MieterEcho
Nr. 283 - Januar/Februar 2001

Unter Einrede der Vorausklage

 

von Wilfried Jung

Der Spekulant ist vertrieben, die WBM zum Verkauf an eine Mietergenossenschaft überzeugt und die Mietergenossenschaft Wöhlertgarten hat die 130 Wohnungen übernommen.

Soll dies die beste Variante für die MieterInnen sein? Zunächst wird der berlinweite Konsens vorausgesetzt, dass die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften überhaupt verkaufen müssen, und dass dieser Konsens die tatsächliche Notwendigkeit widerspiegelt, soll an dieser Stelle nicht bezweifelt werden.

Den Erhalt der Bewohnerstruktur, verträgliche Mieten und die Mitsprache bei allen wesentlichen Entscheidungen um die eigene Wohnung versprach die Gründung der Mietergenossenschaft. Und macht sie damit für alle politischen Parteien der Stadt zur besten Variante für die MieterInnen.

Ein und ein halbes Jahr mühte sich die Genossenschaft in Gründung um ein tragfähiges Finanzierungskonzept. Ein solches wurde gefunden und der Beginn der Sanierung ist für das Frühjahr vorgesehen. Finanziert wird der Kauf und die folgende Sanierung öffentlich durch Land und Bezirk und durch die Genossenschaft über Kredite und den Genossenschaftsanteil. Die Genossenschaft ist also auf eine hohe Akzeptanz der BewohnerInnen angewiesen. Gleichwohl gibt es für einen Teil der BewohnerInnen keine andere Lösung als dort wegzuziehen, wie z.B. die Alten, die sich trotz der in ihrer Wohnung zugebrachten Jahrzehnte die Strapazen der bevorstehenden Sanierung nicht zumuten mögen. Die lange Zeit bis das Finanzkonzept stand und die häufigen Verzögerungen der politisch Verantwortlichen, die sich heute die Förderung der Genossenschaften auf die Fahnen schreiben, haben dies bewirkt.

Die öffentliche Förderung ist mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden und vertreibt so einen weiteren Teil der GenossInnen. Schufa-Auskunft, Einkommensnachweis, das Einverständnis zur Zahlung des Genossenschaftsanteils "unter Ausschluss der Einrede zur Vorausklage" wirken nicht gerade ermutigend.

Zwar gibt es ein Sozialplanverfahren und somit ein Mitspracherecht für MieterInnen und GenossInnen, aber eine Differenzierung der Bewohnerschaft in "gute" GenossInnen" und "böse" MieterInnen wird für die Genossenschaft nötig. Dass auch die MieterInnen ein Mitspracherecht haben ist schlecht für die Genossenschaft, denn diese braucht viele GenossInnen wegen der Geschäftsanteile. Ebensowenig ist die Genossenschaft an Mietern, die in ihren Wohnungen bleiben und über Art und Umfang der Modernisierung gefragt werden müssen, interessiert. Leerstehende Wohnungen für neue GenossInnen braucht die Genossenschaft. Die Mietergenossenschaft wird zum Vermieter und vernachlässigt zwangsläufig ihre eigenen Ziele wie Mitbestimmung und Erhalt der Bewohnerstruktur.

Die öffentliche Förderung soll nicht durchgehalten werden. Die jährlich geplanten 3000 Wohnungen, welche berlinweit in Genossenschaftseigentum umgewandelt werden sollen, können nur noch mit sehr viel weniger öffentlichen Mittel rechnen. Zusätzlich ist die öffentliche Förderung an die Eigentumsorientierung der Genossenschaft gebunden. Die GenossInnen könnten sich mehrheitlich für den Kauf der eigenen Wohnung entscheiden und die Genossenschaft zwingen, diese dann an sie zu veräußern, was in einem Bezirk wie Mitte recht bald attraktiv sein wird. Bestehende Genossenschaften, die diese Möglichkeit zur Eigentumsbildung in ihrer Satzung ausschließen, bekommen weder diese Förderung noch können sie die Altbaubestände der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften erwerben. Aber gerade diese könnten dafür sorgen, dass Wohnraum langfristig der Spekulation entzogen wird und für MieterInnen preiswert bleibt. Die Umwandlung kommunalen Wohneigentums in Genossenschaftseigentum ist jedenfalls nicht mieterfreundlich.

 

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