MieterEcho 318/Oktober 2006: Gewinnstrategien von Cerberus

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MieterEcho 318/Oktober 2006

Quadrat PRIVATISIERUNG

Gewinnstrategien von Cerberus

Eine Zwischenbilanz zur GSW-Privatisierung

Andrej Holm

Die GSW wurde im Sommer 2004 an ein internationales Bieterkonsortium verschiedener Fonds und Finanzunternehmen verkauft. Cerberus - der amerikanische Fonds mit dem Namen des Höllenhunds - hält zusammen mit dem Whitehall Fonds von Goldman Sachs 90% der Anteile an der GSW und bestimmt entsprechend das operative Geschäft mit den über 70.000 Wohnungen. Es war die bisher größte Wohnungsprivatisierung in Berlin und damit Anlass genug, gut zwei Jahre nach dem Verkauf eine erste Zwischenbilanz zu ziehen.

Insgesamt wurden in Berlin seit 1990 mehr als 200.000 kommunale Wohnungen privatisiert. Allein in den letzten fünf Jahren waren es über 125.000 Wohnungen. Schlagzeilen machten die jüngsten Verkäufe unter anderem, weil ihre neuen Eigentümer keine klassischen Wohnungsunternehmen waren, sondern Finanzinvestoren auf der Suche nach einer neuen Anlagesphäre. Der geschätzte Wohnungsbestand dieses neuen Eigentümertyps in Berlin beläuft sich inzwischen auf mindestens 140.000 Wohnungen.



Am Beispiel des Branchenriesen Cerberus werden verschiedene Strategien der Finanzinvestoren deutlich. Cerberus ist nicht nur in Berlin aktiv: Der gesamte Wohnungsbestand der Cerberus Deutschland Beteiligungsberatung GmbH (so der vollständige Name) liegt zwischen 110.000 und 120.000 Wohnungen.

Handel mit Wohnungen

Ein Kerngeschäft der Investoren ist der Handel mit Immobilien - also der Kauf und Verkauf von Wohnungen. Gekauft werden dabei nicht nur öffentliche, sondern auch private Wohnungsbestände. Allein in Berlin gab es - abgesehen vom Erwerb der GSW - seit 2004 mindestens neun Transaktionen, an denen Cerberus beteiligt war. In drei Fällen wurden Teile des GSW-Bestands weiterverkauft und in allen anderen Immobiliengeschäften ging es um eine Erweiterung durch Zukäufe. Insgesamt wurden mehr als 12.000 Wohnungen erworben und etwa 6500 Wohnungen verkauft. Der Berliner Bestand von Cerberus beläuft sich aktuell auf etwa 70.000 Wohnungen. In den meisten Fällen - so geht es zumindest aus den Pressemitteilungen von Cerberus hervor - wurde über den Kaufpreis Stillschweigen vereinbart.

Hinzu kommt der Verkauf des Geschäftsstellenhauses an der Kochstraße für etwa 60 Millionen Euro im September 2005. Allein durch die Verkäufe am Grazer Damm und des Geschäftsstellenhauses hat Cerberus etwa 107 Millionen Euro eingenommen. Das entspricht mehr als einem Viertel des Kaufpreises für die gesamte GSW. Da die Abgabe von 5000 Wohnungen an die HSA Nordbank eine Nebenbestimmung des Kaufvertrags bei der Privatisierung der GSW war, bleibt diese Transaktion dabei unberücksichtigt.

Da Private-Equity-Fonds nur zu einem geringen Teil eigenes Kapital einsetzen (der größere Teil sind Gelder, die als Kredite von Banken zur Verfügung gestellt werden und das gekaufte Unternehmen belasten), kann vermutet werden, dass die Beteiligung der Anleger bereits durch die Verkäufe erwirtschaftet wurde und zurückgeflossen ist. Die GSW mit ihren Wohnungsbeständen steht nun zur weiteren Verwertung nahezu kostenlos zur Verfügung.



Umschuldungen, neue Kreditlinien und eine satte Rendite

Durch Umschuldungen der GSW-Verbindlichkeiten auf internationalen Finanz- und Kreditmärkten konnten die Ausgaben im Finanzbereich deutlich reduziert werden. Da die Umsätze aus dem sogenannten Leistungsbereich, also vor allem der Vermietung von Wohnungen, als relativ stabil anzusehen sind, können die Finanzierungskosten für Zinsen und Tilgung mühelos aus dem laufenden Betrieb getragen werden. Ein zentraler Faktor bei der Bilanzaufbesserung des Unternehmens waren die Neubewertungen etlicher Bestände. Ein Gutachten der Unternehmensberatung Ernst & Young zur "Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der städtischen Wohnungsbaugesellschaften" hielt 2003 - ein Jahr vor dem Verkauf - die Buchwerte der GSW für überhöht. Diese Einschätzung schlug sich dann im überaus günstigen Verkaufspreis nieder. Mit ca. 31.000 Euro je Wohneinheit war der GSW-Verkauf eine der aus Investorensicht bisher preiswertesten Privatisierungen. Doch die so beklagte Überbewertung der Bestände erweist sich heute als eine krasse Unterbewertung. Sie drückte nicht nur den Kaufpreis, sondern ermöglichte nach der Privatisierung auch eine erfolgreiche Umschuldung durch Neubewertung. Eine doppelte Gefälligkeit der Privatisierungsberater von Ernst & Young. Und für Cerberus besonders günstig - weil völlig umsonst. Denn das Gutachten wurde mit etwa 1000 Euro Tagessatz je Mitarbeiter aus dem Berliner Handelshaushalt bezahlt.

Anlagen im Wohnungs- und Immobiliensektor gelten unter den Finanzinvestoren als relativ risikoarmes Geschäft. "Der Total Return aus dem Vermietungsgeschäft ist zwar mit 4,7% im Jahresdurchschnitt nicht sonderlich hoch, aber hinsichtlich der Ertragsstabilität sind deutsche Wohnimmobilien jedoch unübertroffen sicher", so die Einschätzung von Hanspeter Gondring, Professor für Immobilienwirtschaft. Der stetige und kaum von Schwankungen gekennzeichnete Ertragsstrom aus den Mietzahlungen garantiert eine äußerst stabile Anlageform. Wird diese Anlage mit einem relativ geringen Eigenkapitalanteil auf der Basis von günstigen Krediten finanziert und im Wesentlichen aus der laufenden Bewirtschaftung refinanziert, dann sind selbst scheinbar kleine Zusatzgeschäfte wie die Verkäufe des Geschäftsstellenhauses und der 1500 Wohnungen am Grazer Damm ein beachtlicher Gewinn.

Modernisierungen und ...

Doch die Aktivitäten von Cerberus beschränken sich nicht auf den Wohnungshandel und die Optimierung der Kreditlinien und Bilanzen. In einigen Siedlungen, in denen die Geschäftsführung offensichtlich Aufwertungspotenzial vermutet, forciert Cerberus die Modernisierung der Bestände. So wurde in der "Grünen Stadt" (2000 Wohnungen) mit Sanierungsarbeiten in einer der letzten Niedrigmietgebiete von Prenzlauer Berg begonnen (MieterEcho Nr. 316 berichtete). Der Einbau moderner Heizungsanlagen, die Neugestaltung von Bädern und Küchen sowie der Anbau von Balkonen soll gehobenen Wohnansprüchen entsprechen. In den ersten Modernisierungsankündigungen wurden Mietsteigerungen von bis zu drei Euro/qm veranschlagt - für viele Mietparteien würde dies eine Verdoppelung der Grundmiete bedeuten. Doch die Modernisierungen sollen die Bestände für die Umwandlung in Eigentum herrichten. Für 1400 Euro/qm werden familien- und seniorengerechte Wohnungen zum Kauf angeboten.

Auch in anderen Beständen von Cerberus (Spandau/ Obstallee mit ca. 2000 Wohnungen, Lichtenberg/ Eitelstraße mit ca. 250 Wohnungen, Köpenick/ Gehsener Straße mit ca. 500 Wohnungen) wurden erste Modernisierungsarbeiten angekündigt bzw. begonnen. Insgesamt sind also derzeit 5000 Wohnungen (etwa 7%) der GSW/Cerberus von Modernisierungsarbeiten betroffen.



... aktives Management

Weitere Optimierungsspielräume hat Cerberus im klassischen Vermietungsgeschäft gefunden. Nicht bei den Mieteinnahmen (die Mieterhöhungsspielräume wurden bereits vor der Privatisierung weitgehend ausgeschöpft), sondern bei der Bewirtschaftung. Neue Tarifverträge, eine konzerninterne Konkurrenz mit der BauBeCon um die günstigste Wohnungsverwaltung und eine neue Verwaltungssoftware bilden die Grundlage für das neue Geschäftsverhalten der GSW.

Der kürzlich abgeschlossene Tarifvertrag wird von Betriebsrat und Gewerkschaft als Erfolg angesehen - schließlich gibt es keine betriebsbedingten Kündigungen. Doch die neue Geschäftsführung konnte ein leistungsorientiertes flexibles Arbeitszeit- und Entlohnungsmodell einführen. Auch die Struktur der Serviceleistungen wurde umgestellt. Statt der bisherigen Hauswarte gibt es nun eine striktere Trennung der Aufgaben. Nur spezialisierte Facharbeiten sollen in Zukunft von Hausmeistern ausgeführt werden, während z.B. die Reinigungsarbeiten in Häusern und im Wohnumfeld künftig von schlechter entlohnten Reinigungskräften übernommen werden sollen. Die Differenzierung der hausnahen Verwaltungsfunktionen bringt ein Zwei-Klassen-System der GSW-Belegschaft hervor und drückt die Personalausgaben. Zugleich erhöht die Aufteilung der Bewirtschaftung in übersichtliche Teilaufgaben die Konkurrenz mit anderen, preiswerteren Anbietern. Denn eine Reinigungskraft ist schnell und unkompliziert ersetzbar - im Gegensatz zu einem Hauswart mit seinen langjährigen Erfahrungen und Kenntnissen von Bestand und Bewohnerschaft. Auswirkungen auf die Qualität der Wohnungsverwaltung sind noch nicht einzuschätzen. Aus der Sicht der Beschäftigten steigt der Druck - aus der Perspektive der Geschäftsführung handelt es sich um erfolgreiche Optimierungen.

Eine Auswirkung dieser Optimierungsstrategien bekamen die GSW-Mieter/innen in den letzten Monaten zu spüren. Die neue Verwaltungssoftware übernimmt offensichtlich verschiedene Aufgaben, die früher von mit Erfahrung und Einschätzungsvermögen ausgestatteten Mitarbeiter/innen persönlich verrichtet wurden. Falsche Buchungen wurden früher schnell erkannt - heute verschickt die Verwaltungssoftware erst einmal eine Mahnung oder sogar die Androhung einer Kündigungsklage. Dass ein paar Monate später wieder eine "erste Mahnung" ausgestellt wird, scheint das automatische Programm nicht weiter zu stören. Mieter/innen, denen grundlos Mahnschreiben zugestellt werden, sind jedoch durch solche Praktiken verunsichert.

Fazit

Eine erste Bilanz der GSW-Privatisierung muss das betriebswirtschaftlich erfolgreiche Vorgehen der neuen Eigentümer anerkennen. Die Strategien der Investoren richteten sich zunächst auf die internen Strukturen des Unternehmens. Veränderte Kreditlinien und Neubewertungen auf der einen und eine Optimierung der Verwaltungsarbeit auf der anderen Seite sind wesentliche Unternehmensschritte in den ersten zwei Jahren nach der Privatisierung. Bezogen auf den Bestand jedoch zeichnen sich sehr verschiedene Strategien ab. Verkauf, Modernisierung und Umwandlung auf der einen, stabile Vermietung auf der anderen Seite. Der wichtigste Aspekt scheint jedoch, dass die zum Verkauf vorgesehenen Bestände in einen Zustand gebracht werden, der eine weitere Verwertung zulasten der Mieter/innen möglichst reibungslos und profitabel durchführbar macht.

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