MieterEcho
Nr. 289 - Januar/Februar 2002

Herausforderungen an die Wohnungspolitik

 

Von Renate Berg

Am 14. und 15. Februar 2002 wird der wohnbund e.V. in Hamburg seinen VII.-Kongress abhalten. Verschiedene Fachleute der Wohnungswirtschaft, der Politik (Bund, Länder und Kommunen) sowie der Wohlfahrts- und Mieterverbände sollen referieren oder Stellung beziehen.
Eine Zusammenfassung des Positionspapier zum Kongress wird hier vorgestellt:
Aus Sicht des wohnbunds geht das neue Wohnraumförderungsgesetz, das unter der Flagge, den Reformstau im Sozialen Wohnungsbau aufzulösen, im Januar 2002 in Kraft getreten ist, an wesentlichen Aufgaben vorbei. Da das Gesetz auf der Annahme basiere, dass die Akteure vor Ort die Probleme am besten kennen und damit am besten lösen könnten, würde nun unter dem Deckmantel der Dezentralisierung eine notwendige inhaltliche Neuorientierung für den sozialen Wohnungsbau vermieden und damit die Deregulierung der wohnungspolitischen Instrumente fortgesetzt. Das Wohnraumförderungsgesetz sei also nicht das Ergebnis einer notwendigen neuen Zielbestimmung mit einer stärkeren (auch vom wohnbund geforderten) Dezentralisierung, sondern stelle vor dem Hintergrund des Finanzierungskonflikts zwischen Bund und Ländern nur das momentan politisch Machbare dar.
Das Positionspapier des wohnbunds basiert auf der Analyse, dass sich das Wirtschaftswachstum auf bestimmte Regionen konzentriert. Während das Wachstum in einigen Regionen stagniert, befinden sich wiederum andere in Schrumpfungsprozessen. Nach Auffassung des wohnbunds führt dies zu drei Regionstypen, gekennzeichnet durch:
1. langfristig hohe Wachstumsraten (z.B. München, Stuttgart),
2. langandauernde Stagnation (z.B. Ruhrgebiet, Hannover)
3. stetige Schrumpfung (weite Teile Ostdeutschlands, Bremen)
Nach Ansicht des wohnbunds führen diese drei Regionstypen zu gegensätzlichen Entwicklungen auf den regionalen Wohnungsmärkten, auch wenn die Grenzen zwischen den Typen fließend sind und es Möglichkeiten zu Verbesser- oder Verschlechterungen geben kann. Und er kritisiert, dass alle vorhandenen wohnungspolitischen Instrumente nicht in der Lage seien, darauf individuell zu reagieren: weder leisteten sie die notwendige Unterscheidung zwischen den Regionen noch zwischen den Problemlagen in den Regionen. Manche Instrumente würden sogar Probleme verschärfen: so führe die Eigentumsförderung in den Wachstumsregionen eben nicht zum notwendigen Neubau, sondern fördere im Bestand die Verdrängung durch Umwandlungen; so beschleunige die Eigentumsförderung in Schrumpfungsregionen die Entleerung von Quartieren, statt deren Entwicklung zu fördern. Deshalb muss aus Sicht des wohnbunds die Wohnungspolitik auf eine regional differenzierende Grundlage gestellt werden. Hierzu beschreibt der wohnbund sechs Handlungsfelder, an die Forderungen geknüpft sind:

1. Sozialer Wohnungsbau
Da die Bundesmittel von zunächst veranschlagten 230 Mio. E (mittlerweile sind sie auf ca. 300 Mio. E angehoben) deutlich zu gering seien, um bereits den Aufgaben in den Wachstumsregionen gerecht werden zu können, fordert der wohnbund neben einer deutlichen Aufstockung der Mittel die Förderung der Versorgung von am Wohnungsmarkt benachteiligten Haushalten. Außerdem sollen innerhalb der Einkommensgrenzen Gruppen definiert werden, an die mit Vorrang Wohnungen vermietet werden. Auch soll die Verteilung der Bundesmittel nicht mehr auf den Bevölkerungszahlen der Bundesländer basieren, sondern nach dem Wohnungsbedarf der Regionen erfolgen. Der wohnbund bemängelt, dass das Wohnraumförderungsgesetz bei baulichen Maßnahmen verharre und dass andere Maßnahmen wie z.B. die Förderung von Gewerberaum (für Mieter) oder Personalkosten (für Quartiersentwicklung) nach wie vor ausgeschlossen seien. Er regt deshalb an, die Entwicklungsziele nicht nur auf die reine Umsetzung von Bauleistungen zu beschränken und das Programm "Soziale Stadt" mit dem Sozialen Wohnungsbau zu verknüpfen.
Darüber hinaus fordert er, dass eine zukünftige Bestandspolitik im Sozialen Wohnungsbau neben dem Erwerb von Belegrechten auch den Erwerb bestehender ungebundener Mietwohnungen beinhalten soll.

2. Programm "Soziale Stadt"
Der wohnbund gesteht der Bundesregierung zwar zu, dass sie mit dem Programm "Soziale Stadt" auf einen Bedarf an Quartiersentwicklung reagiert hat, kritisiert jedoch, dass die Förderung deutlich hinter den inhaltlichen Erfordernissen und finanziellen Bedürfnissen der Quartiere zurückbleibe. Der wohnbund hält es daher für angebracht, nach der inzwischen fast dreijährigen Erprobungsphase eine qualitativ neue und finanziell den umfangreichen Aufgaben entsprechende gesetzliche Regelung für die Aufgabenfelder der "Sozialen Stadt" einzuführen: Wegen der sozial langfristigen Wirkungen dieser Quartierskonzepte, für die oft eine "einseitige soziale Zusammensetzung" Anlass sei, müssten sie jedoch in ein gesamtstädtisches Wohnungsmarktkonzept eingebunden werden. Dieses Konzept solle neben einer wohnungspolitischen Aufgabenbestimmung für alle Nachfragegruppen, insbesondere in Bezug auf die erkennbaren Verdrängungseffekte, Antworten geben. Als erster Schritt sei die Aufstockung der Programmmittel vorzusehen.

3. Wohnungsbestandsentwicklung
Für die Stagnations- und Schrumpfungsregionen hält der wohnbund die grundsätzliche Umorientierung aller Förderprogramme im Hinblick auf die qualitative und nachfrageorientierte Entwicklung des Wohnungsbestandes für notwendig. Dies gelte insbesondere für die Eigentumsförderung im Neubau, die heute in vielen Schrumpfungsregionen für einen großen Teil des Leerstands verantwortlich sei. Die Verbesserung der Qualitäten im Bestand könne ein Beitrag gegen die Stadt-Land- Wanderung werden. Ein "Leerstandspro-gramm" könne einen Beitrag zur beispielhaften Entwicklung von Umnutzungsprojekten (Wohnflächenausweitungen, Gewerbeumnutzungen, Wohnen und Arbeiten, Gemeinschaftseinrichtungen, Freiflächennutzungen bei Abrissen) mit Vorbildcharakter für die Regionen leisten.

4. Eigentumsförderung
Da mit 11 Mrd. E der Löwenanteil der Subventionen des Bundes im Wohnungsbau in die Eigentumsförderung fließt, fordert der wohnbund, dass die Eigentumsförderung in ihrer Höhe und Förderart an die regionalen Anforderungen der Wohnungsmärkte angepasst werden muss. So sei es in den Stagnations- und Schrumpfungsregionen unsinnig, dass überflüssiger Neubau gefördert wird, während für dringende Bestandsentwicklungen zu wenig Geld zur Verfügung steht. Weiterhin kritisiert der wohnbund, dass die Eigentumsförderung im Bestand zu umfangreichen Bestandsverkäufen der Wohnungsunternehmen führe und damit der finanziellen Sanierung der Gesellschafter diene. Der wohnbund bemerkt, dass Wohnen in Eigentum nicht zwangsläufig zu einer höheren sozialen Sicherheit führt, wie es durch viele Zwangsversteigerungen belegt sei. Da das Interesse an Wohneigentum oft auf der Vorstellung von höheren Gestaltungsmöglichkeiten gegenüber einer Mietwohnung und auf höheren Wohnumfeldqualitäten beruhe, sollten diese Bedürfnisse im Mietwohnungsbau beachtet und als Kundenorientierung in die Arbeit der Wohnungsunternehmen integriert werden.

5. Gemeinschaftliche Träger
Nach Auffassung des wohnbunds ist zwischen Wohnungsunternehmen und Mietern eine neue Aufgabenverteilung erforderlich, wobei jedoch für gemeinschaftliche Lösungen, die über die einzelne Wohnung und die Wohnungseigentümergemeinschaft hinaus gehen, rechtliche Vorgaben oder Förderungen fehlen würden, z.B. benachteilige die Eigenheimzulage Genossenschaftsmitglieder gegenüber Einzeleigentümern. Da wirtschaftliche Schwierigkeiten einzelner Wohnungsunternehmen den Verkauf ganzer Siedlungen begründen, schlägt der wohnbund Modelle bewohnergetragener Bewirtschaftung mit der Übernahme finanzieller Pflichten als Alternative zum Bestandsverkauf oder zur Einzelprivatisierung vor. Hierzu hält der wohnbund zum einen notwendig, dass Bewohnerträger gefördert werden (z.B. Qualifizierungsmaßnahmen, Arbeitsplatzausstattung und die Bereitstellung von Geschäftsräumen), zum anderen sollten Genossenschaftsneugründungen gefördert werden, indem die Eigenheimzulage rechtsformneutral zur Förderung für Selbstnutzer wird.

6. Öffentliche Wohnungswirtschaft
Der wohnbund fordert, dass öffentliche Wohnungsunternehmen nicht mehr zum Verkauf angeboten werden. Ein Gesetz zum Erhalt der kommunalen Wohnungsunternehmen sei überfällig, kritisiert er und es müsse vordringliche Aufgabe der Bundespolitik werden, die durch die kommunalen Wohnungsunternehmen geleistete Grundversorgung zu fördern. In diesem Gesetz müsse die Aufgabe der Kommunen festgeschrieben sein, ausreichend Wohnungsangebote für benachteiligte Haushalte bereit zu stellen.
Weiterhin sind die Forderungen, dass die degressive Abschreibung für den Neubau von Mietwohnungen zu Gunsten einer Investitionszulage umgewandelt werden solle: So würden nicht nur steuerpflichtige Investoren begünstigt, sondern auch soziale Träger zu Investitionen angeregt und damit die soziale Wohnraumversorgung in den Kommunen gestärkt. In den Fällen, in denen Privatisierungen nicht zu vermeiden seien, sollen Modelle für eine Bevorzugung von Bewohnerträgern beim Verkauf entwickelt werden.
"Grundgesetz des Wohnens"
Um in den unterschiedlichen Regionen die Aufgaben mit differenzierten Instrumenten zu erfüllen, fordert der wohnbund, dass alle rechtlichen Regelungen und Förderprogramme des Bunds in ein "Grundgesetz des Wohnens" zusammengefasst werden. Dabei sollte es die unterschiedlichen Gestaltungsziele und Programme der Länder berücksichtigen und in novellierter Form die bisherigen Gesetze und Vorschriften betreffend Sozialer Wohnungsbau, Eigentumsförderung, Wohngeld, "Soziale Stadt" und Städtebauförderung umfassen.
Der wohnbund sieht die Aufgaben des Gesetzes in der Anpassung aller Förderinstrumente auf die regionalen Erfordernisse und der Überprüfung ihrer Effizienz. Weiterhin soll es die ausreichende Bereitstellung insbesondere von Mietwohnungen dauerhaft sicherstellen.
Anstelle einer Weiterführung der Deregulierungspolitik soll so eine Zielbestimmung vorgegeben werden, die die Länder dann mit eigenen Richtlinien füllen und die darüber hinaus hohe Entscheidungsfreiheit auf der Projektebene gewährt. Das MieterEcho wird ggf. über die Ergebnisse des Kongresses berichten. (Wenn es sich lohnt...)
Gegründet wurde der wohnbund 1983. Er knüpft an die wohnreformerischen Bewegungen zum Beginn des 20.Jahrhunderts und die verschiedenen Selbsthilfebewegungen seit den 70er Jahren an und möchte der herkömmlichen Wohnungspolitik Alternativen gegenüberstellen sowie wohnpolitische Initiativen und Projekte fachlich unterstützen.

Eine novellierte Eigentumsförderung muss mit qualitativen Anforderungen an das Objekt (z.B. Grundflächenverbrauch, Energieverbrauch, ökologische Baumaterialien) verknüpft werden. *

Neben der unterschiedlichen Verteilung von Arbeit polarisiert sich zusätzlich die Verteilung von Einkommen und (erarbeitetem und ererbtem) Vermögen. Dieses Ungleichgewicht ist die wirtschaftliche Triebkraft für die stadträumliche Trennung von Milieus und Haushalten unterschiedlichen Einkommens bzw. Vermögens und verstärkt so den Prozess der sozialen Entmischung in den Wohnquartieren.*

* Positionspapier zum wohnbund-Kongress "Neue Herausforderungen an die Wohnungspolitik", Hamburg, 2001

Weitere Informationen unter:
wohnbund e.V.
Verband zur Förderung wohnpolitischer Initiativen
Aberlestraße 16 /Rgb.
81371 München
Tel: 089 - 74 68 96 11
Fax: 089 - 7 25 50 74
www.wohnbund.de

 

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