MieterEcho 323/August 2007: "Für einen funktionierenden öffentlichen Dienst"

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MieterEcho 323/August 2007

Quadrat PRIVATISIERUNG

"Für einen funktionierenden öffentlichen Dienst"

Interview mit Uwe Januszewski, Vorsitzender des Hauptpersonalrats des Landes Berlin

MieterEcho (ME): Im Mai unterzeichnete die Stadt Würzburg mit der Bertelsmann-Tochtergesellschaft arvato einen Vertrag, der einen Teil der städtischen Verwaltung in die Verantwortung des privaten Unternehmens übergibt. Ist solch eine "Public Private Partnership" (PPP zu deutsch: "Öffentlich Private Partnerschaft") auch in Berlin denkbar?

Uwe Januszewski (UJ): Auch in Berlin wird über die Zusammenarbeit mit Privaten nachgedacht. Hier geht es aber in erster Linie um Projekte, bei denen Schulen an private Firmen zur Verwaltung, Instandsetzung und Unterhaltung übertragen werden. Die Übertragung von originären Verwaltungsaufgaben steht noch nicht zur Diskussion.

ME: Wie stellt sich die Situation für die Beschäftigten bei solchen PPP-Projekten dar?

UJ: Die Firmen, die diese PPP-Verträge abschließen, sind nicht verpflichtet die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes oder anderer Branchen einzuhalten. Für Beschäftigte, die mit zum privaten Vertragspartner wechseln, besteht nur für ein Jahr gemäß § 613a BGB die Garantie ihrer Arbeitsbedingungen. Über Subunternehmer werden im Reinigungs- und Handwerkerbereich häufig Menschen beschäftigt, deren Bezahlung unter dem Existenzminimum von Hartz IV liegt.

ME: Neben den negativen Folgen für die Beschäftigten, gibt es noch weitergehende Kritik an PPP-Projekten. Können sie diese kurz umreißen und gibt es eine sich artikulierende Gegenwehr?

UJ: Ja, es gibt Gegenwehr gegen geplante Projekte, denn es gibt Risiken, die die Bürger/innen wissen müssen. Dies sind insbesondere die Intransparenz bezüglich der Schuldenlast der Kommune und die langfristige Abhängigkeit vom privaten Partner. Bei PPP-Projekten werden die Erträge privatisiert, während mögliche Verluste durch die Kommune zu übernehmen sind. Auch politische Entscheidungen werden für die Zukunft beeinflusst, denn so erhalten bei Schulen die privaten Vertragspartner die Garantie, dass über einen Zeitraum von 10 bis 20 Jahren dieses Schulgebäude auch genutzt wird. Somit entscheiden bei PPP-Projekten die Politiker/innen von heute für "ihre" Enkelgeneration. Auch die Gewerkschaften GEW und ver.di wenden sich gegen diese Politik und versuchen vor Ort auf die Risiken hinzuweisen. Ihnen geht es natürlich auch um die Dienstleistungsqualität und gute Arbeits- und Einkommensbedingungen für die Beschäftigten.

ME: Der Druck auf die Verwaltungen zu Kosteneinsparungen und Strukturveränderungen ist angesichts knapper Haushaltskassen enorm. Hinzu kommt die Kritik, die Verwaltungen seien ineffizient und bürgerunfreundlich. Was ist von diesen Argumenten zu halten?

UJ: Die Kritik ist häufig berechtigt und müsste sich an die Politik in dieser Stadt richten. Die Beschäftigten, insbesondere in den bürgernahen Bereichen, unterliegen einem enormen Arbeitsdruck, der durch Stellenabbau, ständige Umorganisation, schlecht funktionierende Computerausstattung und nicht zuletzt immer kompliziertere Gesetze verursacht wird. Allein in den letzten zwei Jahren sind über 3000 Arbeitsplätze in der Berliner Verwaltung abgebaut worden und der Finanzsenator Dr. Sarrazin hat öffentlich angekündigt, in den Bezirksämtern von den vorhandenen 27.000 Stellen insgesamt 8000 Stellen abzubauen. Dies kann nur zulasten der Angebote für die Bürger/innen gehen.

ME: Die Planungen des Finanzsenators sehen noch weitere Einsparungen vor. Was ist in Hinsicht auf Privatisierungen und der Verschlankung der Verwaltungen künftig zu erwarten?

UJ: Trotz der Ankündigung des Senats rund 7300 Neueinstellungen, so im Schulbereich, bei Feuerwehr, Justiz, Polizei und Steuerverwaltung vorzunehmen, werden 10.970, das sind rund 10% der noch vorhandenen Stellen in den nächsten vier Jahren in den Bezirken, Senatsverwaltungen und Landesämtern gestrichen. Sicherheit und Ordnung stehen an erster Stelle für diesen Senat, jedoch nicht die Dienstleistungen für die Bürger/innen. Auch im Bildungsbereich werden wir Ende 2011 insgesamt 2140 Lehrer/innen weniger haben, als heute. Die Schließung von Bibliotheken, Gesundheitszentren, Jugendfreizeit- und auch Seniorenfreizeiteinrichtungen wird weiter voranschreiten und besonders für die sozialen Aufgaben der Bezirke werden die Gelder fehlen. E-Government ist für den Senat das Schlagwort für die Modernisierung der Verwaltung. Doch nicht jede Dienstleistung kann über das Internet angeboten bzw. in Anspruch genommen werden. Menschen, die keine Chance auf Nutzung der Informationstechnik haben, werden somit weiter ausgegrenzt und an den Rand der Gesellschaft gedrückt. Weitere Privatisierungen von Leistungen im Gesundheitswesen stehen genauso auf der Tagesordnung, wie im Servicebereich der Kitas oder bei der Pflege des städtischen Grüns.

ME: Was sind die Hauptargumente des Hauptpersonalrats gegen Privatisierungen im Allgemeinen und in den Verwaltungen speziell?

UJ: Ist eine Aufgabe des Staats privatisiert worden, dann greift oft die Kontrolle durch Parlamente und Rechnungshöfe nicht in dem gleichen Maß wie bei der rein öffentlichen Aufgabenerledigung, weil private Partner in Verträgen oft festschreiben lassen, dass ihr Bereich nur dem privaten Gesellschaftsrecht unterliegt. Damit wird eine demokratische Kontrolle verhindert und der Gestaltungsspielraum für den Senat, die Bezirke, aber auch für das Abgeordnetenhaus nimmt ab. Wie beschrieben bedeutet die weitere Privatisierung auch den Verlust von tarif- und sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen. Der Verdrängungswettbewerb führt zu Lohndumping, zu mehr Hilfebedürftigen beim Arbeitslosengeld-II und letztlich zu der Frage: Wollen wir öffentliche Dienstleistung nur noch im Rahmen von "1-Euro-Jobs"? Dies ist sicherlich zugespitzt formuliert. Wer sich jedoch Gedanken macht um die Zukunft dieser Stadt, der muss sich für einen funktionierenden öffentlichen Dienst und damit für qualitativ gute öffentliche Dienstleistungen aussprechen. Auch junge Menschen brauchen eine Zukunft, hier hat der Senat die Verpflichtung, Ausbildungsplätze anzubieten. Privatisierungen sind auch hierfür ein Hindernis.

ME: Welche Alternative setzen die Gewerkschaften und Personalräte gegen PPP und Privatisierungen?

UJ: Der Tendenz zum Ausverkauf des Staats setzen wir ein Daseinsvorsorgekonzept entgegen, das den Gesellschaftszusammenhalt fördert. Die Alternativen zu PPP sind weiterhin: Eigenerstellung der Leistung. Hierzu muss eine Schwerpunktverlagerung in den Finanzhaushalten hin zu mehr Investitionen erfolgen.

ME: Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Hermann Werle.

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