MieterEcho 320/Februar 2007: Höhere Tarife für die Kleinen - Rabatte für die Großen

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MieterEcho 320/Februar 2007

Quadrat BERLIN

Höhere Tarife für die Kleinen - Rabatte für die Großen

Neue Tarife bei den Berliner Wasserbetrieben benachteiligen private Haushalte

Hermann Werle

Zweimal müssen Berliner/innen in diesem Jahr mit der Erhöhung der Wassertarife rechnen. Bereits zum 1. Januar wurden die Preise zunächst um 1,9% erhöht. Die entscheidende Veränderung des Tarifsystems steht jedoch Mitte des Jahres an. Bis dahin soll der gesetzliche Rahmen für die Rabatte und die Aufspaltung der Tarife geschaffen werden, von denen Großkunden, insbesondere die Industrie, profitieren wird.

Die Umstellung auf das Grund- und Mengentarifsystem war ursprünglich schon zum Jahreswechsel geplant und ist Bestandteil der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und Linkspartei.PDS, wo es heißt: "Für die Wassertarifkalkulation soll in Zukunft - auf Grundlage sozial gerechter Tarifmodelle - eine Trennung von Grund- und Arbeitspreisen möglich sein."

Änderung des Betriebegesetzes für Mitte des Jahres geplant

Weil der Senat hierfür noch das Betriebegesetz verändern muss und einige Details umstritten sind, verzögert sich die Umstellung voraussichtlich um ein halbes Jahr. "Dies", so Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei.PDS), "ermöglicht eine in sich konsistente und rechtssichere Gesamtlösung. In Verbindung mit einer grundlegenden gesetzlichen Regelung soll sowohl eine sozial gerechte als auch auf Dauer tarifstabilisierende Wirkung erreicht werden."

Sozial gerechte Preissteigerungen?

Die Pressemitteilung der Berliner Wasserbetriebe zur Preiserhöhung zum 1. Januar ist überschrieben mit der beruhigenden Auskunft: "Mehrkosten bei vorerst gleicher Preisstruktur von 36 Cent pro Person und Monat." Auf den ersten Blick scheint das auch für Geringverdiener/innen verkraftbar zu sein, denn im Vergleich zu den Preissteigerungen der letzten Jahre sind 1,9% eigentlich kaum der Rede wert. Durchaus beachtenswert ist allerdings die Entwicklung seit 2000, d. h. seit dem Jahr, in dem sich die Preisspirale mit dem Aufdrehen des Wasserhahns rasant zu drehen begann. Bei einem täglichen Wasserverbrauch von 116 Litern pro Person (der durchschnittlichen Verbrauchsmenge nach aktuellen Angaben der Berliner Wasserbetriebe) hatte ein 4-Personen-Haushalt am Ende des Jahres 2000 eine Wasserrechnung von rund 650 Euro zu begleichen. Seinerzeit schlug ein Kubikmeter Trinkwasser und dessen Abfluss als Schmutzwasser mit 3,86 Euro zu Buche. Mit der letzten Tarifsteigerung um die "läppischen" 36 Cent kostet dieser Kubikmeter Wasser seit dem 1. Januar 4,84 Euro und erwähnter Haushalt hat bei gleichem Verbrauch 820 Euro jährlich zu bezahlen. Da klingeln die Kassen bei den Teileigentümern der Berliner Wasserbetriebe RWE und Veolia, die für das Jahr 2006 mit einem Gewinn von über 130 Millionen Euro rechnen.


Tabelle Wasserpreise Berlin 2003-2007
Nach garantierten Gewinnen nun auch garantierte Einkünfte

Von weiteren Preissteigerungen in den kommenden Jahren müsse ausgegangen werden, schreibt die Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg (UVB), was "zum einen auf die vom Berliner Senat eingegangenen Verpflichtungen gegenüber den privaten Anteilseignern der Wasserbetriebe zurückzuführen" sei und "zum anderen auf den weiter rückläufigen Wasserverbrauch." Da sich die UVB als regionaler Verband der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) um die Belange der hiesigen Unternehmen zu kümmern hat, kritisiert sie die Preisentwicklung bei den Wasserbetrieben schon seit Jahren. In den "Empfehlungen der UVB an den neuen Berliner Senat" kommt der Verband deshalb zu dem Schluss, dass die "Beibehaltung des gegenwärtigen Tarifsystems zur Fortsetzung der Preisspirale der letzten Jahre" führe und alle Verbrauchergruppen treffen würde. "Insofern", so die UVB, "macht das gegenwärtige Tarifsystem alle zu Verlierern."

Aus der Warte der Arbeitgeber ist es natürlich völlig ausreichend, wenn nur ein Teil der Verbrauchergruppen zu den Verlierern gehört, nämlich die privaten Haushalte. Mithilfe der Aufspaltung der Wassertarife in Grund- und Mengenpreise und der Einführung von Mengenrabatten, die nach dem derzeit gültigen Betriebegesetz noch verboten sind, würden ganz im Sinne des Verbands mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden. Für die Wasserbetriebe hätte die Einführung von Grundgebühren den Vorteil fester Einnahmen, da unabhängig vom tatsächlichen Verbrauch die Grundgebühr entrichtet werden muss, auch wenn kein Tropfen den Wasserhahn verlässt. Neben der vom Senat garantierten Rendite für die Investoren (RWE und Veolia), kämen also auch noch die garantierten Einnahmen über die Grundgebühren hinzu.

Mit der Verabschiedung eines neuen Betriebegesetzes, welches außerdem Rabatte vorsieht, würden Kleinverbraucher stärker belastet, Mehrverbraucher wie die Industrie hingegen entlastet.

Wirtschaftssenator Wolf, der sich schon im letzten Jahr für das neue Tarifsystem stark gemacht hat, wird weniger über die Formulierung des neuen Gesetzes zu grübeln haben als darüber, wie er der Öffentlichkeit das Resultat als "sozial gerecht" verkaufen kann.

Die Wasserpreise werden weiter steigen

Wenn Mitte des Jahres die neue Tarifstruktur der Wasserbetriebe in Kraft tritt, wird Wirtschaftssenator Wolf (Linkspartei.PDS) eine wichtige Forderung der Industrie- und Handelskammer (IHK) erfüllt haben: die Senkung der Wasserkosten für das Gewerbe.

Zwar fordert die IHK bedingungslos die Privatisierung öffentlichen Eigentums und ihr Präsident Dr. Eric Schweitzer, Chef der Müllverwertungsfirma Alba, meint, er könne sich gar nicht vorstellen, was sich nicht privatisieren ließe. Doch die Folgen der Privatisierung der Wasserbetriebe, nämlich die steigenden Wasserpreise, überraschten in diesen Kreisen unangenehm.

Die SPD hatte - insbesondere auf Druck des Donnerstagskreises - im Betriebegesetz ausdrücklich das Verbot von Mengenrabatten verankert und damit das Gewerbe an den Privatisierungsfolgen beteiligt. Eine knifflige Situation für Senator Wolf, der sich ungern die Gunst seiner Freunde von der IHK verscherzen würde. Die Lösung des Problems: Die Trennung von Grund- und Arbeitspreis gestattet nun, die privaten Verbraucher mit einem entsprechend hohen Grundpreis zu belasten und die gewerblichen Verbraucher in den Genuss eines entsprechend verringerten Arbeitspreises kommen zu lassen. Die begleitende Argumentation des Senators und seiner Parteifreunde ist putzig. "Naja," wird gesagt, "sonst würde die Industrie am Ende eigene Brunnen bauen und außerdem müsse man bedenken, dass es sehr mühevoll sei, das Wasser durch die vielen kleinen Rohre bis zu den Haushalten zu leiten."

Man sollte hinzufügen: in Berlin ganz besonders mühevoll, denn hier zahlt ein 3-Personen-Haushalt bei einem Jahresverbrauch von 100 Kubikmetern bereits jetzt 500,40 Euro, in Hamburg 414,50 Euro, in Stuttgart 316,84 Euro und in München gar nur 316,84 Euro - also 183,54 Euro weniger als in Berlin. (Die Angaben stammen vom Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen/BBU.)

Man sollte aber vor allem darauf hinweisen, dass die Wasserversorgung in all diesen Städten noch als öffentliche Aufgabe wahrgenommen wird.

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