MieterEcho 321/April 2007: "Das Girokonto für jedermann muss festgeschrieben werden!"

MieterEcho

MieterEcho 321/April 2007

Quadrat PRIVATISIERUNG

"Das Girokonto für jedermann muss festgeschrieben werden!"

Interview mit Sabine Finkenthei zur Zukunft der Berliner Sparkasse

Sabine Finkenthei ist Juristin und hat für das geplante Volksbegehren die rechtlichen Voraussetzungen geprüft.

Die Privatisierungswelle macht auch vor den öffentlichen Banken nicht halt. Zurzeit läuft das Bieterverfahren für den Verkauf der Landesbank Berlin, zu der auch die Berliner Sparkasse gehört. Damit droht der Ausverkauf des bisher gemeinwohlorientierten und an sozialen Belangen der Bevölkerung ausgerichteten öffentlichen Sparkassensektors.

MieterEcho (ME): Der öffentlich-rechtliche Bankensektor ist schon lange im Visier der Privatbanken. Nunmehr wird in Berlin die landeseigene Sparkasse verkauft. Wie ist es zu erklären, dass gerade in Berlin unter einer rot-roten Landesregierung die Privatisierung des öffentlich-rechtlichen Bankensystems, insbesondere der Sparkassen eingeläutet wird?

Sabine Finkenthei (SF): Das hängt mit dem Bankenskandal zusammen. Nachdem die 1993 gegründete Berliner Bankgesellschaft AG, nunmehr LBB Holding AG, in deren Konzern sowohl die Landesbank Berlin als auch die Berliner Sparkasse eingebunden worden war, vor dem Zusammenbruch stand, hat das Land Berlin zunächst durch eine Finanzspritze von ca. 1,75 Milliarden Euro versucht, die Bank zu retten. Nachdem das nicht ausreichte, wurde durch das sogenannte Risikoabschirmungsgesetz nachgelegt, was umfangreiche Garantien mit einem Wert von schätzungsweise 6 bis 21 Milliarden Euro öffentlicher Mittel für einen Zeitraum von dreißig Jahren beinhaltet.

Sparkassenverkauf: keine Auflage der EU

ME: Muss Berlin die Sparkasse verkaufen?

SF: Das Sanierungsprogramm für die Bankgesellschaft wurde von der EU-Kommission als staatliche Beihilfe bewertet, die nur unter bestimmten Bedingungen EU-rechtlich genehmigt werden konnte. Allerdings gehörte zu diesen Bedingungen nicht die Verpflichtung des Landes Berlin, seine Sparkasse zu verkaufen - obwohl dies vom Berliner Senat hartnäckig behauptet wird. Zu einer solch verpflichtenden Auflage hätte die EU-Kommission auch gar keine Rechtsgrundlage gehabt, da nach Artikel 295 EG-Vertrag allein die Mitgliedsstaaten für die Eigentumsordnung zuständig sind.

ME: Woher kommt dann der Verkaufsdruck?

SF: Die Berliner Sparkasse gehört zum lukrativsten Teil des Verkaufspakets. Deshalb wurde mit der Mehrheit der Stimmen der SPD und PDS 2005 das Berliner Sparkassengesetz verabschiedet, mit dem die rechtlichen Grundlagen dafür geschaffen wurden, dass erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik eine landeseigene Sparkasse überhaupt verkauft werden kann. Dieses Gesetz wurde nicht etwa vom Berliner Senat entworfen, vielmehr wurde damit die internationale Kanzlei "Freshfields Bruckhaus Deringer" beauftragt, eine Kanzlei, die zu ihren Mandanten auch Privatbanken zählt und die das Land Berlin bereits im Beihilfe-Verfahren vor der EU-Kommission vertreten hatte. Der durch den Verkauf der Sparkasse erhoffte hohe Verkaufserlös wird allerdings nicht der Berliner Bevölkerung zugute kommen. Vielmehr sollen mit den Einnahmen die milliardenschweren Verpflichtungen aus dem Risikoabschirmungsgesetz bedient werden, wovon vor allem jene Privilegierten profitieren werden, die ohnehin schon in den Genuss der sogenannten Sorglos-Fonds gekommen sind.

ME: Was macht die Sparkasse so interessant für private Investoren?

SF: Nicht nur der hohe Marktanteil am Privatkundengeschäft dürfte für private Investoren interessant sein, sondern auch die Möglichkeit, in den bis dahin ausschließlich unter staatlicher Regie geführten Sparkassensektor den Fuß in die Tür zu bekommen.

ME: Was könnten die unmittelbaren Folgen der Privatisierung der Sparkasse sein?

SF: Sollte die Berliner Sparkasse an einen privaten Bieter verkauft werden, opfert ausgerechnet eine rot-rote Landesregierung eines seiner wichtigsten fiskal- und wirtschaftspolitischen Steuerungsinstrumente.

Während es für ein staatliches Unternehmen ausreichend ist, kostendeckend zu arbeiten oder aber die Gewinne gemeinwohlorientierten Zwecken zukommen zu lassen, ist ein privates Unternehmen darauf ausgerichtet, eine maximale Rendite für seine Eigentümer zu erwirtschaften. Das führt dazu, dass für Private soziale Aspekte der Gewinnverwendung - wenn überhaupt - lediglich eine untergeordnete Rolle spielen oder allenfalls der Imagepflege dienen.

Im Unterschied zu Sparkassen anderer Bundesländer war zwar die Berliner Sparkasse schon seit 1993 durch ihre Einbindung in den Konzern der Berliner Bankgesellschaft als ein gemeinwohlorientiertes Institut für die Berliner Bevölkerung kaum wahrnehmbar, mit dem neuen Berliner Sparkassengesetz wurde jedoch auf eine gesetzliche Verankerung dieser typischen Merkmale gänzlich verzichtet. Angeblich gab es dazu wegen der EU-rechtlichen Notwendigkeit, den Verkauf diskriminierungsfrei - das heißt ohne Auflagen für Privatinvestoren - zu gestalten, keine Alternative. Vorzuwerfen ist dem rot-roten Senat hier vor allem, dass er noch nicht mal den Versuch unternommen hat, die durchaus vorhandenen sozialen Gestaltungsspielräume auszuschöpfen. Die EU-Kommission hat in einem Schreiben vom 28. Juni 2006 selbst auf diese Möglichkeit hingewiesen. So hätte die Nutzung der gesetzlich geschützten Bezeichnung "Sparkasse" durch private Banken von der Erfüllung bestimmter Gemeinwohlverpflichtungen abhängig gemacht werden können.

Zudem droht die Ausdünnung des bisher sehr dichten Filialnetzes der Berliner Sparkasse. Dies könnte neben dem Abbau von Arbeitsplätzen insbesondere für die Bürger/innen des Ostteils der Stadt, in dem die Privatbanken in der Vergangenheit nur sehr zurückhaltend investiert haben, dazu führen, dass eine ausreichende Versorgung mit Finanzdienstleistungen in Zukunft nicht mehr gewährleistet ist.

ME: Bei der Privatisierung öffentlicher Unternehmen bleiben die umfangreichen Vertragswerke zum großen Teil geheim. Im Berliner Sparkassengesetz ist ebenfalls vorgesehen, dass zwischen dem Land Berlin, vertreten durch den Senat und dem Investor ein öffentlich-rechtlicher Vertrag abzuschließen ist, in dem nähere Einzelheiten geregelt werden sollen. Welche Folgen können solche Verträge haben?

SF: Diese Praxis hat vor allem einen zunehmenden Demokratieabbau zur Folge. In diesen Verträgen werden nämlich insbesondere Haftungsfragen geregelt oder schlimmer noch, wie z.B. im geheimen Konsortialvertrag für die Berliner Wasserbetriebe, Renditegarantien abgegeben, die Haushaltsmittel auf Jahre binden. Werden diese Vertragswerke geheim gehalten, hat der Parlamentarier ohnehin keinerlei Einwirkungs- oder Kontrollmöglichkeiten, aber selbst wenn sie offen gelegt werden, sind sie meist so umfangreich und undurchsichtig, dass der einzelne Parlamentarier schier überfordert ist.

An dieser Form des Demokratieabbaus sind die Parlamentarier aber nicht ganz unschuldig, wie jüngst eine Abstimmung im Rechtsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses gezeigt hat. Auf Betreiben von Mitgliedern der Initiative Berliner Bankenskandal wurde von den Grünen eine Novellierung des Sparkassengesetzes dahingehend gefordert, dass der öffentlich-rechtliche Vertrag nicht nur den Abgeordneten wie vorgesehen vor Abschluss zur Kenntnisnahme zuzuleiten ist, sondern das Abgeordnetenhaus diesem Vertrag zustimmen muss. Fatalerweise wurde dieser Antrag jedoch mit Ausnahme der Grünen im Rechtsausschuss von allen anderen Abgeordneten abgelehnt. Die Abgeordneten haben hier also ihrer eigenen Entmachtung zugestimmt.

ME: Wie lässt sich auf das bereits laufende Bieterverfahren Einfluss nehmen?

SF: Da die sozialen Gestaltungsspielräume im Sparkassengesetz nicht ausgeschöpft wurden und der jüngst eingebrachte Antrag der Grünen zur Novellierung des Sparkassengesetzes in den Ausschüssen abgeschmettert wurde, bleibt nur noch die Möglichkeit eines Volksbegehrens, um zumindest folgende gemeinwohlorientierte Aspekte gesetzlich zu verankern:

Der Anspruch auf ein Girokonto für jedermann, wie dies das Sparkassenrecht zahlreicher anderer Bundesländer vorsieht, muss insbesondere vor dem Hintergrund neuester Rechtsprechung, festgeschrieben werden. Angesichts der bedrohlich ansteigenden Zahl von Menschen, die kein Girokonto mehr besitzen, obwohl ein Girokonto heutzutage existenznotwendig ist, wäre gerade das für einen rot-roten Senat ein zwingendes Muss gewesen. Dem Einwand des PDS-Landesvorsitzenden Klaus Lederer, dass das Girokonto für jedermann gegen EU-Recht verstoßen würde, ist entgegenzuhalten, dass sich der von der EU-Kommission eingesetzte Verbraucherausschuss bereits zugunsten eines Kontrahierungszwangs* bei Girokonten als einem Teil der Daseinsvorsorge ausgesprochen hat.

*Kontrahierungszwang: Gesetzliche Verpflichtung, einen Vertrag abzuschließen - Gegenteil von Privatautonomie.

Als Zweites wäre das Regionalprinzip zu nennen. Das bedeutet, dass die Geschäftstätigkeit der Sparkassen auf das Gebiet ihres Sitzes beschränkt ist. Durch die daraus resultierende detaillierte Kenntnis der Orts- und Personenverhältnisse wird eine optimale Versorgung mit Bankdienstleistungen insbesondere auch für die kleineren und mittleren Unternehmen gewährleistet.

Zudem ist die Einrichtung eines Verwaltungsrats mit umfassenden Kontroll- und Einsichtsmöglichkeiten als zweites Organ neben der Geschäftsführung unerlässlich, denn ohne ein solches Kontrollorgan innerhalb des Unternehmens ist die vorgesehene Fachaufsicht bloße Makulatur. Außerdem soll mit einem Teil der Gewinne der Berliner Verbraucherschutz und die Schuldnerberatung gefördert werden.

Auch wenn, wie bereits erwähnt, die Mehrheit der Berliner Abgeordneten daran kein Interesse zu haben scheint, ist die Verpflichtung, dass das Abgeordnetenhaus dem Inhalt des öffentlich-rechtlichen Vertrags zuzustimmen hat, zwingend notwendig, denn spätestens seit der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe dürfte jedem Abgeordneten bekannt sein, dass Verträge zwischen Investoren und dem Senat das Land Berlin teuer zu stehen kommen können.

ME: Vielen Dank für das Gespräch

Das Interview führte Hermann Werle.

Zurück zum Inhalt MieterEcho Nr. 321