MieterEcho

MieterEcho 307/Dezember 2004

quadrat Titel

Zermürbungstaktik und drohende Räumungsklagen

Das Hausprojekt Yorckstraße 59 leistet Widerstand

Bewohner/innen der Yorckstraße 59

Seit der Mietvertrag Ende September 2004 für die vier selbst ausgebauten Fabriketagen abgelaufen war, versucht der neue Hausbesitzer der Yorckstraße 59, Marc Walter, die Bewohner/innen und Nutzer/innen durch Schikanen mürbe zu machen und mittels Räumungsklagen vor die Tür zu setzen. Doch wir, die Hausbewohner/innen, lassen uns nicht einschüchtern und kämpfen weiter um den Erhalt des Projekts!

Da der frühere Besitzer pleite gegangen war, geriet die Yorckstraße 59 im Sommer 2003 in Zwangsverwaltung. Als wir davon hörten, planten wir, das Haus mit Hilfe der Genossenschaft Freiburger Mietshäuser Syndikat selbst zu kaufen. Doch die Bank verkaufte das Haus im Dezember 2003 an uns vorbei.

Gewerbliche Räume werden zum Wohnen genutzt

Als wir Ende 1988 den Vertrag abschlossen, sahen wir uns gezwungen, einem Gewerbemietvertrag zuzustimmen, da der hintere Gebäudeteil der Yorck 59 als Gewerbegebäude ausgewiesen war. Beiden Parteien war dabei klar, dass die Mieträume überwiegend zum Wohnen genutzt werden würden. Unter Anwendung des Wohnmietrechts käme somit kein Vertragsende und keine Mieterhöhung infrage, da die Räume eine der jetzigen Miethöhe entsprechende einfache Ausstattung aufweisen. Der neue Besitzer, Herr Marc Walter aus Hamburg, und die neue Hausverwaltung, Boris Gregor Marweld mit der Bau-Partner GmbH, gingen von Anfang an auf Konfrontationskurs: Sie versuchten, uns Teile der Sanierungskosten wegen angeblicher Selbstverschuldung aufzudrücken und zudem verlangte Marc Walter von uns ab September 2004 mit Ablauf des Mietvertrags eine zunächst 100%ige Steigerung der Nettokaltmiete. Dies konnten wir nicht akzeptieren und in einem Schiedsgutachten legte dann die Industrie und Handelskammer Berlin (IHK) für die Yorckstraße 59 eine "marktübliche Gewerbemiete" fest, die eine Mieterhöhung von 55% bedeuten würde. Grundlage für das Gutachten der IHK waren nur mäßig vergleichbare Gewerbeobjekte, in denen jedoch im Unterschied zur Yorckstraße 59 keine Menschen wohnen. Diese exorbitante Erhöhung können und wollen wir nicht bezahlen! Wir sind weder ein Profitunternehmen noch ein Gewerbe, sondern ein einzigartiges Hausprojekt, in dem 60 Menschen wohnen. Eine politische Lösung muss nach wie vor her!

Eine politische Lösung muss her

Auf der Suche nach einer politischen Lösung fand Ende September 2004 ein Gespräch zwischen Hausbesitzer Marc Walter, dem Verwalter Boris Gregor Marweld, den Bewohner/innen, dem Baustadtrat Franz Schulz und der Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg Cornelia Reinauer statt. Die Seite des Hausbesitzers stellte sich stur und verweigerte sich jeglichen angebotenen Lösungsvorschlägen mit dem Hinweis, die Bewohner/innen seien keine ernst zu nehmenden Verhandlungspartner/innen. Die exzessive Mietsteigerung solle von uns bezahlt werden, jedoch werde ein Mietverhältnis mit uns sowieso begrenzt sein. Sowohl die Vermittlungsvorschläge der Bezirksvertreter/innen als auch unser Angebot, das Haus zu kaufen, wurden von ihnen abgelehnt. So endete das Vertragsverhältnis zwischen uns und dem neuen Hausbesitzer am 01.10.2004. Außerdem kündigten Marweld und Walter hartes Durchgreifen mittels Räumungsklagen gegen uns an.

Weiterhin zeigten sie sich entrüstet über die Bekanntmachungen ihres skrupellosen Rauswurfversuchs durch Kundgebungen, Demonstrationen und Infoveranstaltungen unsererseits. Wir hatten Herrn Walter mit einer netten Demonstration in Hamburg besucht und durch eine Kundgebung vor dem von Marweld und Walter kürzlich erworbenen Haus in der Friedrichstraße 129 die Mieter/innen über ihre neuen Vermieter informiert. Auf diese Kundgebung reagierte Gregor Marweld mit einer Infoschrift, in der er uns als "radikale Elemente, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden" titulierte, jedoch keinerlei inhaltliche Argumente nannte.

Die Strategie des Hausbesitzers setzt einerseits auf verschiedene Klagen und andererseits auf Schikanen gegenüber den Hausbewohner/innen. So wurde beispielsweise die Heizung erst nach Beginn der Heizperiode repariert und durch den Einzug der Firma Serabag im Haus soll nun der dritte Hinterhof für uns nicht mehr zugänglich sein. Der Hausverwalter schätzt es auch, provozierend im Haus aufzutreten, wie neulich, als er 20 Räumungsandrohungen in den Treppenhäusern und Durchgängen aufhängte. Offensichtlich vergaß dabei der Verwalter nicht nur, dass seine Plakate keine juristischen Konsequenzen haben, sondern er missachtete auch das von ihm selbst verhängte Verbot, dass im Treppenhaus nicht mehr plakatiert werden dürfe. Der Hausbesitzer strengt weiterhin verschiedene Klagen gegen uns an, beispielsweise auf die Offenlegung der Namen der Vereinsmitglieder. Er war auch derjenige, und nicht die Nachbarschaft, der nach einem im Sommer organisierten Nachbarschaftshoffest wegen Ruhestörung klagte.

Letztendlich sind wir aber nicht nur mit unterschiedlichen Klagen und Schikanen konfrontiert, sondern es geschehen auch mysteriöse Sachbeschädigungen rund um die Yorckstraße 59. So wurden die Telefonkabel unserer Wohngemeinschaften durchgeschnitten (die Leitungen der anderen Mieter/innen wurden nicht beschädigt), die im Hof abgestellten Fahrräder wurden beschädigt, der Briefkasten mutwillig geöffnet sowie demoliert und unser Infobrett heruntergerissen.

Doch wir lassen uns weder durch Klagen noch durch Schikanen einschüchtern oder vertreiben! Wir werden uns weiter zur Wehr setzen und über die Machenschaften unseres und anderer Hausbesitzer informieren. So fand am 22.10.2004 eine Radrallye gegen die Stadtumstrukturierung und Vertreibung von alternativen Projekten statt, im November folgten weitere Kundgebungen und im Dezember wird eine Kunst- und Kultur-Veranstaltungswoche bei uns organisiert. Yorckstraße 59 bleibt!

Kontakt: yorck59bleibt@gmx.net

Mehr Infos unter www.yorck59.net

Hausprojekt Yorck 59

In dem Gewerbegebäude Yorckstraße 59 in Kreuzberg leben seit Ende 1988 60 Menschen, darunter 10 Kinder, zusammen. In dem Hausprojekt befinden sich außerdem eine Veranstaltungsetage und Büroräume, die von der Antirassistischen Initiative (ARI), dem Radioprojekt Onda, dem Anti-Hartz-Bündnis und diversen internationalistischen Gruppen genutzt werden. Jeden ersten und dritten Montag im Monat findet in der Yorck 59 die Druzbar statt: Filme oder andere Darbietungen zusammen mit Essen und Trinken zum Selbstkostenpreis. Die Veranstaltungsetage wird seit vielen Jahren außerdem von nichtkommerziellen Sport- und Theatergruppen und für Partys, Ausstellungen und politische Veranstaltungen genutzt.

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