MieterEcho
Nr. 289 - Januar/Februar 2002

Wohngeld - Wer ist dazu berechtigt und wie bekommt man es?

 

Bereits das letzte ME berichtete anhand von einzelnen Beispielen darüber, wie schwierig es ist, Wohngeld zu bekommen. Wer ist berechtigt und wie groß ist die Unterstützung für die Betroffenen? Das MieterEcho stellte fest, dass darüber bei vielen Unwissenheit herrscht und sprach mit Klaus Nolden und Ellen Ravens-Nolden, beide freiberufliche Sozialarbeiter und Inhaber der Firma team wohnbalance - soziale dienste rund ums Wohnen.

Das Gespräch führte Dorothee Wendt

ME: Welche Bedingungen muss ein Mieter oder eine Mieterin denn überhaupt erfüllen, um wohngeldberechtigt zu sein, bzw. Aussichten zu haben, dass der Antrag auf Wohngeld positiv entschieden wird?

Ellen: als Erstes muss man arm sein. D.h. das Nettoeinkommen nach Abzug der Miete muss knapp über der Sozialhilfe liegen. Unsere Faustformel lautet, wer bis zu 20% mehr als 286 E (561 DM), das ist der Sozialhilfesatz ohne Miete, plus seiner Miete zur Verfügung hat, der kann Wohngeld beantragen und hat gute Aussichten auf Erfolg. Das gilt für die erwachsene Einzelperson, Kindern und Jugendlichen steht weniger zur Verfügung.
So bekommen Kinder bis 14 Jahren nur 143 E (281DM) bis 186 E (365 DM), Jugendliche von 14 bis 18 Jahren, vorrausgesetzt sie wohnen bei ihren Eltern und gehen keiner Arbeit nach, erhalten einen Regelsatz von 229 E (449 DM) bis 258 E (505 DM).
Klaus: Es ist vielleicht erwähnenswert in diesem Zusammenhang, dass niemandem verwehrt werden kann, einen Wohngeldantrag zu stellen. Das gilt für MieterInnen wie für EigentümerInnen. Das Gesetz sieht darüber hinaus vor, dass Wohngeld von sechs Monaten bis zu einem Jahr bewilligt werden kann. Die Praxis sieht jedoch anders aus. Der kürzeste Bewilligungszeitraum von dem wir kürzlich erst Kenntnis bekamen belief sich sogar nur auf vier Wochen.
Ellen: Als Zweites muss die Wohnung angemessen teuer und angemessen groß sein.
Klaus: Wer in einer zu großen oder zu teuren Wohnung lebt, erhält nur den angemessenen Betrag an Wohngeld, auch wenn er oder sie nach Abzug der Miete nur noch ein Budget i.H. des Sozialhilfesatzes zur Verfügung hat. Für die Formel, die Ellen gerade genannt hat, gelten bestimmte Kappungsgrenzen hinsichtlich der Miethöhe und der Wohnungsgröße und nur dieser so errechnete Betrag wird auch bei der Ermittlung des zur Verfügung stehenden Einkommens angerechnet.
Ellen: Es gilt was sozialhilferechtlich als angemessen angesehen wird. Für eine Einzelperson bis zu 50 qm, für zwei bis zu 60 qm, für drei bis zu 75 qm, für vier bis zu 85 qm und so weiter.
Klaus: Hinsichtlich der Miethöhe gelten die Mietstufen für die jeweiligen Gemeinden und die Klassifizierung der Wohnung, nach Baualter und Ausstattung, wie sie in dem Informationsheft von der Bundesregierung herausgegeben werden.1 Grundlage für die Eingruppierung in die jeweilige Mietstufe sind sehr veraltete Zahlen, so dass erst mit großer Verzögerung Mietsteigerungen sich auf die Kappungsgrenzen auswirken. Berlin zum Beispiel soll erst in diesem Jahr höher eingruppiert werden.

Dabei heißt es doch immer in Berlin seien die Mieten überdurchschnittlich billig?

Klaus: Das stimmt schon lange nicht mehr, auch nach der Tabelle sind die Mieten mittlerweile auf Bundesdurchschnitt angestiegen.
Ellen: Es ist gar nicht selten, dass BerlinerInnen bis zu 50% ihres Einkommens für die Miete ausgeben. BerlinerInnen verdienen wohl auch weniger als im Bundesdurchschnitt.
Klaus: Es gibt einen alten Leitspruch von Wohnungsbaugenossenschaften als der Lohn noch wochenweise ausgezahlt wurde: die Mietbelastung soll einen Wochenlohn nicht übersteigen. Das heißt im übertragenen Sinne, 25% des Nettoeinkommens sind als Mietbelastung angemessen.

Laut Armutsbericht des Deutschen Bundestages betrug die Mietbelastung 1998 bei 35,3% aller Haushalte mehr als 30%. Die Mietbelastung bei den Haushalten, die Wohngeld bezogen, lag im Schnitt sogar bei 39,6% und nach Zahlung des Zuschusses immer noch 30,6%. Was muss denn alles dem Amt vorgelegt werden?

Ellen: Oh, das ist einiges! (siehe nebenstehenden Kasten) Vor allem ist wichtig: der/die AntragstellerIn muss persönlich den Antrag einreichen. Ohne bei den BearbeiterInnen vorstellig geworden zu sein, werden die Anträge nicht bearbeitet.

Aber das klingt doch alles ganz überschaubar, warum gibt es dann so viele, die auf Wohngeld verzichten?

Ellen: Was wir Dir bis jetzt erzählt haben ist im Prinzip nur die Theorie, die Situation der meisten MieterInnen sieht ganz anders aus oder entspricht eben nicht dem Idealfall. Es gibt viele Haken und Ösen aufgrund dessen ein Antrag abgelehnt werden kann. Wir stoßen in unserer Arbeit immer wieder auf diese sogenannten Einzelfälle, die in der Regel gar kein Einzelfall sind. Das sind eben so Kniffe. Zum Beispiel ist es sehr wichtig, wer alles im Mietvertrag steht.
Klaus: Da wurde die Praxis der Wohnungsämter einfach geändert. Reichte es bis vor einiger Zeit aus, dass ein Paar zusammenwohnte und wie eine Lebensgemeinschaft auch für den Lebensunterhalt gemeinsam aufkam, sprich einen gemeinsamen Kühlschrank hatte, um wie ein Ehepaar Wohngeld zu bekommen, beschränken die Angestellten des Wohnungsamtes, wenn das offizielle Papier fehlt, ihre Zahlungen auf die Personengruppe, die den Mietvertrag unterschrieben hat. Da sind mittlerweile selbst gleichgeschlechtliche Paare, die sich als Lebensgemeinschaft haben eintragen lassen, besser gestellt, weil sie wie Ehepartner behandelt werden.
Ellen: Das heißt im Klartext, entweder müssen die Paare heiraten, oder eine Aufnahme in den bestehenden Mietvertrag mit dem Vermieter vereinbaren. Ist der Vermieter eine Genossenschaft, hat dies zur Folge, dass zusätzliche Anteile zu erwerben sind.
Klaus: Im Gegensatz zur Mietbelastung wird aber das Einkommen aller in der Wohnung wohnenden Personen zusammengenommen. Das kann man auch auf WGs übertragen. Es gilt - sofern nur einer den Mietvertrag unterschrieben hat, dass das Einkommen zur Ermittlung des Wohngeldes von allen MitbewohnerInnen zusammengezogen wird, die Mietbelastung aber nur für die eine Person hinsichtlich Wohnungsgröße und Kappungsgrenze ermittelt wird. So bekommen viele, auch wenn sie eigentlich berechtigt sein müssten, eben kein Wohngeld.

Das heißt UntermieterInnen sind auch nicht wohngeldberechtigt?

Ellen: UntermieterInnen haben keinen Anspruch auf Wohngeld, obwohl sich die Miethöhe des Hauptmieters durch Untermietzuschlag erhöhen kann. Das Einkommen des Untermieters wird auf das gesamte Haushaltseinkommen angerechnet, so dass auch der Hauptmieter in der Regel keinen Anspruch mehr auf Wohngeld hat.
Klaus: Es gibt noch einen weiteren sogenannten Sonderfall. Nämlich, wenn das Einkommen unter den Sozialhilfesatz fällt. Man hört selten davon, aber es ist gar kein Einzelfall. Die SachbearbeiterInnen müssen beim Antragsteller nachfragen, womit der Unterhalt bestritten wird und wenn dann nicht mit einem entsprechenden Schreiben versichert wird, dass es keine weiteren Einkommen gibt und auch Dritte - Eltern oder Kinder - nicht für einen Aufkommen müssen, so wird einem das Wohngeld gestrichen oder der Antrag abgelehnt.

Du spielst auf den Fall des ausländischen Studenten ohne BaföG-Berechtigung an? (Zwei Beispiele aus der Praxis von Klaus Nolden und Ellen Ravens-Nolden können im nebenstehenden Beitrag nachgelesen werden.)

Klaus: Ja, hier hat sich die Wohngeldstelle lange geweigert zu zahlen und nur durch unser Nachhaken, bekamen wir schließlich ein Formular zugesandt, in dem der Student und die Ausländerbehörde versichern mussten, dass ihm keine weiteren Einkünfte seitens seiner Familie zufließen. Erst als er bzw. die Behörde das Formular in genau diesem Wortlaut unterschrieben hatten, wurde dem Antrag stattgegeben. Es ist unverständlich, warum uns das nicht schon viel früher mitgeteilt worden war.

Das heißt, man bekommt nicht die nötigen Informationen, damit der Antrag komplettiert werden kann?

Klaus: So kann man das wohl nennen. Jedenfalls bekamen wir diese Auskünfte von der Behörde nur, weil wir so hartnäckig nachgefragt haben, damit dem Antragsteller die ca. 143 E (280 DM) nicht vorenthalten blieben. Mit anderen Worten, wäre der Student allein gewesen, hätte er sich sicherlich schon viel früher und dann eben erfolglos abfertigen lassen.
Ellen: Ein weiterer Kniff ist der Bewilligungszeitraum. Immer öfter werden die Anträge nur für ein viertel Jahr bewilligt. Das heißt oft, kaum ist nach wochenlanger Bearbeitung das erste Mal Wohngeld aufs Konto überwiesen worden, muss schon wieder der neue Antrag gestellt werden. Daran denken viele Berechtigte nicht, oder erst wenn es zu spät ist, und dann sind ein oder gar zwei Monate verstrichen.
Klaus: Der Amtsleiter der Wohngeldstelle von Tiergarten-Wedding-Mitte erwähnte uns gegenüber, dass aufgrund eines Beschlusses des Abgeordnetenhauses zu Berlin die Behörden angehalten sind, pauschal 10% ihrer Ausgaben einzusparen. Wie sie das machen, bleibt ihnen überlassen. Wir haben uns erlaubt einmal auszurechnen, was 50.000 um zwei Monate verspätet gestellte Anträge in Berlin den Antragstellern an Mindereinnahmen verschaffen: 10,2 Mio. E (20 Mio. DM). Das ist in der Tat eine ganz schöne Summe.
Ellen: Nicht berücksichtigt wird dabei, dass der Verwaltungsaufwand für Anträge, die alle drei anstatt bisher alle sechs Monate gestellt werden müssen, auch wesentlich höher wird. Die Warteschlangen auf den Wohnungsämtern sind jetzt schon so wie auf dem Sozialamt. Mit zwei Stunden muss gerechnet werden.
Klaus: Es lohnt sich schon, sich mal eine Wohngeldstelle anzusehen. Auffällig ist auch, dass mittlerweile Wohnungsbaugesellschaften, vor allem aus den östlichen Randbezirken, hier für neue MieterInnen werben.

Du spielst darauf an, dass viele Wohngeldberechtigten bei Wohnungswechsel in eben diese Wohnungen umziehen.

Klaus: Ja, wir haben das den modernen Wohnungstourismus genannt.
Auf dieses Thema würde ich gern bei nächster Gelegenheit näher eingehen. Zunächst aber danke ich Euch für das Gespräch.

Das Thema Wohngeld wird das MieterEcho auch in seiner nächsten Ausgabe mit zwei Schwerpunkten beschäftigen. Was ist dran am "modernen Wohnungstourismus"?
Mitarbeiter des Amtes für Wohnungswesen des Bezirkes Kreuzberg-Friedrichshain berichten aus ihrer Praxis und über die Folgen der Wohngeldnovelle.

Was ist alles der Wohngeldstelle vorzulegen?

Einkommensbescheide:
dazu gehören Arbeitslosengeld-, Arbeitslosenhilfe-, sonstige Arbeitsamtförderungs-, Kindergeld-, Pensions-, Rentenbescheide, Unterhalts-, Gehaltsnachweise, Unterhaltsvorschuss, Vermögen und sonstige Einkünfte.

Auskünfte zur Wohnung:
Mietvertrag, letzte Mietzahlungsquittung oder Kontoauszug mit Überweisungsnachweis und letzte Mieterhöhung.

Auskünfte zur Person:
Personalausweis, Studentenbescheinigung, Krankenversicherungsnachweis bei Selbständigen und Studenten und Schulbescheinigung bei Kindern über 16 Jahren.

Bei ausländischen MitbürgerInnen:
Aufenthaltsbescheinigung, Duldung oder Asylbescheid.

 

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