MieterEcho
Nr. 290 - Mai 2002

Das war Rot-Grün

 

 

Julia Oppermann

Der Deutsche Mieterbund attestiert der Wohnungs- und Mietenpolitik der rot-grünen Koalition eine gute bis befriedigende Leistung und Anke Fuchs ergänzte in diesem Sinne lapidar im Dezember letzten Jahres: "Im Jahr 2001 ist Bewegung in die Wohnungsbau- und Mietenpolitik gekommen."
Was soll die Präsidentin des Deutschen Mieterbundes, SPD-Bundestagsabgeordnete und Vizepräsidentin des Bundestages auch anderes sagen? Jubel ist nicht angebracht, Kritik für sie nicht opportun und Analyse liegt außerhalb der politischen Reichweite von BundestagsvizepräsidentInnen.

Mit dem Regierungswechsel verbundene Hoffnungen auf eine andere Politik wurden schnell enttäuscht und nach den Rücktritten von Lafontaine endgültig zu den Akten gelegt. Die Anpassungen an die Bedürfnisse des Kapitals erfolgten nachhaltig und konzentrierten sich auf den Um- bzw. Abbau des Sozialstaats. Die Wohnungspolitik leistete dabei wichtigen Flankenschutz.

Zielgruppen der "Sozialen Wohnraumförderung"
An die Stelle des auf breite Schichten der Bevölkerung ausgerichteten sozialen Wohnungsbaus, wie er im Zweiten Wohnungsbaugesetz festgeschrieben war, trat die "Soziale Wohnungsbauförderung".
Ihr Adressat ist zweigeteilt:
Die untere Hälfte der Bevölkerung, die Mieterschaft, hat sich am Markt zu versorgen. Staatliche Fürsorge bei der Bereitstellung von Mietwohnungen wird dabei nur denen zuteil, die Zugangsschwierigkeiten zum Markt haben, allerdings unter Maßgabe verschwindend geringer Mittel - sprich kaum.
Die Anpassung des Wohngeldes wurde allgemein als wohnungspolitische Leistung gepriesen. Jedoch wurde die gesetzgeberische Absicht deutlich: die Wohngeldnovelle macht mit Grenzen des Tabellenwohngeldes und der Angleichung an das pauschalierte Wohngeld, (als Bestandteil der Sozialhilfe) aus der ehemaligen Subjektförderung für den Wohnungsbau ein Instrument der Wohlfahrt.
Die fitte Mitte der Gesellschaft soll zukünftig im Eigentum wohnen. Wer noch nicht dazu gehört, kann zum Wohneigentumserwerb soziale Wohnraumförderung beanspruchen - jedoch auch nur im Rahmen der knapp bemessenen Mittel.
Probleme werden daraus nicht erwachsen, denn neben der sozialen Wohnraumförderung kommt dieser politischen Klientel die verschwenderisch dimensionierte Eigenheimzulage zugute. Mit ihr wird Wohnungsprivatisierung gefördert und gleichzeitig die Privatisierung der Alterssicherung stützend flankiert.

Gesellschaftliche Spaltung
In der Gegensätzlichkeit von Eigenheimzulage und Wohngeld sowie in der Zweiteilung der sozialen Wohnraumförderung zeigt sich das allgemeine Schema: eine auf das Überlebensnotwendige orientierte "Grundsicherung für die, die im allgemeinen rat race nicht mithalten können" und die Förderung zur privaten Daseinsvorsorge für die dominierende Zielgruppe und Basis des modernisierten Sozialstaats, die "Neue Mitte".1 Bleibt daneben noch die Mietrechtsvereinfachung. Sozialen Fortschritt birgt sie nicht, sondern allenfalls eher eine Fortschreibung des bestehenden Verhältnisses zwischen Vermieter und Mieter. Doch anachronistisch liegt sie damit quer zu den gesellschaftlichen Liberalisierungs- und Privatisierungstendenzen und dem Abbau sozialer Sicherungssysteme. Wie ein Relikt aus den vergangenen Zeiten sozialstaatlicher Moderne, scheint sie übriggelassen für Deregulierungsabsichten einer künftigen Regierung. Die Privatisierung von öffentlichen Wohnungsunternehmen hat dagegen in dieser Legislaturperiode flächendeckend stattgefunden. Von besonderer Delikatesse war der Verkauf der Bahn-Wohnungen, denn dieses anrüchige Geschäft - man erinnere sich an die Millionenspende des Herrn Ehlerding - hatte Rot-Grün als Opposition mit Protest begleitet um es dann als Regierung kommentar- und reibungslos abzuwickeln. Anderes war auch kaum zu erwarten, wenn man die im Schröder-Blair-Papier formulierte Leitideologie zur Kenntnis nahm.
So kann man alles in allem froh sein, wenn es überhaupt noch eine Wohnungspolitik gibt. Dass sich an dieser politischen Tendenz nach den Wahlen etwas ändern wird, erscheint zur Zeit ausgeschlossen. Deshalb ist auch für mieten- und wohnungspolitisch Engagierte diskutierenswert, was Daniel Kreutz2 mit Blickrichtung auf den Sozialstaat vorschlägt:

Zukunftsfähige Alternativen
"Wer eine soziale Politikalternative gegenüber Neuer Mitte und Neoliberalismus auf die Bühne öffentlicher Debatte bringen will, wird nolens volens den Weg über eine neue soziale Bewegung suchen müssen, die sich aus dem durchaus vorhandenen, aber stark fragmentierten und weitgehend ‚sprachlosen' sozial-ökologisch und emanzipatorisch orientierten Oppositionspotenzial in der Gesellschaft entwickeln könnte. (...) Ziel wäre nicht nur eine breitere, handlungsfähige Vernetzung mit der gewerkschaftlichen Linken, mit Kräften aus sozialen Verbänden und Kirchen, sondern auch ein politischer Verständigungsprozess, der weit über die Sozialpolitik hinaus die vom politischen mainstream untergepflügten Reformansprüche aufnimmt, sie zu einem Gesamtkonzept alternativer Reformpolitik bündelt und so den Slogan ‚Eine andere Welt ist möglich' für den deutschen Handlungsrahmen politikfähig macht. Um Unbehagen und Erschrecken über die Richtung herrschender Politik in aktives Engagement wenden zu können, müssen plausible und realitätstüchtige Alternativen sichtbar sein. Eine soziale Alternative müsste an die historisch positiven Ziele und Errungenschaften des Sozialstaats anknüpfen, aber neue Perspektiven seiner teils gravierenden Defizite und zur Einlösung seiner gebrochenen Versprechen bieten, die sich auch auf den europäischen Kontext übersetzen lassen. (...)
Auf der instrumentellen Ebene wird man an vieles anknüpfen können, was im Rahmen sozialdemokratischer und grüner Oppositionspolitik zu Zeiten der Kohl-Regierung bereits entwickelt, aber seit der Wende zur Neuen Mitte oft unter PDS-Verdacht gestellt und so im etablierten Diskurs tabuisiert wurde. Man mag solch eine Politikalternative ‚utopisch' nennen. Für diejenigen, die es sich nicht leisten können, die Option einer zukunftsfähigen, sozialstaatlichen Alternative aufzugeben, gilt jedoch: Nur Utopien sind realistisch." n

2 Neue Mitte im Wettbewerbsstaat. Blätter für deutsche und internationale Politik 4/2002

 

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