MieterEcho
Nr. 284 - März/April 2001

Woran misst sich der Erfolg einer neuen Genossenschaft?

 

Das Thema Wohnungsgenossenschaften stand im Mittelpunkt der letzten Ausgabe des ME. Die Beiträge befassten sich teilweise mit historischen, aber vor allem mit den aktuell diskutierten widersprüchlichen Aspekten des Genossenschaftswesens. Bezogen auf das Schwerpunktthema erreichten die Redaktion zwei LeserInnenbriefe: Barbara König, Beiratsmitglied der "Bremer Höhe", nimmt Stellung zu den neuen Genossenschaften, indem sie deren Potenziale für die Bewohner und die Stadtentwicklung beschreibt.

Die Geschäftsführerin des Genossenschaftsforums e.V. Barbara von Neumann-Cosel bezieht sich auf den Kommentar "Genossenschaften - Clevere Alternative oder Krämerladen?" und stellt dar, dass insbesondere in Berlin sich seit mehr als 100 Jahren eine breitgefächerte Genossenschaftsbewegung gegen Missstände in der Wohnraumversorgung wendet.

Beide LeserInnenbriefe wurden durch die Redaktion beantwortet, nachfolgend sind sowohl die Briefe als auch die Antworten als Beiträge veröffentlicht.

Diese Beiträge werden ergänzt durch das Interview mit Rainer Schubert, dem Vorstandssprecher der Mietergenossenschaft Wöhlertgarten.

Die Redaktion des MieterEchos meint, das Thema "Genossenschaft" mit dieser Ausgabe zunächst abschließend bearbeitet zu haben, würde aber gerne weitere Meinungen, Stellungnahmen oder Erfahrungsberichte entgegennehmen. Die Diskussion ist eröffnet.

Interview mit dem Vorstandssprecher der Mietergenossenschaft Wöhlertgarten, Rainer Schubert am 08. 04. 2001

In der letzten Ausgabe des MieterEchos unterzog Wilfried Jung die Mietergenossenschaft Wöhlertgarten einer kritischen Betrachtung (ME 283, S.13). Seine Hauptkritikpunkte waren die Differenzierung der Bewohnerschaft in "gute" GenossInnen und "böse" MieterInnen sowie die Vernachlässigung von Mitbestimmung und dem Erhalt der Bewohnerstruktur in der Genossenschaft. Sein daraus folgendes Resümee: "Die Umwandlung kommunalen Wohneigentums in Genossenschaftseigentum ist jedenfalls nicht mieterfreundlich." Eine Kritik an dieser Kritik und wichtige Aspekte des "Für" und "Wider" des Genossenschaftswesens erläutert Herr Rainer Schubert, Sprecher des Vorstands der Mietergenossenschaft Wöhlertgarten im folgenden Interview:

ME: Gibt es "gute" GenossInnen und "böse" MieterInnen im Wöhlertgarten oder anders gefragt, gibt es Interessenskonflikte zwischen MieterInnen und GenossInnen?

Schubert: Die Fragestellung nach "gut" und "böse" stellt sich in dieser Form gar nicht. Natürlich braucht eine Genossenschaft GenossInnen, und zwar möglichst viele. Prinzipiell bedeutet dies aber keinen Zwang, sondern die Aufforderung an jene, die können, Genosse oder Genossin zu werden und wer nicht kann oder will, muss eben auch nicht. Grundsätzlich sollten GenossInnen und MieterInnen das gemeinsame Interesse haben, dass die Genossenschaft funktioniert und auf soliden Beinen steht. Nur so sind sozialverträgliche Mieten zu erreichen. Es gibt keine Vorbehalte gegen MieterInnen oder gar eine Verdrängung von ihnen.

ME: Welchen Rückhalt hat die Genossenschaft bei den BewohnerInnen und wie hat sich die BewohnerInnenstruktur im Wöhlertgarten seit der Gründung der Genossenschaft verändert?

Schubert: Bis 1998, also vor der Gründung der Genossenschaft, waren ca. 100 der 130 Wohnungen bewohnt. Am 17. Juni 1999 fand die Gründungsversammlung der Genossenschaft statt. 42 Gründungsmitglieder beschlossen die Satzung und erklärten mit ihrer Unterschrift den Beitritt. Bis zur Anmeldung im Genossenschaftsregister schlossen sich weitere 19 Mitglieder an. Eine Veränderung der BewohnerInnenstruktur hatte bereits vor der Gründung der Genossenschaft begonnen, was auch auf die unklaren Verhältnisse um den geplanten Verkauf des Wöhlertgarten an die Immobilien-Bau-Contor GmbH (IBC) und deren Sanierungs- und Modernisierungsvorhaben zurückzuführen war. Diese Ungewissheit hatte zur Folge, dass vor allem ältere und besser situierte Leute weg zogen. Gut verdienende Familien erwarben "richtiges" Eigentum im Umland; ältere Bewohner scheuten den Umzug in eine Umsetzwohnung und den Rückzug nach wenigen Wochen in das dann vollsanierte Haus. Diese Tendenz hält noch an. Dennoch sind ein gutes halbes Dutzend Rentner fest entschlossen, die Sanierung im Wöhlertgarten zu überstehen und arbeiten teilweise aktiv in der Genossenschaft mit.

ME: Welche organisatorischen und arbeitstechnischen Voraussetzungen waren für die Genossenschaftsgründung notwendig?

Schubert: Die Genossenschaftsidee entstand mit dem geplanten Verkauf des Wöhlertgarten durch die Wohnungsbaugesellschaft Mitte mbH (WBM) an die IBC und dem folgenden Protest der MieterInnen. Lediglich gegen den Verkauf zu sein, bedeutete aber noch keine Alternative. Um den Verkauf an die IBC zu verhindern, wurde deren Mitarbeitern der Zugang zu Wohnungen für Vermessungsarbeiten durch die MieterInnen verwehrt und gleichzeitig wöchentliche MieterInnentreffen abgehalten. Hier wurde die Idee der Gründung einer Genossenschaft bereits erörtert. Im November 1998 fand auf Einladung von Bezirksbürgermeister Joachim Zeller (CDU) und Baustadtrat Dr. Flierl (heute PDS) unter Einbeziehung der WBM, IBC, Abgeordneten sowie JournalistInnen und betroffenen MieterInnen eine große, öffentlichkeitswirksame Versammlung statt, die unter die Verwertungspläne der IBC einen endgültigen Schlussstrich zogen - die IBC hat kurz darauf von ihrem Kaufinteresse Abstand genommen. Im Januar 1999 signalisierte die WBM, das Genossenschaftsmodell zu unterstützen. Es begann das intensive Studieren und Ausarbeiten einer Genossenschaftssatzung und der Finanzierungsmöglichkeiten dieses Vorhabens. Das war der Einstieg in eine lange Phase, in der sich intensive hoffnungsvolle Arbeit mit immer neuen Enttäuschungen verbanden. Heute - nach zwei Jahren - haben wir die neue Genossenschaftsrichtlinie mit auf den Weg gebracht und verfügen als ehemals völlige Laien über reichhaltige Erfahrungen, die wir gerne weitergeben.

ME: Die Tragfähigkeit einer Genossenschaft hängt maßgeblich von der Anzahl der GenossInnen ab. Wie viele MieterInnen verkraftet eine Genossenschaft oder wie hoch muss der Anteil an GenossInnen mindestens sein?

Schubert: Eine Faustregel zur Tragfähigkeit einer Genossenschaft lässt sich aus den bisherigen Erfahrungen noch nicht ableiten. Zu den derzeitigen Förderbedingungen gehört, dass 20% der BewohnerInnen Genossenschaftsanteile erwerben. Diese Zahl ist im Fall des Wöhlertgarten weit überschritten, was damit zusammenhängt, dass sich der oben beschriebene massive Protest der MieterInnen gegen den Verkauf an die IBC formierte. Aus dieser Mobilisierung von "unten" entstand letztendlich die Idee und der Rückhalt der Genossenschaft Wöhlertgarten. Nach der derzeitigen Finanzierungsplanung sollten 70 Mietparteien der Genossenschaft angehören, um auf einen Eigenkapitalanteil von 700.000 DM zu kommen. Bei im Moment noch gut 80 Mietparteien gehen wir zur Zeit von 40 GenossInnen aus. Gesucht sind also sowohl MieterInnen als auch - natürlich besonders - GenossInnen.

ME: Welche finanziellen Voraussetzungen muss ein künftiger Genosse oder eine künftige Genossin erbringen?

Schubert: Der Genossenschaftsanteil beträgt bei uns 10.000,- DM. Durch einen zinslosen Kredit von 8.000,- DM und der Eigenheimzulage zwischen 2.400,- und 10.000,- DM werden besonders Familien mit mehreren Kindern begünstigt. Die Förderung ermöglicht auch Sozialhilfeempfängern Mitglied zu werden. Voraussetzung ist grundsätzlich eine Angemessenheitsbescheinigung des Wohnungsamtes. Allerdings muss sehr viel Bürokratie bewältigt werden, zunächst für die Angemessenheitsbescheinigung, durch welche das Nichtüberschreiten einer bestimmten Einkommensgrenze bescheinigt wird. Dann gilt es, einen Berg von Formularen zu bearbeiten und Unterlagen bereit zu stellen für das Finanzamt und die Investitionsbank Berlin (IBB). Der bürokratische Aufwand für künftige GenossInnen ist nicht ohne weiteres allein zu bewältigen. Der Vorstand hilft mit Rat und Tat, aber auch mit Ermutigung.

ME: Ein Kritikpunkt in Herr Jungs Beitrag im letzten ME war die Vernachlässigung der Mitbestimmung. Wie funktionieren Kommunikation und Entscheidungsfindung zwischen Vorstand, Aufsichtsrat, GenossInnen und MieterInnen?

Schubert: Im Wöhlertgarten gab es seit jeher enge nachbarschaftliche Beziehungen: Jeder kennt beinahe jeden. Kommunikation findet also permanent statt. MieterInnen wie GenossInnen wenden sich mit großen und kleinen Problemen nach wie vor an die Leute, die hier schon immer aktiv oder Interessenvertreter waren und heute meist im Vorstand oder Aufsichtsrat arbeiten. Beide Gremien tagen zur Zeit mindestens einmal wöchentlich, meist über viele Stunden. In der derzeitigen Planungsphase, die den Sanierungsbeginn in Kürze anstrebt, kann der Vorstand aber nicht mehr für jede Entscheidung, die einen gewissen Rahmen überschreitet, eine Vollversammlung einberufen - damit wären wir praktisch handlungsunfähig.

ME: Weitere wichtige Aspekte für die Entwicklung einer Genossenschaft sind Bestandsgröße und der Kaufpreis. Wie groß muss der Bestand einer Genossenschaft mindestens sein und zu welchem Preis wurde der Wöhlertgarten erstanden?

Schubert: Auch hier ist es schwierig, konkrete Zahlen zu nennen. Ich denke, dass es bezüglich der Bestandsgröße verschiedene Optima geben wird. Fragen Sie mich mal in acht bis zehn Jahren wieder. Etwas anderes ist das mit dem Kaufpreis. Das Verkehrswertgutachten ermittelte für den Wöhlertgarten einen Preis von 7,5 Millionen DM, was einem Quadratmeterpreis von 701,43 DM entspricht. Dies war der für uns sehr hohe Kaufpreis, den auch die IBC zu zahlen gehabt hätte. Das Problem ist nun aber für das Land Berlin, dass wesentlich mehr öffentliche Mittel aufgewendet werden müssen, um der Genossenschaft den erforderlichen Ankaufkredit dafür zu gewähren - das ist die zentrale Neuerung in der "Genossenschaftsrichtlinie 2000".

ME: Bei der Genossenschaft Wöhlertgarten handelt es sich um eine sogenannte "eigentumsorientierte" Genossenschaft. Welche Bedeutung hat diese Genossenschaftsform für die Förderung durch Senatsmittel und welche Konsequenzen ergeben sich aus der Eigentumsorientierung in der Praxis?

Schubert: Zu den Fördermöglichkeiten für den Erwerb eines Genossenschaftsanteils habe ich bereits etwas gesagt. Über den Eigenheimzulagenanspruch kann ein Teil des zinslosen Darlehens der IBB getilgt werden. Daneben erhält die Genossenschaft eine Förderung für den Kauf des Bestands. Diese Fördermittel sind an die Auflage der "Eigentumsorientierung" gebunden. Dieser Aspekt hat für die kommenden acht Jahre zunächst keine Relevanz, da in dieser Zeit eine Umwandlung in Eigentum ausgeschlossen ist. Aber auch über diesen Zeitrahmen hinaus sind die bürokratischen Hürden für die Umwandlung in Eigentumswohnungen nicht unerheblich. Ich habe außerdem die Hoffnung, dass die BewohnerInnen des Wöhlertgarten die Vorzüge der Genossenschaft dem privaten Eigentum vorziehen werden. Ich bin der Überzeugung, dass Gemeinschaftseigentum funktionieren kann - das Gegenteil ist bisher keinesfalls bewiesen!

ME: Wodurch ist es möglich, dass der Wöhlertgarten zusätzlich eine Sanierungsförderung erhält, obwohl er in keinem ausgewiesenen Sanierungsgebiet liegt?

Schubert: Die Sanierung des Wöhlertgarten ist schon eine Bedingung des Kaufvertrages. An dieser Stelle ergeben sich jedoch auch Probleme, da die Mittel zum Teil wie Absprunghilfen wirken. Das will ich kurz erläutern: Das Programm der "Sozialen Stadterneuerung" gewährt Mietern in Sanierungsgebieten Umzugshilfen und Abstandszahlungen für nicht abgewohnte Eigenleistungen wie z. B. eine selbst eingebaute Gasetagenheizung. Diese als Kompensation gedachten Mittel haben aber auch einzelne MieterInnen eingeladen, sich andere Wohnungen zu suchen. Auch die Arbeit der Mieterberatung, die sinnvoll ist, um Mieter vor der Willkür von Bauherren bei Sanierungen zu schützen, ist im Falle einer Genossenschaft nicht ohne Probleme. Hier zeigt sich das Dilemma, dass sich die involvierten Institutionen vom Bezirk und Senat sowie die IBB mit ihren Programmen noch nicht ausreichend koordinieren und es sicherlich auch Kräfte gibt, die ein Scheitern der Genossenschaft gerne sehen würden.

ME: Die Kreditverträge wurden mit der Investitionsbank Berlin geschlossen. Welche Erfahrungen haben Sie mit dieser Bank gemacht?

Schubert: Neben den beschriebenen Abstimmungsschwierigkeiten sind die Erfahrungen mit den verschiedenen Abteilungen der Bank sehr unterschiedlich. Die Beauftragte der IBB für die Förderung der Genossenschaftsanteile z.B. ist sehr engagiert. Viel schwieriger ist das Verhältnis bezüglich der Ankaufförderung. Neben dem enormen bürokratischen Aufwand, mit dem wir nicht gerechnet hatten, mussten wir so manche Überraschung erleben. So erhielten wir im Februar dieses Jahres das Kreditangebot von der IBB, welches wesentliche Voraussetzungen beinhaltete, die wir zuvor nicht kannten. Die WBM hat uns eine Rückkaufgarantie für die kommenden 15 Jahre zugesagt. Das aber reicht der IBB nicht. Sie verlangt darüber hinaus eine Landesbürgschaft, die weitere Kosten von ca. 100.000,- DM verursacht. Eine absurde Sache, da das Land den Verkauf an die Genossenschaft selbst mitbeschlossen hat und mit Fördermitteln den Erwerb möglich macht. Das ganze Finanz- und Förderungssystem ist nicht durchschaubar und sollte unbedingt transparenter werden. In der Genossenschaftsrichtlinie steht z.B. von Rückkaufgarantie und Landesbürgschaft kein Wort!

ME: Das hohe Kreditvolumen der Genossenschaft wirkt sich zwangsläufig negativ auf die Mietentwicklung aus. Woran misst sich der Erfolg ihrer Genossenschaft?

Schubert: Das Gesamtvolumen der Kredite beläuft sich auf etwa 28 Millionen DM, bei einer Laufzeit von etwas über 30 Jahren. Bislang haben sich die Mieten noch nicht verändert. Erst nach der Sanierung wird sich die Miete auf maximal 8,28 DM/m2 erhöhen und 13 Monate auf diesem Niveau bleiben. Danach gibt es über fünf Jahre jährliche Mieterhöhungen um 0,20 DM/m2 , danach um 0,25 DM/m2. Praktisch sind aber viele Mietpreise auch nach der Sanierung noch viel niedriger - für die Genossenschaft ein Problem der Ungleichheit - da für jede Wohnung, die der Mieter/Genosse weiter bewohnt, die Miete individuell berechnet wird. So angenehm die niedrigen Mieten für viele Mieter bis jetzt noch waren, für die Genossenschaft wird es nicht ganz einfach. Die MieterInnen werden im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten maximal an den Kosten beteiligt und das wird ihnen auch so mitgeteilt. Die Notwendigkeit an die obere Grenze zu gehen, ergibt sich aus den Kosten der Kredite. Unser Finanzierungsplan hat wahrscheinlich noch Lücken, zu denen wir uns noch etwas einfallen lassen müssen. Der Erfolg der Genossenschaft misst sich daran, ob wir die Entwicklung der Gesamtkosten - Miete plus Betriebskosten - in solchen Bahnen halten können, dass auch sozial Schwächere hier wohnen bleiben. Das war unser Anspruch und das bleibt unser Anspruch! Gelingt uns das nicht, sehen wir uns zumindest in dieser Hinsicht als gescheitert.

ME: Aufgrund des geplanten Verkaufs der GSW, hat sich in Kreuzberg eine Genossenschaftsinitiative gegründet. Ist unter den beschriebenen Bedingungen die Gründung einer neuen Genossenschaft die angemessene Alternative?

Schubert: Wie bereits gesagt, unter den jetzigen Bedingungen würde ich vor einem Wiederholungsfall eher warnen. Neue Genossenschaften sind keine grundsätzliche Alternative zu den bisherigen städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Dies ergibt sich aus den nicht ausreichend vorhandenen Fördermitteln, die die Verkaufserlöse aus den Veräußerungen der Gesellschaften übertreffen würden. Zur Genossenschaft gehören des Weiteren eine Menge Leute, die sich ehrenamtlich beteiligen, und noch mehr: Menschen, die die Genossenschaft tolerieren. Diese Voraussetzungen müssen intensiv geprüft werden.

ME: Ist das Genossenschaftsmodell für Sie ein Zukunftsmodell? Welchen politischen und ökonomischen Rahmen wünschen Sie sich für die Entwicklung des Genossenschaftsgedankens?

Schubert: Die Förderung von Genossenschaften mit öffentlichen Geldern hat sicherlich auch eine Feigenblattfunktion und kaschiert eher den Rückzug aus dem sozialen Fürsorgesystem als dass es ihn kompensiert. Die Kritik an Genossenschaften darf deshalb allerdings nicht so weit gehen, dass vor ihnen gewarnt wird, wie es im Falle des Wöhlertgarten geschehen ist. Eine Abwertung der gegenwärtigen Versuche - wie dem des Wöhlertgarten - finden wir unsolidarisch. Die Auseinandersetzung sollte sich meines Erachtens nach stärker auf einen Aspekt konzentrieren, der im letzten MieterEcho keinerlei Erwähnung fand und eine eher soziopsychologische Frage aufwirft. Sie betrifft die Schaffung neuer Identitäten im Nahbereich der Menschen, die sich im Rahmen neuer ökonomischer Entwicklungen und regionaler Wirtschaftskreisläufe entwickeln. Die Menschen haben mehr Freiheitsgrade mit all ihren Risiken aber auch der Möglichkeit, die größere Eigenverantwortung positiv gestaltend einzubringen. Hier könnten Genossenschaften eine positive Rolle spielen, in dem Sinne der Förderung sozialer Beziehungen, der Verantwortung füreinander und des Gemeineigentums. Genossenschaften werden in absehbarer Zeit sicherlich nicht zur Massenbewegung, aber sie können - und das als letzten Punkt - von einer soliden Basis ausgehend eine gewisse Ankerwirkung auf die Mietpreisentwicklung haben. Die bessere Alternative zur puren Eigenheimförderung sind sie allemal.

ME: Wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Das Gespräch führte Hermann Werle.


Interessierte am genossenschaftlichen Wohnen wenden sich an die

Genossenschaft Wöhlertgarten
Pflugstraße 10 / 3. Aufgang
10115 Berlin
oder telefonisch bei Herrn Schubert: 28 59 98 96

 

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