MieterEcho 308/Februar 2005: GEHAG und die BMG

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MieterEcho 308/Februar 2005

 TITEL

Ein Kreis schließt sich

Die GEHAG und die Berliner MieterGemeinschaft

Paul Böttcher

Die GEHAG GmbH erhöht in der Britzer Hufeisensiedlung den Druck auf die verbleibenden Mieter/innen und versendete im Oktober 2004 ein weiteres Mieterhöhungsverlangen. Eine Mieterversammlung, organisiert von der Genossenschaft Hufeisensiedlung-Britz-Süd i.Gr. in Zusammenarbeit mit der Berliner MieterGemeinschaft, führte zur Geburt einer neuen Beratungsstelle.

Bereits in der Dezemberausgabe 2003 des MieterEchos (Nr. 301) berichteten wir darüber, wie die Privatisierung der Britzer Hufeisensiedlung voranschreitet und die betroffenen Einfamilienhäuser entgegen den anderslautenden Versprechungen des GEHAG-Vorstands im Jahre 2000 auch an Dritte bzw. Investoren verkauft wurden. Die Wohnungsgenossenschaft Hufeisensiedlung-Britz-Süd i.Gr. hat trotz mehrfacher Anfragen bisher weder von Seiten der GEHAG, noch von der Hamburgischen Landesbank als Eigentümerinnen eine Stellungnahme erlangen können. Auch zu der Strategie, Mieter/innen gegeneinander auszuspielen, um die Motivation zum Erwerb der gemieteten Häuser zu erhöhen, haben sich die Beteiligten bisher nicht geäußert.

Mieterhöhung mit Gutachten

Stattdessen fanden die Mieter/innen der Hufeisensiedlung Ende Oktober 2004 ein üppiges Papierkonvolut in ihren Briefkästen vor. Während die Mieterhöhungen aus dem Jahr 2001 noch mit Vergleichsobjekten aus der Siedlung begründet wurden, hat sich die GEHAG nun etwas Neues ausgedacht. Als Begründungsmittel für die aktuelle Kampagne dient diesmal ein ca. 40 Seiten starkes Gutachten, welches alle Beteiligte vor ungewohnte Herausforderungen stellt. Für die beteiligten Juristen eine Herausforderung, weil ein Gutachten zwar als Begründungsmittel im Gesetz verankert ist, jedoch in der täglichen Praxis zumindest in Berlin kaum vorkommt. Für die betroffenen Mieter/innen besteht die Herausforderung im erhöhten wirtschaftlichen Risiko, da ein Gutachten als Begründungsmittel mit hoher Wahrscheinlichkeit nur durch ein weiteres Gutachten entkräftet werden kann, was etwaige Prozesskosten empfindlich in die Höhe treibt.

Während der letzten Kampagne konnten die wirtschaftlichen Folgen von den Betroffenen, die sich zur Wehr setzten, noch gemildert werden, indem Vergleiche in Höhe von zwei Dritteln der verlangten Erhöhung mit einer Verschiebung der Wirksamkeit um drei bis fünf Monate erzielt wurden. Jetzt ist damit zu rechnen, dass durch die Kosten für weitere Gutachten, zumindest für diejenigen, die keine Rechtsschutzversicherung haben, auch ein Teilerfolg zu einem wirtschaftlichen Minus führt.

Vernachlässigte Instandhaltung

Auch auf anderen Ebenen erhöht sich der Druck auf die kaufunwillige Mieterschaft. Nachdem sich die GEHAG in den vergangenen 25 Jahren im Bereich Instandhaltung konstant um notwendige Investitionen gedrückt hat, wälzt sie jetzt diese Verpflichtung auf die ehemaligen Mieter/innen, also auf diejenigen, die ihr Haus käuflich erworben haben, ab. Die Rechte der verbleibenden Mieter/innen werden allerdings weiterhin ignoriert. Mängelbeseitigungen, sofern sie nicht vom so genannten Bremer Modell erfasst sind, werden nach Auskunft einiger betroffener Mieter/innen z.T. erst nach Klageandrohung, bzw. Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens in Angriff genommen. Insbesondere die auf Grund mangelnder Instandhaltungsmaßnahmen undicht gewordenen Dächer stellen zunehmend den Anlass für derartige Konflikte dar.

Auch häufen sich in der Siedlung massiv Nachbarschaftsstreitigkeiten. Die unterschiedliche Interessenlage zwischen frisch gebackenen Eigentümern und Mieter/innen führt zunehmend zu Konflikten, die das bisher solidarische nachbarschaftliche Klima vergiften. In solchen Streitigkeiten ist die Mieterschaft darauf angewiesen, dass die GEHAG ihre Interessen gegenüber den Eigentümern vertritt; vor allem vor dem Hintergrund, dass sowohl die vermieteten als auch die privatisierten Häuser weiterhin von der GEHAG verwaltet werden. Doch berichten betroffene Mieter/innen immer wieder, dass Beschwerden, die das Verhalten von Erwerbern betreffen, von den Sachbearbeitern der GEHAG nicht sonderlich ernst genommen werden. Gleichzeitig haben die Mieter/innen mangels vertraglicher Beziehungen zum Eigentümer als Nachbarn in der Regel kaum eine rechtliche Handhabe, ihre Interessen wirksam zu vertreten und bleiben auch hier oft auf der Strecke. Diese Gesamtsituation führt dazu, dass sich die Mieter/innen zunehmend zwischen der GEHAG und den Interessen der Einzeleigentümer schutzlos und zerrieben fühlen.

Starke soziale und bauliche Veränderungen

Auch baulich verliert das Viertel immer mehr seinen ursprünglichen Charakter. Hier verstärkt sich bei den frisch gebackenen Eigentümern die Haltung, dass man ja schließlich viel Geld für sein Haus bezahlt habe und dementsprechend auch sein Eigentum so gestalten könne, wie man es für richtig hält. Denkmalschutzbestimmungen werden systematisch unterlaufen. So werden beispielsweise Vorgärten versiegelt und zu Autoabstellplätzen umfunktioniert. Alte mehrteilige Holzfenster werden ausgetauscht und durch einteilige Kunststofffenster ersetzt, was jedoch den denkmalschützerischen Vorgaben nicht entspricht. In einem Fall hat ein Eigentümer sogar den Bordstein abgesenkt, um besser auf seinem Grundstück parken zu können. Da die zuständige Untere Denkmalschutzbehörde beim Stadtplanungsamt für den gesamten Bereich Süd-Neukölln nur aus einem Mitarbeiter besteht, welcher überdies nur eine halbe Stelle innehat, ist eine Kontrolle bzw. gar Durchsetzung von Rück- und Umbauten organisatorisch nicht zu bewältigen.

Während vor drei Jahren noch eine Aufnahme der Siedlung als Weltkulturerbe der UNESCO im Gespräch war, ist heute absehbar, dass in den nächsten Jahren nichts mehr übrig bleibt, was einem solchen Anspruch gerecht werden könnte. Der Charakter der Siedlung, wie ihn sich die Architekten Bruno Taut und Martin Wagner vorgestellt haben, fällt damit immer mehr dem kurzfristigen Gewinnstreben der GEHAG und der dahinter stehenden Eigentümer zum Opfer. Somit hat sich leider in vollem Umfang bestätigt, was die Genossenschaftsgründer damals befürchtet hatten: Die Hufeisensiedlung wurde zwar ursprünglich geplant und erbaut, um Arbeitern und kleinen Angestellten zu bezahlbaren Konditionen Mietwohnungen mit eigenem Garten und in nachbarschaftlicher Harmonie zu bieten, aber nun bekommt die Siedlung immer mehr den Charakter eines sozialen und baulichen Flickenteppichs, in dem jeder gegen jeden die Ellenbogen gebraucht, um individuelle Interessen durchzusetzen.

Die vorstehend skizzierten Umstände haben den Leidensdruck auf die verbleibende Mieterschaft der Siedlung derart erhöht, dass sich zu einer von der Berliner MieterGemeinschaft und der Genossenschaft einberufenen Mieterversammlung anlässlich der aktuellen Mieterhöhungskampagne spontan rund 70 betroffene Mieter/innen einfanden, und das obwohl der Termin sehr kurzfristig angesetzt und nur in Form einiger weniger öffentlicher Aushänge bekannt gegeben wurde. Die Stimmung bei dieser Versammlung war dementsprechend von Empörung und Verunsicherung geprägt. Es wurde deutlich, dass sich die Mieter/innen dem Druck der GEHAG und den zunehmenden Konflikten mit den Eigentümern schutzlos ausgeliefert fühlen und deshalb ein starkes Bedürfnis nach Unterstützung und Beratung haben.

Neue Beratungsstelle in Britz

Das spontane Angebot der Vertreter der Berliner MieterGemeinschaft, dieser Situation mit der Einrichtung einer neuen Beratungsstelle in der Hufeisensiedlung zu begegnen, wurde dementsprechend begeistert von den anwesenden Mieter/innen aufgenommen.

Für die Berliner MieterGemeinschaft schließt sich damit nach über 50 Jahren ein Kreis. Wie die Genossenschaft so ist auch die Berliner MieterGemeinschaft 1952 aus einer Initiative von GEHAG-Mieter/innen hervorgegangen.

Die neue Beratungsstelle "Bruno Taut", welche ab dem 24.01.2005 jeden zweiten und vierten Montag im Monat in der Seniorentagesstätte am Hufeisen für Mitglieder offen steht, führt auch die Berliner MieterGemeinschaft wieder zurück zu ihren Wurzeln, der Auseinandersetzung mit der GEHAG als Vermieterin.

Bremer Modell

Bremer Modell wird die Vereinbarung zwischen Vermieter und Wartungsfirmen genannt, die es den Mieter/innen gestattet, bestimmte Instandhaltungs- und Reparaturmaßnahmen direkt bei Firmen zu veranlassen.

Kontakt

www.hufeisensiedlung.de
info@hufeisensiedlung.de
Tel.: 62 73 87 38

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