MieterEcho 313/Dezember 2005: Verkauf öffentlicher Dienstleistungen

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Verkauf öffentlicher Dienstleistungen

Seit 2004 boomen die Public Private Partnerships

Jutta Blume

Ihre Befürworter sehen in ihr eine "Win-Win Situation", viele andere schätzen sie als sehr kritisch ein, die Privatisierung in Form von Public Private Partnership (PPP). Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) will in einer jüngst erschienenen Studie einen verstärkten Trend zu dieser Privatisierungsform festgestellt haben. Auch eine Veranstaltung des Stadtforums Berlin stand unter der Überschrift "Regulieren? Deregulieren? Reregulieren? Öffentliche Aufgaben und Privatisierung".

Ausgerechnet in den Räumen der Berliner Wasserwerke traf sich das Stadtforum Berlin Anfang September, um über Privatisierungen in der Stadt zu diskutieren. Das Stadtforum Berlin ist eine in unregelmäßigen Abständen stattfindende öffentliche Diskussionsveranstaltung, zu der die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung verschiedene Experten einlädt. Wenig Konkretes wollten die Beteiligten zum Thema Privatisierung von sich geben, weder Caroline von Kretschmann, Unternehmensberaterin der Firma Metropolitan Consulting Group, welche in Berlin die BVG und die BSR berät, noch die Senatorin für Stadtentwicklung, Ingeborg Junge-Reyer. Auch der eigens aus England, dem Musterland der Privatisierungen, eingeflogene Referent John Biggs hatte wenige Beispiele im Gepäck. Gibt es in Berlin zum Thema Privatisierung nichts zu erzählen? Oder fürchtete man die Kritik des Publikums, das Grundversorgung und öffentliche Kontrolle von privatisierten Betrieben zu Recht gefährdet sah? Wer in Berlin das Wort Privatisierung in den Mund nimmt, weckt die Assoziation von überhöhten Wasserpreisen. Das Schlagwort der Stunde heißt Öffentlich Private Partnerschaft oder Public Private Partnership. Ein Begriff, der viel verspricht und nichts definiert. Insgesamt gelten als PPP verschiedene Formen privater Kapitalbeteiligung an der Planung, Finanzierung und dem Betrieb von Infrastrukturen und Leistungen des öffentlichen Sektors. PPP-Verträge zeichnen sich in der Regel durch Laufzeiten von mindestens 15 Jahren und durch komplizierte Vertragswerke aus.

Junge-Reyer kündigte beim Stadtforum Debatten um PPP-Vorhaben im Bereich von sozialen und technischen Infrastrukturen an. Der Staat müsse bei Privatisierungen Aufgaben definieren und Regeln festschreiben, um eine Kontrolle zu gewährleisten. Sieht man sich bereits abgeschlossene PPP-Vertragswerke an - was der Öffentlichkeit nicht möglich ist, denn sie werden geheimgehalten - wird allerdings klar, dass sie sich schon durch ihre Länge und Unverständlichkeit jeglicher Kontrolle entziehen. Und welcher Abgeordnete wird schon ein tausendseitiges, von Beraterfirmen ausgearbeitetes Vertragswerk durchlesen?

ÖPP-Beschleunigungsgesetz in Kraft

Es gibt nicht nur einen Trend zur PPP, wie das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) jüngst feststellte, die neue Form der Beteiligung Privater wurde massiv von der Bundesregierung forciert. Im Jahr 2004 wurde im Bundesbauministerium eigens eine PPP Task Force eingerichtet, auch einige Bundesländer fördern das PPP über spezielle Stellen. Die PPP Task Force hat die Aufgabe, Pilotprojekte zu beraten. Im September trat schließlich das "Gesetz zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlich Privaten Partnerschaften und zur Verbesserung gesetzlicher Rahmenbedingungen für Öffentlich Private Partnerschaften" in Kraft. Eigentlich handelt es sich dabei um ein Paket von Gesetzesänderungen, die das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die Vergabeordnung, das Fernstraßenprivatfinanzierungsgesetz und die Bundeshaushaltsordnung betreffen. Im Grunderwerbssteuergesetz und im Grundsteuergesetz wurden steuerliche Ausnahmetatbestände für private Investoren verankert. Dem Verband der Deutschen Industrie reicht das alles noch nicht aus: "Uns fehlt eine nationale Strategie, mit der wir Vorfahrt für die Privatisierung oder Teilprivatisierung öffentlicher Leistungen schaffen", heißt es in deren Pressemitteilung.

Das Difu zählt in seinem Gutachten für die PPP Task Force bundesweit 160 laufende PPP-Projekte mit jeweiligen Investitionssummen zwischen 13 und 16 Millionen Euro. Ort und Gegenstand der Projekte nennt das Gutachten nicht. An die interessierte Öffentlichkeit dringt nicht mehr, als dass PPP im Trend liege und die Erfahrungen im Allgemeinen gut seien. Würde man die Projekte benennen, so eine Mitarbeiterin der PPP Task Force, würden sich diese vor Anrufen der Beraterfirmen kaum noch retten können.

Der Effizienz-Mythos

Wie bei jeglicher Privatisierung steht auch hinter dem PPP der Mythos, dass private Firmen effizienter arbeiten würden als die öffentliche Hand. Nach Angaben des Difu erwarten die Öffentlichen von den Privaten eine höhere Effizienz und eine schnellere Abwicklung. Hingegen sprächen wenige Indizien dafür, dass PPP als Investment dienen sollte, um die zunehmenden Finanzierungsengpässe der öffentlichen Hand zu bewältigen. Genau dies ist jedoch zu bezweifeln. Denn bei der Partnerschaft zwischen öffentlicher Hand und privaten Investoren handelt es sich eigentlich um einen Buchführungstrick. In den knappen Kassen vieler Kommunen finden sich keine Mittel, um größere Investitionen, wie die Sanierung oder den Neubau eines Gebäudes zu tätigen. Beim PPP werden die Kosten über den laufenden Haushalt abgewickelt. Der Auftrag für Bau oder Sanierung wird gleich zusammen mit dem späteren Betrieb, einschließlich Hausmeisterdiensten und Gebäudereinigung an Private vergeben. Gerade beim Betrieb zeigen sich auf diese Weise Einsparungsmöglichkeiten, die nur auf Kosten des Personals gehen können, das in diesem Modell erwartungsgemäß unterbezahlt ist. Manuela Rottmann vom Difu vermutet, dass vor allem im Hochbau die privaten Bauunternehmen Größenvorteile hätten, z. B. durch die damit verbundene günstigere Einkaufssituation und die bessere Einsatzfähigkeit von Personal. Im Klartext: Nur große Baufirmen können sich im PPP-Geschäft behaupten. Doch auch hier fragt sich, ob die Einsparpotenziale sowohl die Gewinnerwartungen der Privaten als auch die Kosten der Beraterfirmen decken können? Was im Fall vertraglich festgelegter Gewinnmargen passiert, lässt sich am Beispiel der Berliner Wasserbetriebe ablesen.

PPP macht Schule

Der wohl bislang größte PPP-Deal ist die Sanierung und Bewirtschaftung aller 90 Schulen im Landkreis Offenbach in Hessen. Im Zeitraum von 15 Jahren verpflichtet sich die Gemeinde, 410 Millionen Euro an die Baufirma Hochtief und 370 Millionen Euro an die Firma SKE für Sanierung und Bewirtschaftung der Schulen zu zahlen. Die Schulen des Landkreises sind unter den beiden Firmen aufgeteilt, die sich im Gegenzug verpflichten, alle Schulen innerhalb von fünf Jahren zu sanieren. Begründet wird das Millionengeschäft damit, dass die öffentliche Hand für die Sanierung sicher fünfmal so lange gebraucht hätte. Im Fall der Offenbacher Schulen ist es kaum vorstellbar, dass die Sanierung durch Hochtief die Kommunen billiger zu stehen kommt, zumal auch der Baukonzern dafür einen Kredit aufnimmt, den die öffentliche Hand zu einem günstigeren Zinssatz bekommen hätte. Der zuständige Landrat behauptet jedoch, 180 Millionen Euro einzusparen. "Ein konkreter Nachweis dafür fehlt bis heute", sagt Manfred Tybusek, GEW-Vorsitzender in Offenbach. Beratend war bei dem millionenschweren PPP-Geschäft die Berliner Firma Stobbe, Sachs, Nyomen GbR tätig.

Eigentlich sollen die Firmen in Offenbach nicht nur die Hausmeister weiterbeschäftigen - hier spart man schon mal die Dienste am Abend ein -, sondern sich auch um Nutzungen der Gebäude durch Dritte bemühen. Momentan gebe es solche Nutzungen aber noch nicht, daher lässt sich auch über die Auswirkungen auf den Schulbetrieb nichts sagen, so Tybusek. Um den Kuchen der Schulsanierung dürften sich auch in Zukunft die Bau- und Betreiberfirmen scharen. Das Difu schätzt, dass ein Drittel des öffentlichen Hochbaubedarfs auf Schulen entfällt. "Zudem werden für die Hausmeister, die bauliche Unterhaltung und die sächlichen Ausgaben der Schulen rund fünf Milliarden Euro jährlich ausgegeben, so dass auch in diesem Bereich ein beträchtliches Einsparpotenzial zu vermuten ist", heißt es in einer Difu-Publikation zum PPP. Woher die Vermutung kommt, dass die Kosten zu hoch angesetzt seien, wird nicht erklärt. Niedrigste Standards und Dumpinglöhne bieten sich als Lösungen an.

Ein Privatknast für Berlin?

In Berlin sind derartige Ausmaße des PPP-Unwesens bislang noch nicht erreicht. Die Senatsverwaltungen erhielten im August den Auftrag, zu prüfen, welche ihrer Vorhaben sich für PPP eignen würden. Doch da in Berlin eine große Zahl von öffentlichen Immobilien leer stehen, sah man in den meisten Bereichen keinen Investitionsbedarf. Nur die Senatsverwaltung für Justiz erneuerte ihren Wunsch nach einer neuen Justizvollzugsanstalt bei Großbeeren. Derzeit wird geprüft, ob diese von einem privaten Betreiber errichtet und vom Land Berlin gemietet werden könnte. Ob dies den späteren Betrieb durch eine private Firma einschließt, ist zurzeit unbekannt. Die Billiglöhne privater Sicherheitsfirmen dürften in Zeiten knapper Kassen verlockend klingen.

Auch ein möglicher Ersatz für das Internationale Congress Centrum könnte in PPP entstehen. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung nennt die Instandhaltung von Schulen als mögliches Einsatzgebiet von Privaten, was allerdings nur bei einem standardisierten Verfahren wirtschaftlich wäre. Bisher seien die Aufträge zu kleinteilig.

Vielleicht ist Berlin schlichtweg zu arm, um den Privatfirmen etwas bieten zu können. Schließlich heißt es auch im Difu-Gutachten: "Oft sind es aber auch fehlende Mittel zur Anschubfinanzierung, die dazu führen, dass PPP nicht zustande kommen."

Nach der katastrophalen Entwicklung der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe bleibt schließlich auch die Hoffnung, dass sich derartiges nicht wiederholt.


"Neben den Einzelinteressen spielt der Glaube an die Effizienz der Privatwirtschaft eine große Rolle. Eine Diskussion darüber, wo die reine betriebswirtschaftliche Effizienz zu gesamtgesellschaftlichen Mehrkosten führt, ist unerwünscht, und demokratische Entscheidungen über Umstrukturierungen nach einer Privatisierung sind kaum noch möglich. Das ist auch erklärtes Ziel vieler PPP-Glorifizierer: Es soll der Königsweg zur Entstaatlichung sein - man könnte auch sagen zur Entdemokratisierung und zur Vorherrschaft von Kapitalgesellschaften.
Wir brauchen das Gegenteil: mehr öffentliche Kontrolle und Partizipation der betroffenen Bürger - diese wissen am besten, wo die Probleme liegen und haben ein Interesse daran, dass öffentliche Gelder nicht verschwendet werden."

Dominik Fette, Frankfurter Rundschau vom 13.05.2005


"Privatisierung ist eine wesentliche Säule der neoliberalen Globalisierungsstrategie, die sich in den letzten beiden Jahrzehnten weltweit weitgehend durchgesetzt hat. Ihr ökonomischer Hintergrund ist die Suche nach profitablen Anlagen für privates Kapital. Sie zielt daher darauf ab, immer größere Bereiche der Gesellschaft für die private Gewinnmaximierung zu öffnen. Hierdurch werden diejenigen, die nicht genügend Geld haben, von wesentlichen öffentlichen Gütern ausgeschlossen.
Das führt zu Entsolidarisierung und sozialer Polarisierung. Soziale Sicherheit, Bildung, Gesundheit, Kultur und andere Bereiche, die für das Funktionieren einer demokratischen und solidarischen Gesellschaft notwendig sind, sollten daher prinzipiell dem privaten Gewinnstreben entzogen und öffentlich organisiert und finanziert werden."

Jörg Huffschmid, taz vom 02.02.2004

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