MieterEcho 316/Juni 2006: Sanierungspolitik "light"

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MieterEcho 316/Juni 2006

 TITEL

Sanierungspolitik "light"

Öffentlich-rechtliche Verträge im Kampf gegen Umwandlungsmodernisierungen

Andrej Holm

Die Förderungen wurden eingestellt, die Mietobergrenzen aufgehoben und die Anzahl der Sozialplanverfahren deutlich verringert - die Sanierungspolitik, einst als schärfstes Schwert des Baugesetzbuchs gerühmt, ist nur mehr ein stumpfes Artefakt seiner selbst. Nur die Wohnungen werden in ungebrochener Dynamik modernisiert. Die meisten Eigentümer setzen auf eine Umwandlung und der Druck auf die Mieter/innen wächst.

Öffentlich rechtliche Verträge ...

Seit den Urteilen gegen die Mietobergrenzen (das MieterEcho berichtete mehrfach - zuletzt in Nr. 303, die Red.) versuchen die Sanierungsverwaltungsstellen, die Sanierungsziele durch öffentlich-rechtliche Verträge mit den Eigentümern zu sichern. Kern solcher Vereinbarungen sind neben einigen baulichen Festlegungen vor allem Regelungen zu einer gedämpften Mietgestaltung in 50% der Wohnungen und zur Akzeptanz des Sozialplanverfahrens. Die lange Zeit kursierenden Befürchtungen, ohne einen ökonomischen Anreiz wie der Sonderabschreibung seien die Eigentümer sicherlich nicht bereit, sich auf bezirkliche Genehmigungsverfahren einzulassen, fanden keine Bestätigung. Bisher haben sich nur wenige Eigentümer gesträubt, diese Verträge zu unterzeichnen. Kein Wunder, denn der Bezirk verpflichtet sich mit diesen Verträgen quasi dazu, die Verhandlungen mit den Mieter/innen zu moderieren und die Eigentümer bei der Umsetzung der Mietparteien zu unterstützen. Nach dem Verständnis vieler Eigentümer ersetzt der öffentlich-rechtliche Vertrag mit dem Bezirk die mietrechtlichen Anforderungen einer geplanten Modernisierung gegenüber den Mieter/innen. Die Mieterberatungsgesellschaft wird als Dienstleister für den Abschluss von Modernisierungsvereinbarungen angesehen.

Für Eigentümer, die nur "einfache" Modernisierungen (erstmaliger Badeinbau, Heizungseinbau, Verstärkung der Elektroleitungen und Sanierung der Sanitärstränge) planen - die also auf Luxusausbauten und Grundrissänderungen verzichten - gilt ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren für so genannte "Teilsanierungen", ganz ohne öffentlich-rechtliche Verträge und Mietbeschränkungen. In diesem ungeschützten Sanierungssegment übersteigen die Mieten in Einzelfällen - z.B. in der Husemannstraße 21 - die festgelegten Schwellenwerte der öffentlich rechtlichen Verträge deutlich.

... und Umzugsberatung

Für investierende Eigentümer ist die Stadterneuerung mittlerweile nicht mehr durch möglichst schnelle Abschreibungen von möglichst hohen Modernisierungskosten attraktiv, sondern sie verdienen an der erfolgreichen Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen und dem anschließenden Verkauf. Das größte Hindernis für diese Strategie stellen selbstbewusste Mieter/innen mit eigenen Interessen dar. Als Gegenleistung für die Verhandlungen der Mieterberatungsgesellschaft, die schließlich die Umwandlung ermöglicht, müssen die Eigentümer zeitlich befristete Mietreduzierungen in einem Teil der Wohnungen hinnehmen - und diesen Preis zahlen sie offensichtlich gern.

Für die Mieterberatungsgesellschaft verengen sich die Vermittlungsspielräume gegenüber den betroffenen Mieter/innen. Konnte früher noch über Ausmaß und Gestaltung der Modernisierungsmaßnahmen verhandelt werden, so stehen die Eigentümer gegenwärtig unter dem Druck, die geplante Ausführung der bereits verkauften Wohnungen umzusetzen. Oftmals sind drastische Grundrissänderungen vorgesehen. Einzelne Mitarbeiter/innen der Mieterberatungsgesellschaft beraten - so die Aussagen von Betroffenen - offensiv auf eine Umsetzung hin.

Eine typische Beratungssituation wird in etwa so beschrieben: Die Mieterberatungsgesellschaft lädt - nachdem die Bewohner/innen über die Modernisierungsabsichten der Eigentümer informiert wurden - zu einer Hausversammlung ein. Dort werden zunächst die groben Verfahrensregeln für Modernisierungen im Sanierungsgebiet vorgestellt. Eine klassische mietrechtliche Beratung zu Modernisierungsankündigungen, Duldungsklagen und Gerichtsverhandlungen bleibt ausgespart. Nach etwa 30 Minuten Einführung kommt meist der Eigentümer oder ein Vertreter hinzu und präsentiert die Umbaupläne. Viele Mieter/innen sehen dann, dass ihre bisherige Wohnung nach dem Umbau gar nicht mehr existieren wird. Da werden Zimmer anderen Wohnungen zugeschlagen, Mehrzimmerwohnungen in großzügige Lofts verwandelt und manche Wohnungen ganz aufgelöst. Die Mieterberatung beruhigt: Natürlich sei auch ein Rückzug ins Haus denkbar, aber eben zu den neu entstehenden Konditionen. Insbesondere wird den Bewohner/innen ein Umzug in bereits (mit öffentlicher Förderung) sanierte Gebäude oder auch in Wohnungen mit Mietobergrenzenbindung als stressfreie Alternative zu den zu erwartenden Preisentwicklungen in ihrer alten Wohnung verkauft. Und auch der Stress eines doppelten Umzugs sei ja kaum zumutbar...

Ob diese Erfahrungen als Ausnahmen einzelner Beratungen oder als Regelfall zu betrachten sind, ist unklar. Die Betroffenenvertretungen aus Prenzlauer Berg jedenfalls warfen der Mieterberatungsgesellschaft in einer Stellungnahme vor, "momentan eher zugunsten der Vermieter zu beraten".

Falscher Rat

Obwohl in der Mieterberatungsgesellschaft ausschließlich Nichtjuristen beraten, werden den Mieter/innen Auskünfte zur Rechtsprechung des Landgerichts Berlin gegeben. Die Rechtsberater der Berliner MieterGemeinschaft kritisieren diese jedoch als "falsche Auskünfte oder für den Mieter ungünstige Interpretationen". Ein Beispiel dafür: die Duldungspflicht bei sozialer Härte. Obwohl Urteile bisher nur zum Heizungseinbau vorliegen, wird das Kriterium der "Ortsüblichkeit" - das den Einwand der sozialen Härte ausschließt - in den Beratungen der Mieterberatungsgesellschaft auf Maßnahmen wie Installation von Warmwasser, Badverfliesung und Verstärkung der Elektroleitungen ausgeweitet. In normalen Rechtsstreitigkeiten wäre dies die Argumentation der Eigentümerseite - in den Sanierungsgebieten wird sie von der Mieterberatung übernommen.

Auch in Bezug auf eine mögliche Kappung der Modernisierungsumlage nach § 5 WiStG (Begrenzung von Mietpreisen, die mehr als 20% über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen) argumentiert die Mieterberatung mit einer Nichtanwendbarkeit - obwohl diese Frage vom BGH ausdrücklich offen gelassen wurde.

In einigen Häusern, die von der Mieterberatung betreut wurden, gingen die Mieter/innen davon aus, dass die sanierungsrechtliche Genehmigung durch die Sanierungsverwaltungsstelle einer Duldungspflicht der Modernisierungsmaßnahme gleichkam und unterschrieben voreilig die Modernisierungsvereinbarungen. Ob es sich dabei um eine gezielte Desinformation oder einfach nur um eine schlechte Beratung handelt, ist letztlich unerheblich. Die Mieter/innen waren trotz (oder muss man sagen: wegen?) des Engagements der Mieterberatung weder umfassend noch grundsätzlich über ihre mietrechtlichen Möglichkeiten informiert.

Wie weiter?

In den Ostberliner Sanierungsgebieten ist die Stadterneuerung bereits weit vorangeschritten - nur noch knapp ein Drittel der Wohnungen sind noch unsaniert. Doch Sozialstudien zeigen, dass sich in diesen Beständen die einkommensschwächeren Haushalte konzentrieren. Viele Haushalte sind bereits mehrmals vor einer Modernisierung in unsanierte Gebäude in ihrer Nachbarschaft geflüchtet. Für einige dieser Haushalte sind auch WBS-Mieten und Fördermieten unbezahlbar - ihr Verbleib im Gebiet wird nur mit einer reduzierten Modernisierung zu realisieren sein. Angesichts der aggressiven Umwandlungsstrategien ist dieses Ziel mit Sozialplänen und Modernisierungsvereinbarungen aber kaum durchsetzbar. Wenn jedoch durch die öffentlich-rechtlichen Instrumente ein Verdrängungsschutz nicht mehr gewährleistet werden kann, sollte allen Mieter/innen in den Sanierungsgebieten eine weitergehende, qualifizierte und offensive zivilrechtliche Beratung angeboten werden. Denn Erfahrungen aus den Beratungsstellen der Berliner MieterGemeinschaft zeigen, dass sich eine gerichtliche Auseinandersetzung für die betroffenen Mieter/innen sehr wohl lohnen kann.

Härteklausel bei Modernisierung

Grundsätzlich müssen Mieter/innen Modernisierungen dulden. Wenn jedoch die geplante Maßnahme für sie selbst oder ihre Familien- oder Haushaltsangehörigen eine Härte bedeutet, die auch "unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters und der anderen Mieter im Gebäude nicht zu rechtfertigen ist" (§ 554 Abs. 2 BGB), können Mieter/innen die Modernisierung ablehnen. In diesem Fall muss dann der Vermieter die Mieter/innen auf Duldung verklagen und das Gericht muss prüfen, ob ein Härtefall vorliegt oder ob die Maßnahme unter Abwägung aller Umstände geduldet werden muss.

Eine Härte kann bei folgenden Bedingungen vorliegen:

Sonstige Bedingungen für eine Härte können sein: hohes Alter, Gebrechen, Krankheit, Behinderung, Schwangerschaft, bevorstehende Prüfung (bei den beiden letzteren ist die Härte zeitlich eingeschränkt). Weitere Informationen finden Sie auch in unserer Infoschrift Modernisierung.

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