MieterEcho 314/Februar 2006: Vom Finanzinstrument zum Privatisierungsmotor

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MieterEcho 314/Februar 2006

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Vom Finanzinstrument zum Privatisierungsmotor

Die Einführung der Reits zieht neue Investorengruppen an

Andrej Holm

Bereits von der rot-grünen Bundesregierung auf den Weg gebracht, wird nun die große Koalition die so genannten Reits - eine börsennotierte Anlageform für Immobilienfonds - 2006 einführen. Hinter der Abkürzung verbirgt sich nicht nur das englische Wortungetüm Real Estate Investment Trust (Immobilienanlagefonds), sondern ein neuer Stern am Investorenhimmel. Insbesondere für die erfolgreiche Verwertung von privatisierten Wohnungsbeständen bieten die Reits neue Gewinnmöglichkeiten.

Seit einigen Jahren verzeichnen Immobilienfonds in der BRD einen deutlichen Zuwachs. Seit dem Zusammenbruch der New Economy sind deutsche und internationale Investoren auf der Suche nach geeigneten Geldanlagemöglichkeiten. So hat sich der Umfang der Immobilienfonds in der BRD in den vergangenen Jahren auf etwa 250 Milliarden Euro vergrößert. Auch die anhaltenden Privatisierungen von kommunalen, staatlichen und ehemals betriebseigenen Wohnungen sind Ausdruck dieser neuen Verwertungsstrategien. Doch viele Investmentfonds verfolgen eine kurzfristige Anlagestrategie - in nicht einmal zehn Jahren sollen die Immobilien eine saftige Rendite abwerfen. Wie das gehen soll, ist in vielen Fällen unklar, denn Leerstand, gedämpfte Mieterwartungen und volkswirtschaftliche Stagnation sind keine guten Zeichen für die Anleger. Auch die Hoffnungen auf eine massive Umwandlungswelle von Miet- in Eigentumswohnungen wurden bisher kaum erfüllt. Der Anteil an Mietwohnungen liegt in der BRD nach wie vor deutlich über dem europäischen Durchschnitt.

Mietsteigerungen, Umwandlungen und Weiterverkäufe stellen aus Sicht der Fonds so genannte Exit-Strategien dar, also Wege, wie die oft preisgünstig erworbenen Immobilienbestände gewinnbringend abgestoßen werden können. Wenn jedoch die objektbezogenen Verwertungsstrategien nur geringe Erfolgsaussichten haben, folgt oft der Ruf nach der Börse. Denn eine Immobilienfondsaktie würde die Immobilienwerte verflüssigen und frisches Geld in die Kassen spülen. Nichts anderes sind die so genannten Reits, deren Einführung für dieses Jahr angekündigt ist.

Last Exit: Reits

Ein Reit ist eine Immobilienaktiengesellschaft, deren Anteile auf dem Parkett der Börsianer gehandelt werden kann. Werden Anteile an solchen Reits erworben, verlagert sich das Risiko von den Fonds zu den Aktionären. Im Unterschied zu einem Immobilienfonds, dessen Erfolg sich aus dem Nettoinventarwert ableitet, wird der Kurs der Reits durch Angebot und Nachfrage an der Börse bestimmt. Gewinne können dabei bereits durch die bloße Aussicht einer erfolgreichen Verwertung der Immobilienbestände erzielt werden.

Ihre besondere Attraktivität beziehen die Reits jedoch aus dem Umstand, dass sie sowohl von der Körperschaft- als auch von der Gewerbesteuer befreit sind. Im Gegenzug sind sie verpflichtet, jährlich 90% der Erlöse an die Aktionäre auszuschütten.

Insbesondere für einen grundsätzlich stabilen Immobilienbestand - wie etwa eine ehemalige kommunale Wohnungsbaugesellschaft - wird das wirtschaftliche Risiko für die Anleger als relativ gering eingeschätzt. Dennoch können sie auf vergleichsweise hohe Renditen hoffen. Die Ausschüttungen setzen sich in der Regel aus Vermietungsüberschüssen und aus Verkaufsgewinnen zusammen.

Durch die Einführung der Reits in der BRD, so erwarten es führende Finanzinstitute, soll allein bis 2010 eine Marktkapitalisierung von 130 Milliarden Euro erfolgen. Bei den durchschnittlichen Preisen der Paketverkäufe an internationale Private-Equity-Fonds wie Cerberus, Apellas oder die Deutsche Annington entspricht das einem Wohnungsbestand von etwa 2,5 Millionen Wohnungen. Auch wenn dabei viel Kapital in Gewerbe- und Büroimmobilien fließt, bleibt zu befürchten, dass die Privatisierungsschraube im Wohnungsbereich weiter angezogen wird.

Stefan Kofner, Professor für Immobilienwirtschaft an der Hochschule Zittau/Görlitz glaubt, dass mit den Reits "eine weitere Gruppe von Eigentümern an den Markt treten, bei denen man Zweifel haben kann, ob sie neben betriebswirtschaftlichen Optimierungszielen auch die volkswirtschaftliche, die soziale, die kommunale und die ökologische Dimension des Wohnens im Blick haben werden" (Wohnungswirtschaft und Mietrecht 11/2005).

Reits sind kein neues Phänomen

In den USA gibt es die Reits bereits seit 1960. In Europa wurden sie als Anlageinstrument zu Beginn der 1990er Jahre in Luxemburg, Belgien und den Niederlanden eingeführt. Seit 2003 gibt es auch in Frankreich börsennotierte Immobiliengesellschaften. Dort haben die Reits bereits ein Anlagevolumen von etwa 19 Milliarden Euro erreicht (Börsenzeitung, 10.06.2006).

Insbesondere in den USA sind die Reits offensichtlich eine beliebte Anlagestrategie. Die in den Reits zusammengefassten Vermögenswerte belaufen sich auf etwa 400 Milliarden US-Dollar - jährlich werden ca. 25 Milliarden US-Dollar an neuen Immobileninvestitionen getätigt. Durch diese enormen Investitionssummen unterscheidet sich die Struktur der Immobilienmärkte in den USA grundlegend von denen in Europa. Während in den USA fast 75% aller Immobilien als Kapitalanlage gehalten werden, sind es im europäischen Durchschnitt nur etwas über 25%. Der restliche Immobilienbestand befindet sich in Eigennutzung oder Direktbewirtschaftung. Aus der Perspektive einer finanzdominierten Wirtschaftsweise, wie sie sich weltweit durchzusetzen scheint, ist der Immobilienbesitz ein Bilanzierungsmanko, da dort enorme Wertvolumen gehalten werden ohne die in der Finanzwelt so wichtige Liquidität zu erhöhen. Durch den Verkauf von Immobilien an börsennotierte Fonds wie die geplanten Reits lässt sich diese Situation auflösen, denn die Vermögenswerte werden dabei in reales Geld umgewandelt, das dann sinnvoll investiert werden kann. Insbesondere im Gewerbebereich - so die Befürworter der Reits - könnten Unternehmen mit dem Geld aus den Immobilienverkäufen die notwendigen Investitionen in ihren unternehmerischen Kernbereichen finanzieren. Wie sich diese Logik auf den Bereich der Wohnimmobilien übertragen lassen soll, ist völlig unklar, da ja die Immobilienbewirtschaftung dort das Kerngeschäft ist. Dennoch haben sich die Reits auch in diesem Bereich längst etabliert.

G-Reits

Zeitgleich mit der geplanten Einführung des G-Reits (German-Reits) in der BRD gibt es auch in Großbritannien die Initiative, den UK-Reit einzuführen. Was in beiden Ländern bisher die Einführung verhinderte, ist vor allem die Befürchtung von Steuereinnahmeverlusten. Insbesondere ausländische Anleger - so die Argumentation - profitieren von den steuerlich günstigen Bedingungen der Reits, ohne ihre Dividende in Deutschland an das Finanzamt abführen zu müssen. Deutsche Anleger hingegen werden zumindest ihre Gewinne versteuern müssen.

In Frankreich gehen den Finanzämtern jährlich zwei Milliarden Euro verloren, weil bei der Einführung der Reits keine Besteuerung der ausländischen Investoren vorgesehen war. In den Diskussionen um den G-Reit werden verschiedene Modelle diskutiert, wie eine solche Besteuerung aussehen kann. Der meist gut informierten Börsenzeitung zufolge will die Bundesregierung "unverzüglich einen Gesetzentwurf" zur Einführung von Reits vorlegen, wenn die Frage der Besteuerung ausländischer Anleger gelöst sei. So zumindest soll es die Finanzstaatssekretärin Barbara Hendricks Anfang Dezember 2005 beim Internationalen Zinsforum laut Redemanuskript angekündigt haben.

Weitere Immobilienkäufe geplant

Die Initiative Finanzstandort Deutschland (IFD) - ein Lobbyist in Sachen Reits - setzt positive Erwartungen dagegen: "Nach IFD-Prognosen würde in den ersten fünf Jahren 8,2 Milliarden Euro zusätzliches Steueraufkommen generiert werden. Weitere 4,4 Milliarden Euro kämen durch indirekte Steuerwirkungen bis 2015 hinzu - etwa durch erhöhte Immobilienrenditen und zusätzliche Arbeitsplätze in den Immobilienbranchen" (Die Welt, 02.05.2005).

Auch ausländische Investoren glauben, dass der G-Reit bald kommen werde und planen weitere Immobilienkäufe. Dabei sollen nicht nur Wohnungsbestände, sondern auch Gewerbeimmobilien im großen Stil aufgekauft werden. Die Investoren spezialisieren sich zunehmend auf verschiedene Marktsegmente. So engagiert sich beispielsweise die britische Immobiliengesellschaft Dawnay insbesondere bei Handelsimmobilien und erwarb im vergangenen August 74 Karstadt-Kaufhäuser. Aktuell möchte sie 35 Praktiker-Baumärkte kaufen. Andere Immobilieninvestoren hingegen setzen auf Bürogebäude. So hat etwa die IXIX Capital 19 Verwaltungsgebäude der Barmer Ersatzkasse gekauft. Dieser Trend zur Spezialisierung entspricht den internationalen Reits, wo sich einzelne Fonds auf verschiedene Marktsegmente konzentrieren, vermutlich vor dem Hintergrund der anzustrebenden Modernisierung des Managements, um durch Rationalisierung höhere Gewinne zu erzielen.

Folgen für die Wohnungsversorgung

Wie andere an kurzfristigen Gewinnen orientierte Verwertungsstrategien auch, sind von den Reits drastische Auswirkungen für die Wohnungsversorgung und die Stadtentwicklung zu erwarten. Der Druck, in möglichst kurzer Zeit aus der Immobilie eine möglichst hohe Rendite zu erwirtschaften, richtet sich letztlich gegen die Mieter/innen der Bestände und gegen die Beschäftigten der Wohnungsverwaltungen. Extragewinne lassen sich vor allem durch Ausschöpfung von Mieterhöhungsmöglichkeiten, durch reduzierte Ausgaben (z. B. für Instandsetzung und Service), eine Verringerung der Verwaltungs- und Personalkosten sowie den Verkauf von Teilen des Bestands erzielen.

Mit der Einführung der Reits muss eine weitere Verstärkung der Privatisierungsaktivitäten erwartet werden. Die neue Exit-Option macht den Erwerb großer Wohnungsbestände attraktiver. Mit der Möglichkeit einer quasi steuerfreien Börsennotierung können die Fonds und Investoren in Zukunft das Risiko auf die Anleger verlagern.

Wohnungspolitisch werden die Reits den Verkaufsdruck auf die öffentlichen Wohnungsunternehmen verstärken, denn mit dem Universalargument der "leeren Haushaltskassen" erscheint die Privatisierung angesichts der bereitstehenden Kaufinteressenten als alternativlos. Erst diese wohnungspolitische Verantwortungslosigkeit verwandelt die Reits von einer börsennotierten Anlageform in ein Instrument der Privatisierung.

Für die betroffenen Bestände zählt - wie bei allen Verkäufen an ausschließlich verwertungsorientierte Investoren - dass die Wohnungen nicht nur der politisch-öffentlichen Steuerung entzogen werden, sondern durch den Verwertungsdruck zu einem Motor der Mietpreissteigerung werden. Mit der geplanten Einführung der Reits ist ein weiteres Auseinanderklaffen von Notwendigkeit und Machbarkeit von Wohnungspolitik zu befürchten.

Reits

IDF: Lobbyist in eigener Sache

Die Initiative Finanzstandort Deutschland (IFD) ist ein 2003 gegründeter Zusammenschluss wichtiger deutscher Finanzakteure. Vom Finanzministerium über die Deutsche Bank bis hin zu Morgan Stanley wird die Initiative von insgesamt 17 Mitgliedern getragen. Ziele der IFD sind die Stärkung des Wachstums, Förderung von Innovation sowie die Mitgestaltung der europäischen Finanzmarktintegration. Dabei will die IFD eine "Marketingrolle" übernehmen und die "deutsche Finanzwirtschaft auf der politischen Ebene in Brüssel und Berlin wie auch in London und Paris mit einheitlicher Stimme" vertreten. In der Selbstdarstellung heißt es: "Marktpraktiker und Fachleute aus allen IFD-Mitgliedshäusern arbeiten über Wettbewerbsgrenzen hinweg an pragmatischen und marktnahen Lösungen." Konkret bestand die Arbeit bezüglich der Reits in einer umfangreichen Lobbyarbeit für deren schnelle Einführung. Eigene Studien und Presseinformationen stellten den befürchteten Steuereinnahmedefiziten Positivszenarien entgegen, die in der Investorenpresse (von der Börsenzeitung über das Handelsblatt bis hin zur Welt) dankbar aufgegriffen wurden. Mehr Informationen: http://www.finanzstandortdeutschland.de

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