MieterEcho
Nr. 290 - Mai 2002

MieterEcho 291/2002

 

 

Liebe Leserinnen und Leser,

Die Wirtschaft boomt, breitet sich gewinnträchtig auf dem Globus aus, doch der Sozialstaat verschwindet, ungesicherte Arbeitsverhältnisse werden die Regel und die Arbeitslosigkeit ist hoch.
Auch daran kann man verdienen. Die Firma TECO verspricht allen, die eine Existenz suchen, eine Karriere als erfolgreicher Wohnungsvermittler. Ob es wirklich zu einer Vermittlung gekommen ist, weiß man nicht. Bekannt ist aber, dass für diese Aussicht 590 Euro zu bezahlen sind. Ein lukratives Geschäft mit der Not.
Die Soziale Stadt feierte sich unlängst aufwendig.
Elvira Vernes bezweifelt, dass Grund dazu besteht.
Babara Oesterheld widmet sich dem Berliner Haushalt, einem traditionell düsteren Kapitel.
Hermann Werle verfolgt weiterhin die Spur des Wassers in private Kanäle.
Ach ja, unser neues Papier ruft Skepsis bezüglich seiner ökologischen Eigenschaften hervor. Kein Grund zur Besorgnis, auch in dieser Hinsicht verhält sich das MieterEcho politisch korrekt.
Viel Spaß (woran eigentlich?) und bitte beachten Sie die erneute Betriebskostenumfrage.

Ihr

MieterEcho

 

Die Bezirksgruppe der BMG in Friedrichshain und die UBI Mieterladen bitten um Unterstützung:
Sie sind von der Padovicz-Unternehmensgruppe betroffener Mieter, Wohnungseigentümer oder Handwerker?
Sie führten einen Prozeß oder schlossen einen Vergleich?
Wurde bei Ihnen versehentlich z.B. der Strom abgedreht oder Brände im Haus festgestellt?
Sieht Ihre Wohnung nach der Umsetzung wegen Sanierung nicht so aus, wie vorher besprochen?
Bitte informieren Sie uns auch, ob und wann Sie sich ggf. beim Senat, der IBB oder dem Bezirksamt beschwert haben und um welche konkreten Beschwerden es dabei ging. Wir wissen aus vielen Gesprächen von ganz vielen solchen und ähnlichen Dingen und wollen diese jetzt sammeln, um gemeinsam mit anderen Druck auf den Senat auszuüben, Prüfgremien transparenter und effektiver für die Gesellschaft zu gestalten. (siehe auch Beitrag S. 27)

Mieterladen, Kreutzigerstr. 23, 10247 Berlin

oder per e-Mail: mieterladen@gmx.de

 

Auf Hochglanz getrimmt war denn auch das Arena-Ambiente - der Treptower Veranstaltungsort war in TV-taugliche Dunkelheit im Zuhörerraum und gleißendes Licht auf dem Podium getaucht für diese Erste Bilanz Soziale Stadt. Neben Bundeskanzler Schröder sprachen so Bundesbauminister Kurt Bodewig, Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin, der Kriminologe und jetzige Minister für Justiz des Landes Niedersachsen, Christian Pfeiffer, die Oberbürgermeister von Leipzig, Frankfurt/M. und München - der erste Tag war damit schon zur Hälfte bestritten. Der Nachmittag gehörte sodann einer Podiumsdiskussion, zu der die Veranstalter neben Nida-Rümelin den Stadtplaner Professor Dr. John Friedmann von der University of British Columbia in Vancouver und den ZEIT-Journalisten Werner Perger geladen hatten.

Brigitte Bastgen (ZDF) bemühte sich redlich, die Diskussion zu moderieren, doch kam die gar nicht auf; was etwa Perger dort zu suchen hatte, blieb selbst ihm ein Rätsel. Ohnehin wusste so recht niemand mehr, wohin der Glaube sich noch wenden könne, als Prof. Friedmann bereits den ersten hilfeheischenden Versuch Bastgens - "Herr Friedmann, wie retten wir die europäische Stadt?" - mit der schlichten Erwiderung, "die gibt es, ich bin Stadtplaner, wissen Sie, nun wirklich schon lange nicht mehr", konterte.

Und so war es insgesamt lediglich Friedmann - Deutschlandkenner und mit den für die Bundesrepublik relativ neuen Diskussionen um gebietsbezogene soziale Stadtentwicklung, um Armut und Ausgrenzung vertraut -, der Klartext redete. Die Erfahrungen aus den USA aufgreifend, wo es vergleichbare Ansätze wie das Berliner Quartiersmanagement oder das Bund-Länder-Programm gibt, warnte er vor Selbstgefälligkeit und Euphorie. Solange nicht Arbeitslosigkeit, Armut und Krankheit als Probleme klar benannt und auch bekämpft würden, könne von sozialer Stadt keine Rede sein. Er dämpfte damit auch Erwartungen, die sich die mittelständisch orientierten so genannten Expertinnen und Experten der Sozialen Stadt so gern zu eigen machen: "Wenn sich die Lebensbedingungen der Menschen nicht verbessern, wird sich auch an der Lage in den Quartieren nichts verbessern können."

Leipziger Impulse - vollständig ignoriert

Dass diese und andere Probleme den Veranstaltern des Bund-Länder-Programms, das derzeit im Jahr mit 450 Mio. DM (230 Mio. Euro) von Bundesregierung, Bundesländern und Kommunen finanziert wird, nicht unbekannt geblieben sein dürften, zeigte sich bereits im Jahr 2000 auf der Impulskonferenz Quartiersmanagement in Leipzig. Kaum dürfte sich etwas verbessern können, so war den dort versammelten Quartiersmanagern zumindest zum Teil klar, wenn gleichzeitig Sozialleistungen zusammengestrichen und Hilfeleistungen gekürzt werden. Mit den Worten des engagierten Lüneburger Professors Kurt Bader: "Ich finde es eine überhebliche und arrogante Position, in einer Situation, wo es einen Rollback im Sozialbereich gibt, wo Gesundheitsreformen zu einer Verlagerung in den privaten Bereich führen, wo Kollegen Fallzahlen (in der Sozialhilfe) zu bearbeiten haben, wo die Belastung so groß ist, dass den Interessen der Bevölkerung nicht mehr entsprochen werden kann, darüber zu reden, dass es mit weniger Geld und Personal gehen soll." Eine mehr als berechtigte Kritik, insbesondere wenn man sich klar macht, dass sich bei vielen Städten zunehmend Probleme zeigen, den kommunalen Anteil der Soziale Stadt-Mittel überhaupt noch aufzubringen. Und auch die Berliner Quartiersmanagerin des Sanierungsträgers L.I.S.T., Veronika Gottmann, äußerte sich in Hinblick auf die "strukturelle und alltägliche Diskriminierung von Migranten" zu den tatsächlichen Möglichkeiten des Quartiersmanagement skeptisch: "In den Verwaltungen arbeiten eben zum Großteil Deutsche. Das fängt in den Schulen und Kitas an. Migranten sind in diesen Bereichen noch nicht eingebunden. Das bildet natürlich eine Diskrepanz zu dem, was wir im Quartier eigentlich wollen." Auch andere in Leipzig angesprochene Kritikpunkte - etwa dass die "Dokumentation der Ergebnisse des Quartiersmanagements häufig aufgrund des Abhängigkeitsverhältnisses (gegenüber der Verwaltung) allzu positiv und geschönt" wird, dass Fördermittel und ABM-Kräfte nur begrenzte Zeit zur Verfügung stehen und so keine Kontinuität gewährleisten können; dass noch immer keine umfassende Finanzmittel-Bündelung möglich ist - kamen in Berlin nicht zur Sprache.

Erste Bilanz auf dem Teppich?

Während also in Leipzig durchaus der Versuch unternommen wurde, wenigstens immanent über Schwierigkeiten auf dem Markt der Sozialen Stadt zu diskutieren - denn zur Funktion des Quartiersmanagement im Zusammenhang mit neuer kleinräumiger Sozialstaatlichkeit und der Ruhigstellung der von der Politik bisher vernachlässigten Quartiere kein Wort -, gab es in Berlin nicht einmal dazu eine kritische Reflektion. Unlängst wurde hierzu auf einer Tagung von Stadtsoziologinnen und -soziologen in Dortmund gemutmaßt, dass die Schwierigkeiten im Verlauf des Projektes Soziale Stadt mittlerweile auch vom Difu als so groß eingeschätzt würden, dass es beabsichtige, sich daraus zurückzuziehen. Aber soweit ist es sicher noch nicht.

Doch wer den gut 340 Seiten starken Hochglanzband zur Ersten Bilanz Soziale Stadt durchblättert, kann zumindest eines deutlich erkennen, die bisherige Hurra-Stimmung des Difu und der politischen Strategen des Konzeptes (wie auch der beteiligten Wissenschaftler) ist mittlerweile einer deutlich zurückhaltenderen Naja-Stimmung gewichen. Von "Skepsis und Zurückhaltung, die dem Programm entgegengebracht wurde", ist so erstmals offen die Rede: "Es schien manchen nun, als sollten die gesamtgesellschaftlichen Probleme - etwa Arbeitslosigkeit, Mängel des Gesundheits- und Bildungswesens - auf Stadtteilebene gelöst und ein Abbau sozialstaatlicher Leistungen damit kaschiert werden. In der Logik der Vorwürfe steht ein weiterer: dass auch die staatlicherseits propagierte 'neue Verantwortungsteilung' zwischen Staat und Gesellschaft allein den Menschen vor Ort die Bewältigung der gesamtgesellschaftlich verursachten Probleme aufbürde." Die Difu-Broschüre unternimmt nicht einmal den Versuch, diese Mutmaßungen zu widerlegen - sie spricht stattdessen vom "Gefühl von Zusammenhalt und Sicherheit", das sich einstellen müsse.

Es werden sicher noch einige Hochglanzbroschüren und Konferenzen ins Land gehen. Ob es aber auf Dauer bei dieser Augenwischerei bleiben kann und soll, wird sich bald zeigen. Auch für das Difu und die ihm verbundenen Wissenschaftler wird es schwieriger werden, beim Management der Quartiere nur "Gefühle" zu mobilisieren.

 

Kontakte und Treffen

Arbeitsgruppe Umwandlung:
Mittwochs ab 15 Uhr unter der
Telefonnummer 215 90 62 oder e-mail: bmg-ag@ipn.de

Sozialberatung:
Informationsabende mit Beratung zu den Themen Wohngeld,
Mietschulden, Umgang mit Ämtern und Behörden etc.
Ab sofort jeden ersten Donnerstag im Monat um 19 Uhr
in der Geschäftsstelle der Berliner MieterGemeinschaft
Möckernstraße 92, 10963 Berlin

Offen auch für Nicht-Mitglieder
Anti-Scientology-Initiative:
Unsere Seite im Internet finden Sie unter
www.mieter-gegen-scientology.de
e-Mail: webmaster@mieter-gegen-scientology.de

Arbeitsgruppe Betriebskosten:
????? jeweils 17 Uhr
im Rabenhaus, Puchanstraße 9, Berlin-Köpenick

 

Startseite | MieterEcho Archiv