MieterEcho 327/April 2008: Ab in die Tonne

MieterEcho

MieterEcho 327/April 2008

Quadrat TITEL

Ab in die Tonne

Was passiert, nachdem die Abfälle in den Müllbehältern gelandet sind?

Frank Fitzner

Während Neapel im Müll versinkt, werden in den Niederlanden Mülldeponien ausgehoben, um die dort vergrabenen Wertstoffe wiederzuverwerten. Ein Recycling lohnt sich vor allem bei Metall und Glas und wird auch angesichts steigender Rohstoff- und Energiepreise auch bei Kunststoffen immer sinnvoller. Chinesische Importeure zahlen schon heute beispielsweise für eine Tonne gebrauchter PET-Flaschen über 300 Euro, für Polyethylen-Folien 400 Euro und für Aluminium bis zu 1000 Euro. Aber auch thermische Verwertung, sprich Verbrennung zur Energiegewinnung, findet statt.

Der durchschnittliche Europäer produziert drei Tonnen Abfall pro Jahr und die deutschen Haushalte zahlen mehr als fünf Milliarden Euro pro Jahr für die Entsorgung ihrer Abfälle. Um der wachsenden Müllberge Herr zu werden, wurde Anfang der 90er Jahre der Grüne Punkt und das Duale System mit der Gelben Tonne eingeführt (siehe unten). Damit wurden die Müllsortierung und das Recycling stark ausgeweitet.

Maschinelle Mülltrennung immer umfangreicher

Die Technik der Müllsortieranlagen ist in den letzten Jahren immer ausgefeilter geworden. Metalle werden mit Magneten aussortiert, Aluminium kann wegen seiner Leitfähigkeit mit Wirbelstromabscheidern aufgespürt werden. Die Identifizierung verschiedener Kunststoffarten, die früher ein Problem war, erfolgt mit Infrarottechnik. Außerdem wird in den weitgehend automatisierten Sortieranlagen mit Sieben und Gebläsen nach Größe und Gewicht getrennt. Inzwischen können Maschinen den Abfall besser sortieren als Menschen. Und wie Untersuchungen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz ergeben haben, sogar etwas billiger als mit der derzeit praktizierten Mülltrennung. Es ist sogar möglich, recyclingfähige Materialien aus komplett unsortiertem Müll maschinell herauszufiltern. Dann muss allerdings der gesamte Abfall unter großem Energieaufwand getrocknet werden und zudem leidet die Qualität der wiederverwertbaren Stoffe.

Müll als Brennstoff

Über den tatsächlich verwerteten Anteil der gesammelten Materialien gibt es sehr verschiedene Angaben. Diese hängen zunächst davon ab, was man unter Recycling versteht. Bei Kunststoffen etwa gibt es verschiedene Arten der Wiederverwertung. Bei der energetischen Verwertung wird das gesammelte Material – meist zusammen mit dem Restmüll – verbrannt. Aufgrund steigender Energiepreise wird diese Methode immer sinnvoller. "Eine Tonne Hausmüll hat denselben Brennwert wie 200 Liter Öl", sagt Klaus Wiemer, Hochschullehrer für Abfallwirtschaft an der Universität Kassel. Irgendwann in der Zukunft könnte der Müll sogar seine eigene Entsorgung finanzieren. Davon sind wir allerdings noch weit entfernt; die Kosten für die Müllabfuhr sind in den letzten Jahren stark gestiegen, was sich auch in den Betriebskostenabrechnungen niederschlägt. Die Luft wird durch die Müllverbrennung dank der erheblich verbesserten Filteranlagen bei Weitem nicht mehr so stark verschmutzt wie noch vor wenigen Jahren. Und Verbrennen ist klimaschonender als Deponieren, da beim Verrotten besonders viel klimaschädliches Methangas entsteht. Zudem wird das Grundwasser belastet. Das Deponieren von unbehandeltem Müll ist deshalb seit 2005 in Deutschland verboten (siehe Kasten auf S. 7).

Nur minimales Recycling

Nur bei der werkstofflichen Verwertung wird aus den gesammelten Kunststoffen wieder Kunststoff hergestellt, zumeist für Parkbänke, Getränkekisten oder Umhüllungen für Kabel. Da es sich dabei um minderwertige Materialien handelt, spricht man statt von Recycling auch von Downcycling. Dieser Begriff wird ebenfalls bei der Verwertung von Altpapier gebraucht, die ebenfalls zu einem Qualitätsverlust führt. Deshalb können Kunststoffe und Papier nicht beliebig oft wiederverwertet werden.

Das Duale System Deutschlands galt in Europa lange Zeit als vorbildlich. Nur Belgien erreicht eine höhere Recyclingquote; dort müssen die Verbraucher Verpackungsabfälle in sechs verschiedene Behälter sortieren. Wer sich weigert, wird über hohe Kosten für den Restmüll zur Kasse gebeten.

Ein entscheidender Kritikpunkt am Dualen System ist, dass dieses nur einen geringen Teil der recycelbaren Materialien erfasst. So trugen von den 13,6 Millionen Tonnen Kunststoff, die in Deutschland im Jahr 2006 neu eingesetzt wurden, nur 0,7 Millionen Tonnen den Grünen Punkt. Davon wurden etwa 0,5 Millionen Tonnen mit Gelben Mülltonnen oder Säcken eingesammelt und 0,25 Millionen Tonnen stofflich wiederverwertet. Dies sei im Vergleich zum gesamten Müll ein "Fliegenschiss auf dem Kuhfladen", sagt Abfallexperte Wiemer.

Untersuchungen der Energiebilanz des Dualen Systems zeigen zwar, dass dieses zu einer Einsparung von Rohöl führt, aber zu dem absurden Preis von über drei Euro pro Liter. Eine erhebliche Energieeinsparung wird durch die Wiederverwertung von Metallen erreicht. Beim Recycling von Aluminium wird gegenüber der Neugewinnung aus dem Rohstoff Bauxit sogar 95% weniger Energie verbraucht. Eine miserable Umweltbilanz ergibt sich allerdings in den Gemeinden, in denen die Abfälle mit dem Grünen Punkt nicht von Entsorgungsunternehmen abgeholt werden, sondern individuell von den Verbraucher/innen zum Recyclinghof gebracht werden müssen, da dies zu zusätzlichem Autoverkehr führt.

Neue Wege der Weiterverwertung?

Es ist schwer nachvollziehbar, warum Verpackungen aus Kunststoff oder Aluminium in die Gelbe Tonne geworfen werden sollen, die Plastikschüssel oder die Alupfanne aber in den Restmüll. Eindeutig sinnvoller wäre es, danach zu unterscheiden, ob der Abfall recycelbar ist oder nicht. Ein solches System wird in Leipzig und Teilen Berlins seit 2004 mit der "Gelben Tonne plus" erprobt, in die neben Verpackungen auch Gegenstände aus gleichen Materialien und kleine Elektrogeräte geworfen werden dürfen. Das DSD bezeichnet die Erfahrungen mit diesem Pilotprojekt als positiv. So sei die Wiederverwertung von Kunststoffen billiger als deren Entsorgung mit dem Restmüll, außerdem sei der Restmüll-Anteil in der Gelben Tonne deutlich zurückgegangen. Für eine bundesweite Einführung dieses Systems fehle jedoch bislang die gesetzliche Grundlage.

Diese wurde auch bei der im Februar vom Bundestag beschlossenen Novelle der Verpackungsverordnung nicht geschaffen. Das federführende Bundesumweltministerium erläutert diese Novelle wie folgt: "Zukünftig sind grundsätzlich alle Verpackungen, die zu privaten Endverbrauchern gelangen, bei dualen Systemen zu lizenzieren. Um die Transparenz bei der Entsorgung von Verkaufsverpackungen zu erhöhen, müssen Vertreiber von Verpackungen zukünftig Mengen und Verbleib der von ihnen verwendeten Verpackungen in Vollständigkeitserklärungen dokumentieren. Diese Maßnahmen werden dazu führen, dass Trittbrettfahrer ihre Abfälle nicht mehr auf Kosten anderer entsorgen können." Die Dokumentation des Verbleibs von Verpackungen dürfte einen immensen Aufwand erfordern. Mit "Trittbrettfahrer" sind diejenigen Händler und Produzenten gemeint, die sich nicht am Dualen System beteiligen, sondern "Selbstentsorger"-Modelle angeboten haben, wie zum Beispiel Drogerieketten. Mit dieser Gesetzesänderung wird das bisherige System zementiert statt reformiert, obwohl das ursprüngliche Ziel der Verpackungsverordnung, den Müll erheblich zu reduzieren, verfehlt wurde.

Betriebkosten durch Müllentsorgung

Die Müllentsorgung gehört zu den kalten Betriebskosten, die meistens auf die Mieter/innen umgelegt werden. In der Betriebskostenverordnung ist in § 2 Nr. 8 beschrieben, was zu den Kosten der Müllbeseitigung gehört: "die für die Müllabfuhr zu entrichtenden Gebühren, die Kosten entsprechender nicht öffentlicher Maßnahmen, die Kosten des Betriebs von Müllkompressoren, Müllschluckern, Müllabsauganlagen sowie des Betriebs von Müllmengenerfassungsanlagen einschließlich der Kosten der Berechnung und Aufteilung".

Das Prinzip der Wirtschaftlichkeit fordert vom Vermieter, alle Voraussetzungen für eine umfassende Abfalltrennung unter Berücksichtigung des tatsächlichen Bedarfs zu schaffen. Behältergrößen und Häufigkeit der Leerung sollte der anfallenden Müllmenge entsprechen.

Die Abrechnung der Müllentsorgungskosten erfolgt in der Betriebskostenabrechnung meistens nach der Wohnfläche; es ist jedoch auch eine Berechnung nach der Zahl der Bewohner möglich.

Ein ständiger Streitpunkt ist Sperrmüll. Zu den umlagefähigen Betriebskosten gehören nur regelmäßig wiederkehrende Ausgaben. Dies kann auf Sperrmüll zutreffen, falls dieser regelmäßig entsorgt wird (regelmäßig muss nicht bedeuten, dass die Entsorgung in jedem Jahr oder dass sie in gleichen Abständen stattfindet). Aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots ist der Vermieter jedoch gehalten, den Verursacher zu ermitteln und von diesem die Bezahlung der Sperrmüllentsorgung zu fordern.

Folgendes verteuert die Müllkosten unnötig:

Der Grüne Punkt und das Duale System

Den Grünen Punkt gibt es seit über 15 Jahren. 1991 wurde in Deutschland die Verpackungsverordnung eingeführt, nach der Hersteller und Händler leere Verkaufsverpackungen unentgeltlich zurücknehmen müssen. Von dieser Pflicht können sie sich durch die Beteiligung am sogenannten Dualen System befreien. In der Praxis läuft dies so, dass Händler und Produzenten entsprechend der verkauften Mengen an Leichtverpackungen eine Lizenzgebühr an die Duales System Deutschland GmbH (DSD) entrichten. Das DSD organisiert dafür die Entsorgung der mit dem Grünen Punkt gekennzeichneten Verpackungen aus Kunststoffen, Metallen oder Verbundstoffen, wie zum Beispiel Getränkekartons. Die Leerung der Gelben Tonnen sowie die Sortierung und Verwertung der Verpackungsabfälle wird im Auftrag des DSD von kommunalen oder privaten Firmen übernommen. In Berlin erledigt dies die private Alba GmbH, die mittlerweile zur Nummer drei in Deutschlands Abfallbranche aufgestiegen ist. Die Gebühr für die Entsorgung der Verpackungen wird von den Herstellern natürlich auf den Kaufpreis geschlagen und so an die Kunden weitergegeben. Pro Verpackung macht dies knapp zwei Cent. Schätzungen zufolge entstehen dadurch jedem Verbraucher Kosten in Höhe von etwa 25 Euro pro Jahr.

Kosten der Hausmüllentsorgung

Zurück zum Inhalt MieterEcho Nr. 327