MieterEcho 314/Februar 2006: Übernehmen, verwerten, aussteigen

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MieterEcho 314/Februar 2006

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Übernehmen, verwerten, aussteigen

Private-Equity-Fonds und wie sie funktionieren

Chaim Reich

Seit einem Vierteljahrhundert irritieren die Private-Equity-Fonds die Öffentlichkeit. Ihr Entstehen wird in den USA mit der strukturellen Krise der fordistischen Massenproduktion, der strukturellen Schwäche der Unternehmen produktive Investitionen vorzunehmen und der dadurch bedingten Anhäufung von Kapital in Geldform in Zusammenhang gebracht. Kapital will sich verwerten und wenn es keine normale produktive Anlage findet, sucht es sich eigene, mitunter überraschende Auswege.

Kolberg, Kravis und Roberts (KKR), Pioniere der Private-Equity-Branche, zeigten der amerikanischen Öffentlichkeit, was möglich ist. Sie akquirierten Kapital von reichen Universitäten und Privatleuten sowie privaten Pensionsfonds und anderen und übernahmen 1989 den Lebensmittelkonzern Nabisco für insgesamt 31,4 Milliarden US-Dollar. Anschließend skelettierten sie das Unternehmen, warfen mehrere tausend Beschäftigte auf die Straße, verhökerten alles, was nicht niet- und nagelfest war, machten Profit und erhöhten ihre Reputation bei privaten Anlegern ungemein. Diese Methode erhielt den Namen "Bootstrapping", was so viel heißt, wie sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen (hier den, den man selbst hergestellt hat), die Fonds wurden "vulture funds" (Geierfonds) genannt und das Buch über diesen Deal "Barbarians at the Gate" (Barbaren vor dem Tor) von zwei Reportern des "Wall Street Journal" wurde zum Bestseller.

Nach diesem Erfolg verfeinerten sie die Methode, indem sie es üblich werden ließen, nicht nur die Gelder der Fonds einzusetzen, sondern auch Mittel von Banken, die über Kredite an die Private-Equity-Häuser wesentlich höhere Margen erzielen als im klassischen Firmenkreditgeschäft. Dadurch entsteht ein willkommener "Leverage"-Effekt (Hebelwirkung), dessen Kosten die übernommenen Unternehmen belasten. Die fühlen sich nicht ganz zu Unrecht "ausgesaugt". KKR und ihre Kollegen aber profitieren zumeist glänzend. Macht das übernommene Unternehmen nämlich höhere Gewinne als sie an Zins- und Tilgungslasten zahlen müssen, finanziert sich die Übernahme praktisch von selbst.

Wer so gute Geschäfte macht, regt zur Nachahmung an. Inzwischen hat sich die Branche kontinuierlich entwickelt. Es wird geschätzt, dass im vergangenen Jahr weltweit 200 Milliarden US-Dollar eingeworben wurden, was mit den Fremdmitteln ein Investitionsvolumen von ca. 600 Milliarden US-Dollar ergibt. Dies ist gewiss eine gewaltige Summe, sie relativiert sich aber, wenn man bedenkt, dass allein Wal-Mart, das umsatzstärkste Unternehmen der Welt, 285 Milliarden US-Dollar Umsatz macht.

Wenn auch die Geierfonds bei weitem nicht die beherrschende Erscheinung des aktuellen, globalen Kapitalismus darstellen, in einem Bereich dominieren sie das Geschehen fast vollständig. Als Käufer für die von den Kommunen in Deutschland angebotenen Wohnungsbeständen treten ausschließlich Private-Equity-Unternehmen auf.

Wie funktioniert ein Private-Equity-Fonds?

"Equity" ist die englische Bezeichnung für Kapital, Anlagevermögen usw. und "Private" bezeichnet den Gegensatz zu "Public", womit öffentlich, im Sinne von an der Börse akquiriert gemeint ist.

Das nichtöffentlich (also nicht an der Börse) eingeworbene Kapital, stammt, wie oben bereits angedeutet, zu einem großen Teil von privaten Pensionsfonds. Daneben werden häufig private Universitäten als Anleger genannt. Gelder können aber auch von Banken und öffentlichen Institutionen zur Verfügung gestellt werden. Ist die geplante Geldmenge vorhanden, werden die Fonds geschlossen und auch das unterscheidet sie von an der Börse gehandelten offenen Investmentfonds.

Zweck der Fonds, ihre Laufzeit und die Rückzahlungs- und Honorarkonditionen für die auflegenden Unternehmen sind ebenfalls "private", d.h. nicht öffentlich. Stets aber haben die Fonds eine festgelegte Laufzeit, die mit dem Einstieg - das ist in der Regel die Übernahme eines Unternehmens - beginnt und die mit dem Ausstieg, dem "Exit", der die Rückzahlung der Investitionen regelt, endet.

Start und Laufzeit des Fonds

Vor einigen Jahren, zu Zeiten des so genannten New-Economy-Booms, waren die als Venture-Capital (Risiko-Kapital) bezeichneten Fonds sehr erfolgreich. Sie sammelten Kapital für die Übernahme von Unternehmen, die sich in der Gründung befanden, spielen aber inzwischen nur noch eine untergeordnete Rolle.

Die Übernahme und Verwertung eines bestehenden Unternehmens ist der häufigste Zweck der aktuellen Private-Equity-Fonds. Die Übernahme wird, als Buyout (Auskauf) bezeichnet. Geschieht sie im Einverständnis mit Management und Eigentümer, handelt es sich um ein MBO, ein Management Buyout. Diese Form der Übernahme wurde bei dem GSW-Handel schulmäßig durch das Konsortium Cerberus/ Whitehall durchgeführt.

Üblicherweise hält ein Private-Equity-Fonds eine Beteiligung nur für wenige (in der Regel zwei bis fünf) Jahre. Cerberus will die GSW gründlicher ausschlachten und kalkuliert dafür zehn Jahre ein.

Die Verwertung des Unternehmens während der Laufzeit

Innerhalb der festgelegten Laufzeit muss das Unternehmen nicht nur verwertet, sondern auch auf den Exit vorbereitet werden. Dabei spielen die konkreten Gegebenheiten eine entscheidende Rolle. Die Fondsmanager - jedenfalls die angloamerikanischen - sind Absolventen von Eliteuniversitäten und verfügen über eine hohe betriebswirtschaftliche Kompetenz. So können sie Verwertungsstrategien nicht nur entwerfen, sondern auch umsetzen. Grundsätzlich gibt es aber dafür nur eine begrenzte Anzahl von Instrumenten.

Buy and Sell: Anlagevermögen wird verkauft, um die liquiden Mittel (den Cashflow) zu erhöhen. Solche Mittel lassen sich abschöpfen und fließen dem Fonds als anfängliche Gewinne zu.

Mit dieser Absicht hatte Cerberus die architektonisch vielgerühmte GSW-Zentrale, die für 180 Millionen DM erbaut worden war, für 60 Millionen Euro verkauft und anschließend zulasten der GSW vom Erwerber zurückgemietet. Buy and Sell ist für Cerberus die fundamentale Strategie, denn letztlich sollen so viele Mietwohnungen wie nur möglich in Eigentumswohnungen umgewandelt und verkauft werden.

Buy and Hold: Das Unternehmen wird gehalten und profitabler gemacht.

Das kann bei der GSW durch Ausschöpfen der Mieterhöhungspotenziale wie durch Einsparung von Arbeitsplätzen geschehen.

Buy and Build: Für die Strategie der Verwertung kann es durchaus sinnvoll sein, durch weitere Käufe, dem Unternehmen eine andere Struktur zu geben.

Auch Cerberus hat bisher nicht nur GSW-Bestände gekauft, sondern weitere Wohnanlagen hinzugekauft. Allerdings hat sich die Gesamtzahl der GSW-eigenen Wohnungen seither von ca. 65.000 auf ca. 62.000 verringert. Die GSW verwaltet die verkauften Wohnungen weiter. Zur Verwertungsstrategie gehört die Umwandlung der GSW: Von einem klassischen Wohnungsbauunternehmen, das Wohnungsbestände bewirtschaftet, entwickelt und auch neu errichtet, wird sie umgebaut zu einem überdimensionierten reinen Verwalter, der dem jeweiligen Finanzinvestor lediglich das technische Know-how für die Verwertung liefert.

Secondary Buyouts: Secondary Buyouts, also die Weiterverkäufe von Beteiligungen an andere Finanzinvestoren, die regelmäßig ebenfalls Private-Equity-Fonds sein dürften, werden immer häufiger.

So hatte Cerberus z. B. bereits im Oktober 2004 ca. 1600 Wohnungen der Siedlung am Grazer Damm an das Finanzunternehmen Vivacon weiterverkauft (das MieterEcho berichtete mehrfach). Damit sich die Zweitkäufer in der Verwertungskette profitabel einbauen können, müssen bestimmte Vorteile weitergegeben werden. Dabei ist sogar ein temporärer Verzicht auf Mieterhöhungen vorstellbar. Vivacon erhielt die Wohnungen vergleichsweise preiswert und konnte sie an eigens gegründete Fonds, die die Umwandlung der Wohnungen zum Zweck haben, übertragen.

Einen der Fonds mit ca. 880 Wohnungen übernahm die österreichische Firma Conwert, den anderen behielt Vivacon zunächst, soll ihn aber inzwischen an einen englischen Finanzinvestor weiterverkauft haben. Gleichzeitig veranlasste Vivacon mietpreissteigernde Modernisierungen im Conwert-Bestand. Die Durchführung übernahm die GSW, die auch weiterhin die gesamten Bestände verwaltet.

Exit - der Ausstieg aus dem Geschäft

Secondary Buyout: Der Weiterverkauf des ganzen Unternehmens - oder was davon übrig geblieben ist - an einen nachfolgenden Finanzinvestor ist als Secondary Buyout zugleich auch ein Exit, ein Ausstieg aus dem Geschäft.

Trade Sales: Als Exit-Strategie werden Trade Sales immer seltener. Ein Trade Sale ist sozusagen der "klassische" Verkauf an einen strategischen Investor, der die Bestände in das eigene Unternehmen integriert.

IPO: Ein immer häufiger anzutreffendes Exit-Instrument ist das IPO (Initial Public Offering), das darin besteht, das verwertete Unternehmen erstmals an die Börse zu bringen. Solche IPO sind besonders in England und den USA üblich. Die deutsche Bank beklagt, dass es noch keinen einheitlichen europäischen Markt gebe und die nationalen Regelungen zu unterschiedlich seien. Doch bei dem Liberalisierungsdrang Brüssels wird sich das bestimmt in Zukunft ändern.

Reits: Für den Ausstieg aus den Wohnungsbauunternehmen wird jedenfalls sehr bald auch in der Bundesrepublik Deutschland mit den Reits ein wichtiges Exit-Instrument zur Verfügung gestellt werden. Das bereits schon jetzt angeheizte Geschäft wird sich dann sicherlich noch weiter beleben. Es ist zu hoffen, dass es kollabiert.

1934 wurden acht städtische Wohnungsbaugesellschaften zur GSW zusammengeschlossen. Sie war ein wichtiger Bestandteil des Sozialen Wohnungsbaus, wie er sich in der BRD herausgebildet hatte. Trotz aller Widersprüchlichkeit blieb, wenn auch mit wechselnder Intensität verwirklicht, die Versorgung mit preiswertem Wohnraum als Grundorientierung der GSW erhalten.

Wohnungsbau wird mittlerweile nicht mehr öffentlich gefördert. Einzig die derzeit bestehenden kommunalen Bestände könnten noch mietpreisdämpfend eingesetzt werden und somit benachteiligten Haushalten Wohnraum bieten. Die GSW ist durch den Verkauf aus diesem Potenzial nicht nur ausgegliedert, sondern durch Cerberus einer Verwertungsstrategie ausgesetzt, die sie zum Motor für die Verteuerung des Wohnens macht.

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