MieterEcho 316/Juni 2006: Teures Wasser

MieterEcho

MieterEcho 316/Juni 2006

 BETRIEBSKOSTEN

Teures Wasser

Die Zukunft der teilprivatisierten Berliner Wasserbetriebe bestimmt auch die Zukunft der öffentlichen und privaten Haushaltskassen mit

Christian Linde

"Das Berliner Leitungswasser ist Spitze und zur Nahrungszubereitung und zum Trinken bestens geeignet", jubelte Ulrich Brinsa, verbraucherschutzpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, anlässlich eines groß angelegten bundesweiten Städtevergleichs, bei dem die Qualität des Berliner Trinkwassers mit der Note "Zwei plus" abgeschnitten hatte. Allerdings sollten private Haushalte mit dem kostbaren Nass sparsam umgehen. Denn Berlin ist in Sachen Wasser noch in einer weiteren Disziplin Spitze: Allein seit 2004 haben die Berliner Wasserbetriebe den Tarif um mehr als 20% erhöht.

Im Preis nimmt die Hauptstadt damit bundesweit den ersten Platz ein. Während ein Zwei-Personen-Haushalt in München mit einem Verbrauch von 100 Kubikmetern im Jahr etwa 289 Euro für Wasser und Abwasser bezahlt, muss ein entsprechender Berliner Haushalt dafür 488 Euro aufbringen. Begründet wird der kontinuierliche Preisanstieg allerdings nicht durch erhöhten Konsum, sondern mit dem "Rückgang des Wasserverbrauchs" und der daraus resultierenden Zunahme bei den "Wartungskosten". Dieser Anteil mache allein mehr als 80% der jährlichen Gesamtkosten aus, so die Wasserbetriebe.

Gewinne der Wasserbetriebe sprudeln

Dabei schreibt das Unternehmen tiefschwarze Zahlen. Bei der Bilanzpressekonferenz für das Geschäftsjahr 2005 konnten die Wasserbetriebe eine Umsatzsteigerung von 1,057 Milliarden Euro im Jahr 2004 auf 1,104 Milliarden Euro im Jahr 2005 verkünden. Der Jahresüberschuss konnte auf knapp 85 Millionen Euro gegenüber 62 Millionen Euro im Jahr zuvor gesteigert werden. Gleichzeitig wurde die Zahl der Beschäftigten von 5210 auf 5096 reduziert. Bereits im vergangenen Jahr konnte eine "Kostensenkung in allen Bereichen des Unternehmens" vermeldet werden. "Mit strategischen Investitionsplanungen, mit Effizienzsteigerungsprojekten in allen Bereichen und durch den Beitritt zum Tarifvertrag der Versorgungswirtschaft wird eine stringente Kostensenkungspolitik umgesetzt. In den kommenden fünf Jahren werden rund 60 Millionen Euro durch die Umsetzung bereits eingeleiteter Optimierungsprogramme gespart, nachdem seit 2000 die vom Unternehmen beeinflussbaren Kosten bereits um 30% reduziert werden konnten. Um weitere rund 60 Millionen Euro werden in dieser Zeit die Personalkosten durch den neuen Tarifvertrag sinken, der zugleich moderner und flexibler handhabbar ist", heißt es in einer Verlautbarung der Unternehmensleitung vom Mai 2005. Trotz der "positiven" Zahlen haben die Wasserbetriebe am 10.05.2006 eine erneute Preiserhöhung für Januar 2007 um mindestens 2,5% angekündigt.

Preise bleiben Betriebsgeheimnis

Um die jetzt schon hohen Wassergebühren auf den Prüfstand zu stellen und Transparenz bei der Tarifkalkulation zu erzwingen, ist der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) Anfang des Jahres vor den Kadi gezogen. Sein Ziel war die Feststellung, ob in den Wassergebühren unzulässige Kosten eingerechnet sind und den Verbraucher/innen aufgebürdet werden. Obwohl es sich bei den Wasserbetrieben um eine Anstalt öffentlichen Rechts handelt, die gleichzeitig eine Monopolstellung innehat und nach dem Informationsfreiheitsgesetz ihre Akten öffnen müsste, blieb der Vorstoß des BBU ohne Erfolg (Forderungen des BBU finden Sie auf S. 6 u. 7, die Red.). Das Verwaltungsgericht begründete die Abweisung der Klage damit, dass das mehrheitlich landeseigene Unternehmen bei einer Offenlegung seiner Kalkulation durch die Wettbewerbssituation mit Wasseranbietern im benachbarten Brandenburg unzumutbare Nachteile hinnehmen müsste. Zwar sind Anstalten öffentlichen Rechts prinzipiell dem Informationsfreiheitsgesetz unterworfen, allerdings sieht hier § 7 vor, dass Einsicht in Unterlagen, die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalten, grundsätzlich nicht zu gewähren ist, es sei denn das Informationsinteresse überwiegt "das schutzwürdige Interesse" der Betroffenen an der Geheimhaltung. Immerhin hat die Kammer "wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falls" eine Berufung zugelassen.

Systemwechsel zugunsten der Wirtschaft

So offen die zweitinstanzliche Entscheidung vor dem Oberverwaltungsgericht ist, so handfest ist innerhalb der rot-roten Koalition die Uneinigkeit über die Beschlussfassung des neuen Betriebegesetzes. Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei.PDS) will den Wasserbetrieben offenbar zu noch höheren Gewinnen verhelfen und zwar durch die Einführung eines neuen Tarifsystems. Nach dem Vorbild der Telekommunikationsunternehmen soll der Kunde zukünftig einen Grund- und einen Verbrauchspreis bezahlen. Damit übt Wolf den Schulterschluss mit den Unternehmensverbänden und der Industrie- und Handelskammer, die vehement einen Wechsel in der Wassertarifpolitik fordern. Die Wirtschaft spekuliert dabei als Großkunde auf üppige Mengenrabatte. Dagegen müssen private Haushalte als "Kleinabnehmer" über den Grundpreis mit einer erheblichen Kostensteigerung rechnen. Das Verfahren zur zukünftigen Gebührenerhebung und die Frage der paritätischen Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten sind zwischen SPD und Linkspartei.PDS ebenso strittig, wie die Finanzkontrolle durch den Landesrechnungshof und vor allem die gesetzliche Garantie für eine "angemessene Rendite". Die beabsichtigte Verabschiedung des Gesetzespakets, das der Stadtreinigung sowie den Verkehrs- und Wasserbetrieben einen neuen Rahmen geben soll, hat die Koalition deshalb auf der letzten Sitzung des Wirtschaftsausschusses am 15.05.2006 kurzerhand von der Tagesordnung gestrichen. (Zum Redaktionsschluss war das Betriebegesetz noch nicht verabschiedet, die Red.)

Katastrophe der Privatisierung

Eigentlicher Hintergrund der Auseinandersetzung sind die Folgen der Teilprivatisierung des Wasserversorgers (das MieterEcho berichtete mehrfach). Ende 1999 waren auf Betreiben der Finanzsenatorin der großen Koalition, Annette Fugmann-Heesing (SPD), 49,9% der Anteile des kommunalen Unternehmens für 1,68 Milliarden Euro an die privaten Investoren RWE und Veolia verkauft worden. Mit Verweis auf die jährliche Gewinnabführung an das Land verteidigt auch Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) die Entscheidung für die Teilprivatisierung. Nach Angaben der Senatsfinanzverwaltung fließen im kommenden Jahr rund 47 Millionen Euro in den Haushalt. Im darauf folgenden Jahr sollen es 69 Millionen Euro sein. Aber zu welchem Preis?

Preissteigerungen wirken sich auf Betriebskosten der Mieter/innen aus

"Die Aufnahme eines Kredits in Höhe des Kaufpreises hätte das Land Berlin über eine Milliarde Euro weniger gekostet als der Verkauf der Wasserbetriebe", sagt Gerlinde Schermer, langjähriges Mitglied des Abgeordnetenhauses. Die Sprecherin des SPD-Donnerstagskreises wirft dem Senat eine völlig verfehlte Wasserpolitik vor und fordert den Rückkauf der veräußerten Anteile des Unternehmens. Schermer prognostiziert als Konsequenz aus dem Vertragswerk zwischen dem Land Berlin und den Investoren katastrophale Folgen für die privaten und öffentlichen Haushalte. So wurden insbesondere mit der Novellierung des Teilprivatisierungsgesetzes durch die rot-rote Koalition im Dezember 2003 die Möglichkeiten für die Anteilseigner RWE und Veolia, Gewinne auf Kosten der Steuerzahler zu machen, sogar noch erheblich erweitert. Den beiden Großkonzernen wurde eine jährliche Rendite von 8% für eine Laufzeit von 28 Jahren garantiert. Und zwar unabhängig von der tatsächlichen Einnahmesituation der Wasserbetriebe. Dabei wird die Rendite nicht auf den Kaufpreis von 1,68 Milliarden Euro, sondern auf das "betriebsnotwendige Kapital" berechnet. Und dieses wächst etwa durch Neubewertungen der Grundstücke und Immobilien an. Allein für die kommenden drei Jahre sei für den bis zum Jahr 2027 gültigen Vertrag von einer stufenweisen Erhöhung des betriebsnotwendigen Kapitals von 3,7 Milliarden Euro (2006), 3,9 Milliarden Euro (2007), 4,0 Milliarden Euro (2008) auf 4,1 Milliarden Euro (2009) auszugehen. "Da die den Privaten versprochenen Gewinne politisch nicht durchsetzbar sind, wird das Land trotz erheblicher Preissteigerungen keine Gewinne erzielen, weil es zu deren Gunsten auf seinen Teil des Gewinns verzichtet", sagt Schermer. Allein im Jahr 2004 habe das Land durch die so genannte "disproportionale Gewinnverteilung" bereits auf 41,2 Millionen Euro verzichtet. "Im Jahr 2005 waren es 36,7 Millionen Euro, 2006 werden es 25 Millionen Euro und 2007 rund 17,1 Millionen Euro sein", rechnet Schermer vor. Das weitere Szenario sei damit vorgezeichnet: Steigende Preise für die Kund/innen, Einnahmeverzicht für den Landeshaushalt und Gewinnabführung an die Anteilseigner. "Damit setzt der Senat als die direkte Folge der Privatisierung eine Preissteigerung um, die sich bei den Mieter/innen in steigenden Betriebskosten niederschlägt und die der Senat beim Wohngeld selbst bezahlen muss, aber auf der Einnahmeseite nicht verbuchen kann", kritisiert Gerlinde Schermer. Die Wasserkunden müssten aufgrund der Teilprivatisierung allein bis 2009 eine Gebührensumme von rund 420 Millionen Euro zusätzlich bezahlen. Gleichzeitig haben die privaten "Partner" der öffentlichen Hand die Ausgaben für die Instandhaltung der Wasseranlagen halbiert, Mitarbeiter entlassen und ziehen sich - entgegen aller Ankündigungen - aus dem internationalen Wassergeschäft zurück.

Alternative zur Privatisierungspolitik

Der Donnerstagskreis fordert deshalb einen Ausstieg aus dem Vertrag. Denn bei einem weiteren Vollzug würde - ungeachtet zusätzlicher Gewinne etwa aus der "Effizienzsteigerung" - nach Berechnungen der Finanzverwaltung bis zum Ende der Laufzeit des Vertrags für die Zahlung der Zinsen ein Barwert in Höhe von insgesamt 3,25 Milliarden Euro anfallen. Gleichzeitig verbliebe das Eigentum auch nach dem vereinbarten Vertragsende auch weiterhin zu 49,9% bei den Privaten. "Dieser Anteil müsste dann auf der Basis einer Neubewertung des Betriebs, voraussichtlich nach Wiederbeschaffungszeitwerten und Ertragserwartungen, also um einen sehr viel höheren Preis als zum Zeitpunkt des Verkaufs, zurückgekauft werden", warnt Gerlinde Schermer.

Alternative: Rückkauf

Dagegen würde eine Kündigung des Vertrags selbst nach Berechnungen der Sarrazin-Behörde dem Berliner Steuerzahler Kosten von mindestens 1,2 Milliarden Euro ersparen. Um einen Rückkaufpreis in Höhe von etwa 2 Milliarden Euro zu finanzieren, müsste das Land auf der Basis eines durchschnittlichen Zinssatzes von 4,5% und 2% Tilgung bei einer Laufzeit von 20 Jahren jährlich 130 Millionen Euro für Zinsen und Tilgung ausgeben. Der gesamte Barwert dieser Zahlungen würde demnach 2,3 Milliarden Euro betragen. Ob die privaten Miteigentümer RWE und Veolia einer Auflösung des von ihnen geschätzten Rundum-Sorglos-Vertrags zustimmen würden, muss allerdings bezweifelt werden. Immerhin ist das Gesetzeswerk, das vom Abgeordnetenhaus beschlossen wurde, mit all seinen Vorzügen für die privaten Miteigentümer der Wasserbetriebe, nach Aussage von Gerlinde Schermer in der Anwaltskanzlei von RWE und Veolia mühevoll entwickelt worden.

Preise für Trink- und Abwasser in Berlin in Euro pro Kubikmeter
  2003 2004 2005 2006
Trinkwasser inkl. MwSt. 1,887 2,109 2,214 2,309
Schmutzwasser 1,959 2,329 2,452 2,465
zusammen 3,846 4,438 4,666 4,774

Quelle: Berliner Wasserbetriebe

Zurück zum Inhalt MieterEcho Nr. 316