MieterEcho 317/August 2006: Berlin bleibt Mieterstadt

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Berlin bleibt Mieterstadt

Weniger Umwandlungen in Eigentumswohnungen

Andrej Holm

Der Berliner Wohnungsmarkt, der zu fast 90% aus Mietwohnungen besteht, ist in Deutschland und Europa noch immer eine große Ausnahme. Keine andere Großstadt hat so wenig Eigentumswohnungen wie Berlin. Immobilienmakler und Kreditinstitute verbinden mit dieser geringen Eigentumsquote die Hoffnung auf ein umfangreiches Umwandlungsgeschäft. Doch die aktuellen Zahlen des Wohnungsmarktberichts zeigen: Umwandlungen spielen sich im Promillebereich des Gesamtbestands ab.

Die jetzt vorgelegten Daten des Berliner Wohnungsmarktberichts weisen für die Jahre 2003 und 2004 abgeschlossene Umwandlungen in der Größenordnung von jeweils etwa 7000 Wohnungen aus - das sind die geringsten Werte seit 1993. Vor allem im Vergleich zu den Spitzenjahren der Umwandlung (1998 bis 2000) mit ca. 20.000 umgewandelten Wohnungen pro Jahr ist das ein deutlicher Rückgang.

Doch auch ein gedämpftes Umwandlungsgeschehen führt mit den Jahren zu nachhaltigen Veränderungen auf dem Wohnungsmarkt. Die Umwandlungsbilanz für den Zeitraum von 1991 bis 2004 zeigt das deutlich: Über 235.000 beantragte Abgeschlossenheitsbescheinigungen wurden ausgestellt (die Erfassung dieser Daten durch die Senatsverwaltung wurde nach 2002 eingestellt) und fast 160.000 abgeschlossene Umwandlungen wurden durch Grundbucheintragungen angezeigt. Etwa 80.000 Wohnungen sind also zurzeit mit den rechtlichen Voraussetzung zur Umwandlungen in eine Eigentumswohnungen ausgestattet.

Diese absoluten Zahlen müssen auf den Gesamtwohnungsbestand Berlins (1,88 Mio. Wohnungen) oder besser noch auf die etwa 1,65 Mio. Mietwohnungen der Stadt bezogen werden, um ihre Relevanz zu erkennen. Die Wohnungen mit beantragten Abgeschlossenheitsbescheinigungen seit 1991 entsprechen einem Anteil von über 12% des gesamten Berliner Wohnungsbestands, bezogen auf den Mietwohnungsbestand sind sogar über 14% betroffen.

Die durch einen Grundbucheintrag vollzogenen Umwandlungen entsprechen 8% des Gesamtbestands und fast 10% der Berliner Mietwohnungen. Nur ein Teil dieser Umwandlungsverluste konnte durch die rückläufigen Neubauten ausgeglichen werden. So hat sich der Anteil der Eigentumswohnungen am Berliner Wohnungsbestand von 8% (1992) auf 12% (2004) erhöht. Die Zahl der seit 1991 umgewandelten Wohnungen spiegelt sich nicht vollständig in der gestiegenen Eigentumsquote wider, die ausschließlich das selbstgenutzte Wohneigentum erfasst. Die Differenz von etwa 80.000 Wohnungen betrifft umgewandelte Wohnungen, die weiterhin vermietet werden. Eine spätere Eigenbedarfskündigung ist dort nicht ausgeschlossen.


Preisentwicklung beim Wohneigentum

Quelle: Der Berliner Wohnungsmarkt Bericht 2005


Wann und wo wurde umgewandelt?

Der Umwandlungsschwerpunkt in absoluten Zahlen lag mit wenigen Ausnahmen in den Jahren 2002 und 2003 in den Westberliner Bezirken. Unter Berücksichtigung der unterschiedlich großen Wohnungsbestände in Ost und West kann jedoch von einer Verlagerung des Umwandlungsgeschehens von West nach Ost gesprochen werden. In Westberlin sind es die Bezirke Charlottenburg und Wilmersdorf, die über die Jahre hinweg hohe Umwandlungszahlen aufweisen. In Ostberlin sind die höchsten Umwandlungsquoten vor allem in den Innenstadtbezirken und Pankow zu finden. Insbesondere nach den Sonderabschreibungsmöglichkeiten für Wohnungsmodernisierungen nahm das Umwandlungsgeschehen ab der Jahrtausendwende überdurchschnittlich zu. Mehr als jede dritte Umwandlung der letzten Jahre vollzog sich in diesen Bezirken.

Während sich das Geschäft mit der Umwandlung nach Ostberlin verlagerte, konzentriert sich der Handel mit Mietwohnhäusern auf die Westberliner Stadthälfte. Die Zeit der spekulativen Hausverkäufe in den Ostberliner Altbaugebieten scheint beendet. Seit dem Jahr 2000 werden in Westberlin mehr Mietwohnhäuser verkauft als in Ostberlin. Nach dem durch Steuererleichterungen ausgelösten Verkaufsboom im Osten mit Spitzenwerten von fast 1800 Hausverkäufen im Jahr 1998 hat sich das Verkaufsgeschehen in den Ostberliner Bezirken deutlich beruhigt. Zurzeit wechseln weniger als 600 Mietwohnhäuser pro Jahr den Besitzer. In Westberlin ist dieser Wert im Jahr 2004 auf über 800 Verkäufe angestiegen und damit so hoch wie seit 1991 nicht mehr. Auch die durchschnittlichen Kaufpreise haben sich in den letzten Jahren leicht erholt und liegen - nach einer Berg- und Talfahrt - wieder auf dem Niveau von 1995: In Westberlin wird für ein Mehrfamilienhaus demnach etwa 1,5 Millionen Euro gezahlt, in Ostberlin knapp eine Millionen Euro.

Offensive Eigentumsstrategie gescheitert

Aus der Perspektive von Mieter/innen sind sowohl die rückläufigen Umwandlungszahlen als auch das gedämpfte Verkaufsgeschehen zu begrüßen, denn die Begehrlichkeiten der Finanz- und Immobilienunternehmen, die Mieterstadt Berlin 'zu Markte zu tragen', bestehen nach wie vor.

Als die "Eigentumsstrategie Berlin 2000" des Senats aus dem Jahre 1997 (siehe MieterEcho Nr. 266) längst aus den Schlagzeilen verschwunden war, legte 2002 im Auftrag der LBS Norddeutsche Landesbausparkasse eine Gruppe von Experten um Ulrich Pfeiffer eine Untersuchung des Wohnungsmarkts in Berlin vor. Ausgerechnet Pfeiffer, möchte man meinen, der schon Mitte der 1990er Jahre der Mieterstadt Berlin ein Ende setzen wollte. Unter dem Titel "Wohnungsmarkt Berlin - Hoffnungsloser Fall oder Markt voller Chancen" wurden dann auch erwartungsgemäß die Investitionschancen für die Berliner Wohnungsimmobilien ausgelotet. Insbesondere die Wohneigentumsquote wurde im Vergleich zu anderen Städten als "sehr kümmerlich" bewertet. Doch kein Tatbestand, den Ulrich Pfeiffer nicht mit verschiedenen Zukunftsszenarien verändern könnte. Mit der unter Marktforschern beliebten Methode werden verschiedenen Entwicklungsannahmen - zum Beispiel zur Einkommens- und Mietpreisentwicklung - in die Zukunft verlängert, um Prognosen bestimmter Entwicklungen aufzustellen. In der benannten Studie sollte Berlin von der "kümmerlichen" Eigentumsquote befreit werden. Die dazu favorisierte offensive "Eigentumsstrategie" zielt auf eine schrittweise Anpassung des Berliner Wohnungsmarkts an die westdeutschen Eigentumsquoten. Doch mindestens 10.000 Umwandlungen bzw. Eigentumserwerbungen pro Jahr werden als Voraussetzung gesehen, um bis zum Jahr 2015 wenigstens auf das Niveau von Hannover (20% Eigentumswohnungen) zu gelangen. Die rückläufigen Umwandlungszahlen der letzten Jahre geben jedoch Hoffnung auf den Fortbestand der Mieterstadt Berlin.

Entwicklung der Umwandlungen

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