MieterEcho 317/August 2006: Geschenk für Investoren

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MieterEcho 317/August 2006: Inhalt

Quadrat MIETRECHT AKTUELL

Geschenk für Investoren

Baden-Württemberg plant Mietrechtsreform zur Stärkung der Position der Vermieter

Hermann Werle

Weit über 600.000 Wohnungen wurden allein in den letzten drei Jahren von den Kommunen an Finanzinvestoren verkauft. Private-Equity-Fonds wie Cerberus, Oaktree oder Fortress sind in einigen Städten zu bedeutsamen Eignern von Wohnraum aufgestiegen. Mit dem Verkauf der Wohnungen verringert sich die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Mietpreisentwicklung. Die letzte Bastion zum Schutz der Mieter/innen vor rabiaten Vermietern stellt das Mietrecht dar - und das soll sich nach dem Willen des Baden-Württembergischen Kabinetts ändern.

Wenngleich die CDU/SPD-Regierungskoalition bislang vorgegeben hat, am Mietrecht nichts ändern zu wollen, startete Baden-Württemberg im Juli eine Bundesratsinitiative zur Mietrechtsreform, die noch dieses Jahr in den Bundestag eingebracht werden soll. Das unter der Federführung des Justizministers und stellvertretenden Ministerpräsidenten Ulrich Goll (FDP) formulierte Reformvorhaben soll einseitig Vermieterpositionen stärken. Die Kündigungsfrist für Vermieter soll unabhängig von der Wohndauer auf nur noch drei Monate verkürzt werden. Bisher gilt die Regelung, dass sich die vom Vermieter einzuhaltende Kündigungsfrist nach fünf Jahren Mietdauer auf sechs Monate und nach acht Jahren auf neun Monate verlängert. Weiterhin ist vorgesehen, die Schonfrist, innerhalb derer eine Räumung durch Begleichung der Mietrückstände vermieden werden kann, von zwei auf einen Monat zu senken. Noch gravierender ist die dritte geplante Gesetzesänderung. Demnach soll die Kappungsgrenze für Mieterhöhungen innerhalb von drei Jahren von 20 auf 30% erhöht werden. Angesichts des flächendeckenden Ausverkaufs der kommunalen Wohnungsbestände an Finanzinvestoren ist das Reformvorhaben einfach nur zynisch und stellt angesichts der steigenden Anzahl von Mietschuldnern den "Einstieg in ein Programm zur Erzeugung von Wohnungsnot und Obdachlosigkeit dar", wie die Berliner MieterGemeinschaft bereits in einer Presseerklärung gegen das Vorhaben protestierte. Die soziale Sicherheit, die der Kündigungsschutz bietet, würde mit einer derartigen "Reform" leichtfertig Investoreninteressen geopfert.

"Nah am Mieter"?

Viele Vermieter führen gelegentliche Mieterhöhungen durch, aber die konsequente Ausschöpfung aller "Mieterhöhungspotenziale" ist Teil des so genannten "aktiven Managements". Diese Art des Managements bietet seit neuestem die privatisierte GSW als Dienstleistung an. In der Selbstdarstellung der neuen GSW-Tochter "Asset One" ist über ihr Tätigkeitsfeld zu lesen: "Auf der Schnittstelle zwischen globalem Kapitalmarkt und nationalen Anbietern führt Asset One kompatible Anlage- und Verwertungsinteressen zusammen, optimiert systematisch Portfolio-Strategien und realisiert für beide Seiten außergewöhnliche Transaktionschancen." Und unter der Überschrift "Nah am Mieter" ist zu erfahren, dass eines der Managementziele Mieterhöhungen sind, was bei der "Asset One" dann die "laufenden Optimierung der Mieterträge" bedeutet. Das ist nun wahrlich keine Überraschung, deutet aber unmissverständlich darauf hin, dass eine Erhöhung der Kappungsgrenze von 20 auf 30% sofort genutzt würde. Und wenn nun, wie in dem Gesetzesvorhaben vorgesehen, Kündigungs- und Schonfristen verkürzt werden würden, so entspricht auch dies den Interessen der Investoren.

Schnellere Verfahren und die vereinfachte Räumung von säumigen Mieter/innen sorgen für "ein Minimum an Rechtskosten und Forderungsausfällen", wie es sich die "Asset One" stellvertretend für Vermieter und Private-Equity-Fonds wünscht.

Hauseigentümer fordern Liberalisierung des Mietrechts

Von den Liberalen war daher bereits vor den letzten Bundestagswahlen eine Gesetzesinitiative angekündigt worden. Mit dem Argument, das Mietrecht sei "investitionsfeindlich", hatte der FDP-Rechtsexperte Rainer Funke im September letzten Jahres eine Veränderung gefordert.

Dem Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW), der Eigentümerschutz-Gemeinschaft Haus & Grund wie auch dem Immobilienverband Deutschlands (IVD) geht die Gesetzesinitiative des stellvertretenden Ministerpräsidenten Ulrich Goll indes noch nicht weit genug. So würde die "Kappungsgrenze - ob 20 oder 30%" den Marktbedingungen in keiner Weise gerecht werden, so der IVD. "Notwendig ist vielmehr eine grundsätzliche Liberalisierung des Mietrechts, wozu auch eine völlige Beseitigung von Kappungsgrenzen und ähnlichen Regulierungen gehört."

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