MieterEcho 316/Juni 2006: Modernisierung und Umwandlung in der Grünen Stadt

MieterEcho

MieterEcho 316/Juni 2006

 PRIVATISIERUNG

Modernisierung und Umwandlung in der Grünen Stadt

Nach der Privatisierung kommt der Weiterverkauf

Andrej Holm

Der Ausverkauf der kommunalen Wohnungsbaugesellschaften ist weder Start- noch Endpunkt der Privatisierungspolitik. Die öffentlichen Wohnungsbaugesellschaften unterliegen bereits seit Jahren einem Ökonomisierungsdruck und agieren vielfach wie private Wirtschaftsunternehmen. Die Eigentumsübertragung an einen nicht-öffentlichen Investor ist oftmals nur ein weiterer Schritt auf dem Weg der Liberalisierung. Und nicht der letzte Schritt - wie das Beispiel der GSW zeigt. Neben den kurzfristigen Verkäufen an Vivacon (Grazer Damm) und die HSH Bank (Kissingenviertel und Krankenhausviertel in Pankow, Weiße Stadt in Reinickendorf) setzt die Cerberus - die neue Eigentümerin der GSW - auch auf die Modernisierung und Einzelumwandlung von Wohnungen.

Die Mieter/innen der Grünen Stadt in Prenzlauer Berg werden Ende letzten Jahres nicht schlecht gestaunt haben, als sie eine "vorläufige Vorankündigung von Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen" von der GSW in ihren Briefkästen fanden. Trotz des mietrechtlich unwirksamen Status beunruhigte das Schreiben die meisten Mieter/innen. Denn "vorläufig vorangekündigt" wurden umfassende Modernisierungsarbeiten: der Einbau moderner Heizungsanlagen, der Anschluss an eine zentrale Warmwasserversorgung, die Neuinstallation der Elektroanlagen sowie neue Bäder, neue Küchen und Balkone. Die Modernisierung sollte sich mit bis zu 3,00 Euro/qm monatlich auf die Miete niederschlagen. Bei Ausgangsmieten zwischen 2,50 und 3,00 Euro/qm nettokalt eine glatte Verdoppelung der Mietkosten.

Doch das in den 1930er Jahren errichtete Quartier zwischen Danziger Straße und S-Bahn-Trasse (Greifswalder Straße, John-Schehr-Straße, Kniprodestraße und Anton-Saefkow-Straße) ist eines der letzten zentral gelegenen Refugien preiswerten Wohnens inmitten des Aufwertungsbooms in Prenzlauer Berg. Viele der knapp 2400 Mieter/innen in den 1800 Wohnungen hatten hier Ruhe vor den Sanierungen und Mietsteigerungen in den umliegenden Altbauvierteln.

Die GSW, die auch nach der Privatisierung noch die Verwalterin ist, sieht dies natürlich völlig anders: "Dieses in Karree-Bauweise erstellte Quartier mit seinen parkähnlich angelegten Innenhöfen und teilweisem Privatstraßencharakter ist in seiner Lagebewertung eindeutig besser einzuschätzen als sein derzeitiger Zustand" (Schreiben der GSW an die Mieter/innen). In Interviews spielte Thomas Zinnöcker, der Geschäftsführer der GSW, souverän die Karte des menschenfreundlichen Modernisierers: "Viele Wohnungen haben noch Öfen und alte Gasheizer. Überwiegend alte Menschen wohnen zu günstigen Mieten darin. Sie haben sich im Laufe der Jahre an Zustände gewöhnt, die heute niemand mehr akzeptieren würde". Ziel der Modernisierung sei nichts weiter als die "Herrichtung eines zeitgemäßen Standards".

Doch "zeitgemäß" bedeutet im Zeitalter der Privatisierung der Wohnungsversorgung vor allem "umwandlungsfähig". Schon kurz nach den "vorläufigen Vorankündigungen" kursierten auf den Internetseiten der Wohnungsanbieter Verkaufsgebote für die "Grüne Stadt im Prenzlauer Berg - im Herzen Berlins". Bei Verkaufspreisen von durchschnittlich 1450 Euro/qm Wohnfläche gehört die Mehrzahl der aktuellen Mieter/innen der Grünen Stadt nicht zum "zeitgemäßen" Klientel von Prenzlauer Berg.

Protest und Befriedung

Nach ersten Protesten der Mieterschaft hat der Bauausschuss der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) noch im Dezember 2005 zu einer Mieterversammlung in einer nahe gelegenen Schule geladen. Auf dem Podium saßen auch Vertreter der GSW und des Berliner Mietervereins. Die Bezirksverordneten verdeutlichten auf dieser Versammlung, dass sie einer ungebremsten Aufwertung des Gebiets nicht tatenlos zusehen werden und forderten die GSW auf, mieterverträgliche Modernisierungspläne zu entwerfen. (Der grundsätzliche Erhalt des preiswerten Wohnraums stand allerdings nicht auf dem Forderungskatalog.) Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, wurde auf der Sondersitzung der BVV am 15.02.2006 ein "Antrag zur Sicherung eines mieterverträglichen Sanierungsgeschehens in der Grünen Stadt" von den Fraktionen der Linkspartei.PDS, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen beschlossen. Mit diesem Beschluss wird das Bezirksamt aufgefordert, für die Grüne Stadt eine Umstrukturierungssatzung nach § 172 Abs. 1 Nr. 3 BauGB zu erlassen. Mit diesem - in Berlin bisher kaum angewandten - Instrument soll ein Gebietssozialplan erstellt und eine unabhängige Beratung der Mieter/innen durchgesetzt werden.

Mit einer solchen Umstrukturierungssatzung unterliegen alle geplanten Baumaßnahmen einer besonderen Genehmigungspflicht und diese darf "versagt werden, um einen den sozialen Belangen Rechnung tragenden Ablauf auf der Grundlage eines Sozialplans (§ 180) zu sichern." (§ 172 Abs. 5 BauGB). Im Gegensatz zur Milieuschutzsatzung bezieht sich eine Umstrukturierungssatzung vorrangig auf die städtebauliche Eigenart eines Gebiets und wird in kürzeren Fristen - im konkreten Fall zwölf Monate - erlassen.

Bisher wurden aber weder Sozialpläne aufgestellt noch eine Mieterberatung beauftragt - kein Wunder, denn der wohlgemeinte BVV-Beschluss soll sich für den Bezirk kostenneutral gestalten. Alle Kosten der Umstrukturierungssatzung soll der Investor übernehmen. Doch der lässt sich Zeit mit der Umsetzung und modernisiert zwischenzeitlich munter weiter. Aufgeschreckt durch die Öffentlichkeit werden den Mieter/innen nun Modernisierungsvereinbarungen angeboten (s. S. 16). Die Mieter/innen sollen so das Ausmaß der Umbauten selbst bestimmen dürfen. Was zunächst wie eine erweiterte Mitbestimmung klingt, zielt letztlich jedoch vor allem auf die Umgehung der mietrechtlichen Standardverfahren. Vom BVV-Beschluss beruhigt und mit der Auswahlmöglichkeit der GSW geködert, verzichten viele Mieter/innen auf die Anwendung des Mietrechts (siehe Seiten 16 ff und 21 ff). Nach Aussagen von mehreren Mieter/innen im Gebiet sind etliche Nachbar/innen in den letzten Monaten ausgezogen. Begründung: Zu viel Stress und Angst vor steigenden Mieten.

Eigentum im "Family Resort"

Ob eine konsequente Umsetzung der Umstrukturierungssatzung diese Entwicklung tatsächlich verhindert hätte, bleibt fraglich. Denn auch der BVV-Beschluss war nicht wirklich konfrontativ formuliert. In der Begründung des Antrags heißt es: "Der erhebliche Grünanteil des Gebiets, der ihm auch seinen Namen gab, ist vor allem für Familien mit Kindern und ältere Menschen sowie Menschen mit geringen Einkommen besonders geeignet (…). Es ist daher Ziel der BVV, dass das Quartier für familienfreundliches Wohnen umstrukturiert wird." In ein ganz ähnliches Horn stößt auch die GSW selbst: in ihren Verkaufsprospekten für Eigentumswohnungen verwandelt sich die Grüne Stadt ins "Family Resort"* und "3-Generationen-Park". Verschiedene Grundrissvarianten sollen Singles, Familien und Senioren anlocken - für schlappe 1450 Euro/qm.

Die 'Familienkarte' ist in den letzten Jahren in Prenzlauer Berg zu einem stadtentwicklungspolitischen Joker geworden, mit dem sich fast alle Maßnahmen begründen lassen. Doch eine wirklich soziale Orientierung darf sich nicht nur an Wohnungsgrundrissen und Ausstattungsvarianten orientieren, sondern muss vor allem langfristig bezahlbare Mieten sichern. Im Fall der Grünen Stadt scheint dieser Zug jedoch abgefahren zu sein

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*) Family Resort (engl.): eine Family ist eine Familie, die Bezeichnung Resort wird üblicherweise im Tourismus verwendet und bedeutet Erholungsort im Sinne einer Hotel- oder Ferienhausanlage o.Ä.

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