MieterEcho 318/Oktober 2006: Chancen für wen?

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MieterEcho 318/Oktober 2006

Quadrat PRIVATISIERUNG

Chancen für wen?

Veranstaltung des GSW-Eigentümers Cerberus zur geplanten Einführung von REITs in Deutschland

Chaim Reich

Cerberus bewacht Berlin seit einigen Jahren und lädt regelmäßig mindestens einmal jährlich zu einer Veranstaltung in den Kaisersaal am Potsdamer Platz ein. Während zur Amtszeit des Herrn Winter* diese gesellschaftlichen Ereignisse als "Parlamentarische Informationsveranstaltungen" eher im Zeichen des Marketings standen, hat sich ihr Charakter inzwischen gewandelt. Die Reihe wurde in "zukunftsWERKSTATTberlin" umbenannt und im September diesen Jahres lautete das Thema "REITs - Chance für Deutschland: Handlungsspielräume schaffen, Investoren gewinnen".

Als Verkörperung von "Chancen für Deutschland" preisen sich nicht nur die Parteien zu Wahlzeiten an, mittlerweile verkaufen unter diesem Label die abgefahrensten Lobbyverbände ihre Interessen und seien sie noch so asozial. Daran hat man sich, wenn auch widerwillig, gewöhnt, und es wird von niemand mehr ernst genommen. Doch das Interesse eines New Yorker Private-Equity-Unternehmens an den "Chancen für Deutschland" erstaunt. So selbstlos können Heuschrecken sein oder so "deutsch" oder was hat es auf sich mit "Deutschlands Chancen"?

Neue Anlageform REITs

REITs sind börsennotierte Immobilienaktiengesellschaften, befreit von Körperschafts- und Gewerbesteuer, sofern sie ihre Erträge zu einem hohen Prozentsatz an die Investoren ausschütten. Anfang der 60er Jahre wurden in den USA die ersten REIT-Strukturen geschaffen. Andere Länder übernahmen das Modell, zuletzt wurde diese Form der Immobiliengesellschaft 2003 in Frankreich eingeführt. In Deutschland wird - ebenso wie in Großbritannien - an den gesetzlichen Grundlagen für eine im nächsten Jahr geplante Einführung gearbeitet. Ein Referentenentwurf liegt bereits vor und wurde zum MieterEcho-Redaktionsschluss im Finanzausschuss des Bundestags diskutiert.

Private-Equity-Fonds kaufen Unternehmen unterschiedlichster Branchen, verwerten sie und stoßen sie danach wieder ab. Die Verkaufs-Transaktion, Exit genannt, kann auf verschiedene Weise erfolgen. Am verbreitetsten ist die Form des IPO (Initial Public Offering), des Verkaufs der Unternehmen an der Börse.

GSW-Eigentümer Cerberus fordert Einführung von deutschen REITs

Das Private-Equity-Unternehmen Cerberus sagt über sich: "Das Geschäftsfeld in Europa erstreckt sich schwerpunktmäßig auf Wohnungs- und Immobilienbestände." Und wie man in Berlin weiß, hat Cerberus zahlreiche Immobilienunternehmen bereits erworben. Doch damit taucht das Problem auf, die Bestände auch wieder loszuwerden. REITs sind eine große "Chance für Cerberus", Immobilienbestände an der Börse zu platzieren.

Der Hauptreferent der Veranstaltung, der ehemalige Finanzminister Dr. Theodor Waigel (CSU), engagierte sich ganz entschieden für die Einführung der REITs. Schließlich gehe es um die Wettbewerbsfähigkeit der Finanzmärkte, das Finanzprodukt REITs werde in Paris und bald auch in London angeboten, REITs, meinte er, seien eine unverzichtbare "Chance für den Börsenstandort Deutschland".

Nachteile für Gebäudesubstanz und Mieter/innen befürchtet

Der Direktor des Deutschen Mieterbunds Franz Rips suchte nach einem anderen Ansatz. Er bezeichnete die Wohnungen als soziales Gut, zweifelte an dem Interesse der REITs dieses Gut zu erhalten und erläuterte, dass die Gewinn-Ausschüttungen unzweifelhaft zulasten der Wohnungssubstanz gingen. Allenfalls ließen sich nach seinen Ausführungen REITs als "Chance für Finanzanleger", aber nicht für die Wohnungen begreifen.

Selbstverständlich sind REITs keine "Chance für die Mieter/innen". Ganz im Gegenteil. Doch diese Interpretation wird sich mit Gewissheit politisch nicht durchsetzen. Der Finanzausschuss des Bundestags wird eine Empfehlung erarbeiten. Er hat sechsunddreißig Mitglieder, zweiundzwanzig von ihnen findet man auf der Liste der Teilnehmer an der von Cerberus veranstalteten "zukunftsWERKSTATTberlin". Dies ist ein klarer Hinweis, die Chancen stehen außerordentlich gut: für die REITs.

* Ralph Winter, war "Managing Director Cerberus Deutschland GmbH" des im Februar 2003 eröffneten Frankfurter Büros und verließ das Unternehmen im April 2006. Über ihn schrieb das Manager-Magazin am 11.04.2006: "Der US-Fonds Cerberus hat seinen Co-Head für das Immobiliengeschäft Ralph Winter verloren. (...) Winter, der wegen seiner blondierten Haare und seinem Faible für Kaugummis den Spitznamen "Dieter Bohlen der Finanzinvestoren" bekam, betreute seit Jahren neben Saul Goldstein das Immobiliengeschäft. Winter trug im zwölfköpfigen Immobilienteam den Titel "Managing Director", hatte aber nach Angaben eines Cerberus-Sprechers keine operative Verantwortung. Sein Co-Head Goldstein übernimmt nun das gesamte Immobiliengeschäft."

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