MieterEcho
Nr. 284 - März/April 2001

Genossenschaften als Bestandteil sozialer Stadtentwicklung

 

Barbara König

In der letzten Ausgabe des MieterEchos (Nr. 283) stieß ich auf einige Deutungen der aktuellen Situation neuer Wohnungsgenossenschaften, die ich nicht unkommentiert lassen möchte. In den meisten Artikeln zum Schwerpunktthema dieses Heftes "Hoffen auf Genossenschaften" wird die Ablehnung der Privatisierungspolitik des Landes Berlin mit einer Kritik an Wohnungsgenossenschaften undifferenziert nebeneinander gestellt. Dadurch wird der Eindruck erzeugt, die neuen Bestandsgenossenschaften seien grundsätzlich Produkt und Ausdruck einer schlechten Wohnungspolitik und letztlich zum Nachteil der Mieter. Diese Darstellung bedarf einer Differenzierung, die ich nachtragen möchte, um das Potenzial der neuen Wohnungsgenossenschaften für die Bewohner und die Stadtentwicklung losgelöst von den Irrtümern der aktuellen Wohnungspolitik aufzeigen zu können.

Die Wohnungsgenossenschaft ist in erster Linie eine Rechtsform. Die gesetzliche Festlegung der Genossenschaft sagt nichts über ihre soziale Orientierung oder die Motive ihrer Mitgliedschaft aus. Zwar unterscheiden ihre allgemeinen Prinzipien (siehe ME 283, S. 6), also die Gleichsetzung von Anteilseigner und Nutzer, die Non-Profit-Orientierung und die demokratische Mitbestimmung, die Genossenschaft grundsätzlich von anderen Rechtsformen. Wie sich eine Wohnungsgenossenschaft gestaltet, welche Förderziele sie in ihrer Satzung verankert und was ihre langfristigen Handlungsvorgaben sind, ist jedoch variabel. Auch ist in der Genossenschaft nicht garantiert, dass die Mitglieder ihre Mitbestimmungsmöglichkeiten tatsächlich wahrnehmen, die Bedürfnisse der Bewohner übereinstimmen oder die Genossenschaftsfunktionäre grundsätzlich im Sinne der gesamten Mitgliedschaft handeln.

Dass die soziale Orientierung der Genossenschaft nicht selbstverständlich ist, zeigen manche Beispiele der alten, zum Teil mehr als hundert Jahren bestehenden Wohnungsgenossenschaften. Sie unterscheiden sich durch ihre versteinerten, hauptsächlich dem Selbstzweck dienenden Strukturen und die jahrzehntelange Vernachlässigung des Genossenschaftsgedankens in ihren Entscheidungen kaum noch von rein kommerziellen Anbietern. Grundsätzlich können Wohnungsgenossenschaften aber sozial ausgerichtet sein und sich kontinuierlich bewohnerfreundlich entwickeln. Sie sind hierfür eher prädestiniert, als jede andere private Wohneigentumsform. Jede Wohnungsgenossenschaft kann entsprechend gestaltet werden. Die soziale Ausrichtung der Genossenschaften muss jedoch explizit in der Satzung verankert und ihre Umsetzung langfristig kontrolliert werden, wenn sie dauerhaft den Zielen einer "sozialen Stadtentwicklung" dienen soll: Stabilisierung der Mieten im Quartier und Schutz vor Verdrängung der bestehenden Bewohnerschaft.

Privatisierung kommunaler Wohnungsbaugesellschaften

Die meisten aktuellen Berliner Genossenschaftsprojekte sind in Reaktion auf die Verkaufspläne kommunaler Wohnungsbaugesellschaften entstanden. Sie sind Bemühungen, die politisch gewollte Privatisierung der öffentlichen Wohnungsbestände zum Nutzen der Bewohner und nicht irgendwelcher Investoren geschehen zu lassen. Das heißt aber nicht, dass durch diese Projekte gleichzeitig die Privatisierungspolitik des Landes Berlin gutgeheißen wird. Die AutorInnen des MieterEchos kritisieren zu Recht, dass die Stadt mit dem Ausverkauf ihrer Wohnungsbestände langfristig das effektivste Steuerungsinstrument ihrer Wohnungspolitik aus der Hand gibt. Sie verliert so Bestände, mit denen sie bisher Wohnungsnotlagen auf dem freien Markt ausgleichen konnte. Und sie riskiert, dass die soziale Entmischung in den Quartieren weiter zunimmt, da die wenigen bei der Stadt verbleibenden Bestände zu Sammelstellen für ‚soziale Problemfälle' degenerieren. Für die Entscheidungen der profitorientierten Unternehmen, die die kommunalen Wohnungsbestände in der Regel übernehmen (denn Mietergenossenschaften sind weiterhin quantitativ die Ausnahme), spielen Aspekte einer sozialen Wohnungswirtschaft keine Rolle. Trotzdem hält die Stadtpolitik an den Privatisierungen fest. Um Höchstpreise zu erzielen und kurzfristig Gewinne zu realisieren, ignoriert sie die Belange der Bewohner. Die wenigen Genossenschaftsprojekte stellen dabei nur sehr notdürftige Feigenblätter dar. Endgültig schizophren wird die Privatisierungspolitik, wenn angeblich aus Finanzdruck gehandelt, dann aber an neue Wohnungsgenossenschaften verkauft wird, aber diese dann nur mit Hilfe immenser öffentlicher Mittel realisiert werden können.

In den meisten Punkten nicht zutreffend ist allerdings die Kritik an den Genossenschaftsprojekten, die versuchen, aus dieser fatalen politischen Situation das Beste zu machen. Einerseits wird kritisiert, dass Wohnungsgenossenschaften nur vorgeblich stärker sozial orientierte Eigentümer seien als die üblichen verwertungsorientierten Gesellschaften (vgl. ME 283 u.a. S. 6). Andererseits wird bemängelt, dass die Stadt nun einen Großteil ihrer Fördermittel des Programms ‚Soziale Stadterneuerung' gebe und somit nur noch wenig verbliebe, um die ‚bösen' profitorientierten Eigentümer zu disziplinieren. Was trifft denn nun zu? Wenn die Genossenschaft als Vermieterin auch nicht besser ist als jede andere GmbH, GbR oder GmbH & Co KG, dann ist es doch nur gerechtfertigt, dass auch sie über die Fördermittel der Stadt zu einer einigermaßen sozial verträglichen Gestaltung der Sanierung und ihrer finanziellen Auswirkungen gezwungen wird. Wenn sie aber als Eigentümerin doch den profitorientierten Großinvestoren vorzuziehen ist, dann sollte es wiederum erstrebenswert sein, dass sie durch öffentliche Fördermittel ermöglicht wird. Denn dann wäre ja damit ein Ziel der sozialen Stadterneuerung erreicht. Darüber hinaus darf man natürlich fordern, dass die Stadt insgesamt mehr Mittel in die soziale Stadterneuerung steckt, um ihre Ziele noch effektiver durchzusetzen. Die Behauptung, die Mittel für die Sanierung der Bestände der Wohnungsgenossenschaften seien quasi verschwendet, ist jedoch unsinnig (zumal das Programm ‚Soziale Stadterneuerung' kaum ausgebucht ist und noch kein anderer Eigentümer wegen der Vergabe der Mittel an Genossenschaften eine Ablehnung erhalten hat).

Finanzielle Förderung

An anderer Stelle wird den Wohnungsgenossenschaften jedoch generell vorgeworfen, dass sie stets von staatlicher Förderung abhängen (vgl. ME 283, S. 10), als sei die Inanspruchnahme von öffentlicher Förderung und die Akzeptanz der damit verbundenen Bedingungen etwas grundsätzlich Verwerfliches. Dabei ist der Vorwurf pauschal nicht einmal zutreffend für die Genossenschaften. Die Tatsache, dass Wohnungsgenossenschaften zumeist mit Hilfe öffentlicher Förderung umgesetzt werden, hängt vielmehr damit zusammen, dass sie Wohnraum auch für untere Einkommen herstellen. Nicht die Wohnungsgenossenschaften per se, sondern die einkommensschwachen Bewohner sind auf Förderung angewiesen und zwar in egal welcher Wohnform. Theoretisch sind auch freifinanzierte Wohnungsgenossenschaften mit ausschließlich wohlhabenden Mitgliedern denkbar. Sie werden nur selten realisiert.

Berücksichtigung der Bewohnerbedürfnisse

Hinsichtlich der Förderung sollte also vielmehr die Frage gestellt werden, wie die öffentliche Hand das Wohnen jener Bevölkerungsteile sichert, die auf dem freien Markt einen zu hohen Anteil ihres Einkommens für eine akzeptable Wohnung aufwenden müssten, oder schlichtweg ansonsten keine bekommen. Dabei trifft die Unterscheidung zwischen Förderung des Mietwohnungsbau und der Eigentumsförderung (vgl. ME 283, S. 6) nicht zu. Solange die Stadt keinen öffentlichen oder zumindest langfristig gebundenen Wohnungsbau mehr durchführt, ist auch die Förderung von Mietwohnungsbau zuvörderst die finanzielle Begünstigung privater Eigentümer. Sowohl die Subjektförderung durch Wohngeld als auch die Objektförderung durch Steuererleichterungen für die Investoren kommt vorwiegend den privaten Besitzern der Mietwohnungen zugute und nicht deren Mietern. In der Genossenschaft hingegen profitieren die Bewohner/Mitglieder von der Subjekt- und der Objektförderung, da sie Nutzer und Eigentümer in einem sind. Wenn zudem die öffentliche Förderung so gebunden ist, dass sie nur den Bedürftigen und nicht den Bessergestellten zufließt - in Hamburg wird dies z.B. durch einkommensabhängige Mieten sichergestellt - ist die direkte Unterstützung der Genossenschaft sicherlich eine Alternative zur indirekten Begünstigung profitorientierter Investoren. Wenn denn auch die ärmsten ihrer Bewohner durch die Kommune befähigt werden, Mitglieder der Genossenschaft zu werden (wie das inzwischen die Bezirksverwaltung Pankow den Sozialhilfeempfängern der Bremer Höhe ermöglichen will, indem sie diesen die Genossenschaftsanteile finanziert, die bei Auszug wieder an den Bezirk abzutreten sind), ist der Erhalt der Bewohnermischung tatsächlich möglich. Dann ist auch die Spaltung zwischen Mitgliedern und Mietern nicht mehr zwangsläufig. Deswegen lasse ich ebenso wenig das Argument, alte Bewohner seien den Strapazen der Sanierung nicht gewachsen und müssten deshalb ausziehen (vgl. ME 283, S. 13), als berechtigte Kritik an der Genossenschaft gelten. Zur Sanierung verpflichtet sich jeder Käufer kommunaler Bestände - egal ob Genossenschaft oder Kapitalgesellschaft. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Genossenschaft dabei eher auf die individuellen Bedürfnisse und Ängste ihrer Bewohner eingeht, ist groß. An dieser Stelle müsste doch vielmehr die Politik kritisiert werden, die eine umfassende Sanierung zur Bedingung ihrer Kauf- und Förderverträge macht. Sie schließt die Möglichkeit aus, sukzessiv in kleinen Schritten zu sanieren, so dass die Bedürfnisse und Möglichkeiten der einzelnen Mieter berücksichtigt werden können. Die Sanierungsziele und -verfahren müssen hinterfragt werden. Es ist ohne weiteres denkbar, dass umfangreiche Modernisierungen wie der Einbau eines Bades oder einer Heizung nur dort bzw. dann durchgeführt werden, wenn die Bewohner dies auch wünschen und die entsprechend höhere Miete bezahlen können. Die Genossenschaften kämen der gewünschten sozialen Orientierung näher, wenn sie ihren Mietern einen solchen Spielraum ermöglichen könnten. Dies ist aber gegen die Zustimmung der Förderer zur Zeit nicht durchzusetzen (zudem wären dadurch z.B. ökologische Gesamtmaßnahmen wiederum ausgeschlossen). Immerhin lassen sich in der Genossenschaft die Mitbestimmungsmöglichkeiten auch dahingehend nutzen, eigenständig eine Fürsorge für die von der Sanierung am stärksten Betroffenen zu organisieren. Das setzt aber den Willen und das Engagement der Mitglieder voraus, also Erfordernisse, die den AutorInnen des MieterEchos wahrscheinlich zu sehr nach staatlich propagiertem Bürgerengagement klingen. Absurd wird die Kritik, wenn der bürokratische Aufwand für die Beantragung der öffentlichen Fördermittel für die Mitglieder als Argument gegen die neuen Wohnungsgenossenschaften angebracht wird (vgl. ME 283,
S. 13). Immerhin erhält, wer diese - zugegeben lästigen - Schwierigkeiten meistert (auch hierfür ließe sich genossenschaftlich organisierte Unterstützung einrichten), zwischen 2.300 DM und DM 10.000 DM(!) vom Staat geschenkt. Auch bedeutet das Zeichnen von Geschäftsanteilen der Genossenschaft für das Mitglied nicht, wie auf Seite 15 (ME 283) behauptet, eine Verschuldung. Vielmehr gibt das Mitglied seiner Genossenschaft ein Darlehen, das es bei Austritt wieder zurückerhält - plus der in Anspruch genommenen Förderung.

Gemeinschaftseigentum als Zwischenlösung

Dass die öffentliche Förderung der Genossenschaftsmitglieder an die sogenannte Eigentumsorientierung ihrer Genossenschaft gebunden ist, ist der treffende Punkt der Kritik. Dabei haben sich die Genossenschaften diese Bedingungen nicht selbst ausgesucht. Sie sind das Ergebnis eines langen Tauziehens zwischen der damals noch regierenden CDU und der rot-grünen Opposition um eine Förderung der Wohnungsgenossenschaften auf Bundesebene. Heraus kam die unsinnige Einbettung der Förderung in das Eigenheimzulagengesetz, die staatliche Förderung für Häuslebauer, gebunden an die Verpflichtung der Genossenschaften, ihre Wohnungen auf Wunsch an die einzelnen Mitglieder zu verkaufen - die Eigentumsorientierung. Mit dieser Regelung ist niemand wirklich glücklich, am wenigstens die Genossenschaften. Sie entspringt dem Eigentumsdogma, das die bundesdeutsche Wohnungspolitik beherrscht. Und sie zeigt einmal von Neuem, dass in diesem Staat nur solches Eigentum, das individuell verwertet werden kann und somit ein persönlich bezifferbares Vermögen darstellt, als echtes Eigentum gilt. Gemeinschaftseigentum wird höchstens als Zwischenlösung auf dem Weg zu diesem ‚wahren' Eigentum hingenommen.

In der Realität bedeutet diese Verpflichtung zur Umwandlung auf Anfrage für die Wohnungsgenossenschaften eine Zeitbombe. Mit der Eigentumsorientierung wird ein Prinzip in die Satzung mitaufgenommen, das dem Genossenschaftsgedanken diametral entgegen steht. Sollten die Mitglieder in großem Umfang von ihrem Kaufrecht Gebrauch machen, bedeutet das für die Genossenschaft auch die Hinfälligkeit all ihrer wirtschaftlichen Planungen bis hin zum finanziellen Aus. Unter der Bewohnerschaft erzeugt die Aufteilung in Mitglieder und Einzeleigentümer eine unüberbrückbare Spaltung. Aber die neuen Genossenschaften nehmen dieses schwelende Risiko hin, da sie in ihrer Finanzierung auf die öffentliche Förderung angewiesen sind. Einzig die Genossenschaftsprojekte in Hamburg verzichten auf den entsprechenden Passus in ihrer Satzung, da das Land Hamburg die Förderung eigentumsorientierter Genossenschaften explizit ausschließt. Hier sind die landespolitischen Vorgaben bewusst gegen die bundespolitischen Entscheidungen gerichtet. Aber die Förderung der Wohnungsgenossenschaften hat in Hamburg, und leider nur dort, einen so hohen Stellenwert, dass dortige Genossenschaftsprojekte getrost und glücklich auf die Bundesförderung verzichten. Von dieser Situation können die Berliner nur träumen.

Was wäre nun in Berlin die Alternative zur eigentumsorientierten Genossenschaft? Solange die Berliner Wohnungspolitik ihre Zielsetzung nicht überdenkt, die Privatisierung fortführt und die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften vordringlich nach Wirtschaftlichkeitskriterien handeln lässt (vgl. ME 283, S. 18), können weder neue Wohnungsgenossenschaften noch die verbleibenden kommunalen Bestände eine bewohnerfreundliche Wohnraumversorgung gewährleisten. Das im MieterEcho Nr. 283 auf Seite 21 angepriesene Modell für Gemeinschaftseigentum, beschrieben im Buch Mieter kaufen gemeinsam ihr Haus - das Modell der Zukunft, Hamburg 1997 von Udo Reifner, ist sicherlich keine Alternative. In diesem Modell kauft eine durch die Bewohner gegründete Gesellschaft mit Hilfe fremder Kapitalanleger das gemeinsame Haus. Die Mieter, die nicht jetzt und hier eine Eigentumswohnung kaufen können, bezahlen nach und nach ihre Wohnung ab, um am Ende deren Eigentümer zu sein. Auch hier ist also das Gemeinschaftseigentum nur ein Mittel auf dem Weg zum Individualbesitz. Am Ende steht ganz profan ein Haus voller Eigentumswohnungen, die individuell verkauft werden können. Gerade der persönliche Gewinn, der beim Verkauf erzielt werden kann, wird im Buch als Vorteil gegenüber der Genossenschaft hervorgehoben. Spekulation mit der Wohnung und die mit Verkäufen in der Regel verbundenen Erhöhungen der Wohnkosten sind
also in diesem Modell keineswegs ausgeschlossen.

In der Rezension des Buches wird jedoch nicht erwähnt, wie abhängig die Mieter während der Zeit des Abbezahlens von dem höchst komplizierten Eigentümergebilde sind, einer GmbH & Co KG, an deren Fonds auch fremde Geldgeber beteiligt sein sollen, die allerdings ein reines Verwertungsinteresse haben. Im Gegensatz zur gesetzlich klar geregelten Genossenschaft stellt dieses Gesellschaftsgebilde ein Konstrukt mit vielen Unwägbarkeiten dar, in das die Mieter große Summen hineinstecken. Im Gegensatz zu Ratenzahlungen gehört ihnen ihre Wohnung aber erst am Ende, wenn der notwendige Betrag zusammen ist. Ebenso wird verschwiegen, dass in diesem Abzahlmodell die sozialen Unterschiede der bisherigen Mieter besonders deutlich werden: Kapitalstarke Mieter kommen schneller in den Genuss eines Eigenheims, während jene Bewohner mit wirklich wenig Geld auch in diesem Modell, selbst über viele Jahre hinweg, kaum eine Chance haben, ihre Wohnung zu erkaufen. Sie bleiben Mieter. Aber auch für dieses ‚Problem' hat das Buch eine Lösung. Diese Mieter können ja zur Not von der Besitzerin, der Fondsgesellschaft GmbH & Co KG gekündigt werden - ganz legal wegen Hinderung angemessener wirtschaftlicher Verwertung (vgl. im o.g. Buch S. 25-26)! Ist das die bessere Antwort auf die Privatisierungspolitik als die Wohnungsgenossenschaften?

Soziale Wohnungswirtschaft

Letztlich zeigt sich die Hilflosigkeit der Kritik, die der Genossenschaft die Ergebnisse einer verfehlten Wohnungspolitik vorwirft, deren Verursacher diese Gesellschaftsform weder ist noch sein kann, dass sie einer theoretischen Schwarzweißaufteilung zwischen ‚guten' Mietern und ‚bösen' Vermietern entspringt, die keinen Platz für den seltsamen Zwitter Genossenschaft lässt. Aus dieser Position heraus können die Genossenschaftsprojekte in ihrem Kampf gegen den Verkauf an einen Investor, nach der Erreichung ihres Ziels jedoch nicht mehr gutgeheißen werden, da sie nun dem anderen Lager zuzurechnen sind. Hinzu kommen die alten Einwände, die auch die sozialistische Arbeiterbewegung gegenüber den frühen Wohnungsbaugenossenschaften hatte (dass Wohnungsgenossenschaften aus der Arbeiterbewegung entsprungen wären, ist eine Mär): Sie sahen in diesen partikulären Projekten Kräfte gebunden, die so für den generellen Klassenkampf verloren waren. Dies war damals eine berechtigte Position. Ob sie noch heute zweckmäßig sind, bzw. wie man in der aktuellen Situation Kräfte gegen die Wohnungspolitik des Landes mobilisieren kann, darüber müsste man streiten. Den neuen Wohnungsgenossenschaften die Privatisierungspolitik des Berliner Senats oder gar die vorherrschende Neoliberalismusdogmatik vorzuwerfen, ist nicht nur völlig deplaziert, es schwächt auch die engagierten, gegen die spekulative Verwertung ihres Wohnraums und die damit einhergehende Verdrängung der schwächsten Bewohner gerichteten Genossenschaftsversuche, die mit ausreichender - nicht nur finanzieller - Unterstützung durchaus Erfolg haben können.

Es sollte in der Kritik nicht um öffentliche Wohnungsbaugesellschaften versus Genossenschaften gehen, sondern um die Etablierung einer wirksamen sozialen Wohnungswirtschaft versus den Rückzug aus der Wohnungspolitik. Wäre es nicht sinnvoller, sich als ‚Mieterbewegung' gemeinsam mit der ‚Genossenschaftsbewegung' dafür einzusetzen, dass zum einen Fesseln wie die Bedingungen der Eigentumsorientierung abgeschafft und die hohen sozialen Ansprüche an das Modell Genossenschaft auch langfristig verwirklicht werden und zum anderen die Regierenden solche Erfolge nicht für ihre Propaganda vereinnahmen und sich auf den selbst aufgesetzten Lorbeeren ausruhen können?

 

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