festgestellt sein.
 

Mär vom entspannten Wohnungsmarkt

Fest steht, dass die stupiden Wiederholungen der Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD), in Berlin gebe es quasi unerschöpflichen Wohnungsleerstand, jede Aussicht auf eine Feststellung von überhöhten Mieten oder gar von Mietwucher zunichte machen. Obwohl der Berliner Wohnungsbestand stagniert und wahrscheinlich sogar schrumpft, steigt die Nachfrage nach Wohnungen kontinuierlich an. Die Einwohnerzahl Berlins wächst, gleichzeitig sinkt die Haushaltsgröße. So werden jährlich rund 20.000 Wohnungen mehr nachgefragt. Wie diese steigende Nachfrage bewältigt werden soll, weiß wohl nur die Senatorin selbst. Die jedenfalls bleibt standhaft bei ihrer Aussage, es würden 100.000 Wohnungen in Berlin leer stehen. Und angesichts dieser amtlichen Aussage ist die Chance, vor Gericht eine wohnungsbezogene Zwangslage bescheinigt zu bekommen, gleich Null.
 

Weitere Infos:

www.wohnungsbesichtigungsrallye.blogsport.de

Mietrechts-Tipps der BMG e.V.:

Mieten - Check
Mietpreisüberhöhung

 

MieterEcho Nr. 344 / Dezember 2010


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