Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 439 / März 2024

Weiter voran auf alten Irrwegen

Weder bei der sozialen Wohnraumförderung noch bei der Wohngemeinnützigkeit hat die Ampel-Regierung ihre Vorhaben umgesetzt

Von Andrej Holm

Der Koalitionsvertrag der selbsternannten Fortschrittsregierung aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der FDP im Jahr 2021 war vor allem rhetorisch ambitioniert: „Wir werden das Bauen und Wohnen der Zukunft bezahlbar, klimaneutral, nachhaltig, barrierearm, innovativ und mit lebendigen öffentlichen Räumen gestalten“. Doch die vorgeschlagenen Instrumente sind eher bieder und alles andere als innovativ. Insbesondere der Mix aus Fördergeldern in falsch konzipierten Programmen verfehlt bisher jede Wirkung, und die versprochenen Neubauziele werden regelmäßig verfehlt.   

Statt auf neue Strategien zur Überwindung der Wohnversorgungskrise setzte die Koalition auf Altbekanntes: Mehr Wohnungen sollten gebaut werden – 400.000 pro Jahr und 100.000 davon als geförderte Wohnungen. Die Mittel für die Soziale Wohnraumförderung sollten aufgestockt werden. Ein Förderprogramm für junges Wohnen sollte eingeführt werden. Daneben noch die erwartbaren Ankündigungen, Förderprogramme für die energetische Ertüchtigung der Wohngebäude und den altersgerechten Umbau fortzuführen, junge Familien beim Eigentumserwerb zu unterstützen, eine Förderung für Genossenschaften auf den Weg zu bringen und im Mietrecht kleinere Reformen einzuleiten. Insgesamt ein bunter Strauß an Instrumenten, die für möglichst alle was zu bieten haben: für jung und alt, für Mieter/innen und Eigentümer/innen, für Menschen in Städten und auf dem Lande. Nur einen Ausweg aus den sich verschärfenden Wohnversorgungskrisen hat der Koalitionsvertrag nicht zu bieten. 

Ein Bekenntnis zu Bauzielen baut noch keine neue Wohnung. Die Ampel-Regierung setzte im Koalitionsvertrag ungebrochen auf den Glauben an die heilende Kraft des Neubaus und erklärte das Bauen-Bauen-Bauen-Mantra zum Regierungsziel. Doch die Realität ist ernüchternd: In den ersten zwei Jahren wurden gerade einmal 270.000 Wohnungen pro Jahr fertiggestellt. Das entspricht nicht einmal 70% der Zielvorgaben. Noch größer ist die Diskrepanz zwischen Versprechen und Umsetzung bei den Sozialwohnungen. Statt der angekündigte 100.000 geförderten Wohnungen wurden nur etwa 25.000 Sozialwohnungen pro Jahr gebaut.  

Fördermittel werden verschwendet

Ein Vergleich der freifinanzierten und geförderten Bauaktivitäten zeigt, dass das Scheitern der Neubauziele vor allem auf den fehlende Neubau von geförderten Wohnungen zurückzuführen ist. Während von den 300.000 freifinanzierten Wohnungen im Jahr 2022 etwa 270.000 (90%) und im Jahr 2023 immerhin noch 220.000 (73%) der angestrebten Neubauten realisiert wurden, hinken die Fertigstellungszahlen im geförderten Bereich mit gerade einmal 25% deutlich hinterher. 

Die inzwischen erhöhten Fördersummen sollen für den Gesamtzeitraum 2022 bis 2027 über 18 Milliarden Euro betragen und werden vom Ministerium stolz als „historischen Mittelaufwuchs“ beschrieben. Übersehen wird dabei jedoch, dass die aufgestockten Mittel vor allem dafür genutzt werden müssen, die komplizierter gewordenen Finanzierungsbedingungen auszugleichen. Wenn höhere Förderbeträge in die einzelnen Vorhaben fließen, wird mehr Geld nicht zu mehr Wohnungen führen. Auch die Immobilienverbände sind eher zurückhaltend, und GdW-Präsident Axel Gedaschko schätzt ein: „Mit dem Geld ließen sich bei der richtigen Ausgestaltung des neuen Förderprogramms zirka 35.000 neue Wohnungen bauen“. Die Ziele für den geförderten Wohnungsbau werden also auch in den nächsten Jahren deutlich verfehlt werden.

Doch das Problem von Förderprogrammen mit zeitlich befristeten Bindungen ist grundsätzlicher Natur. Solange Mietpreis- und Belegungsbindungen nur für einen festgelegten  Zeitraum von meist 20 bis 30 Jahren galten, fallen regelmäßig mehr Sozialwohnungen aus der Bindung, als neu geförderte Wohnungen erstellt werden. Selbst deutlich erhöhte Fördervolumen werden so zu einer Durchlaufsumme, die nur für einen begrenzten Zeitraum einen Beitrag für die soziale Wohnversorgung bieten. Beunruhigend an der aktuellen Diskussion auf der Bundesebenen ist nicht nur, dass den ambitionierten Förderzielen eine völlig unzureichende Finanzausstattung gegenübergestellt werden, sondern der Umstand, dass diese Mittel – unbeirrt von allen Kritiken am fehlerhaften System der Wohnraumförderung – weiterhin in einem Programm der sozialen Zwischennutzung verschwendet werden. 

Die seit Jahren erhobenen Forderungen nach einem öffentlichen Investitionsprogramm für einen kommunalen Wohnungsbau mit dauerhaften Versorgungsaufgaben werden auch von der Ampelregierung weitgehend ignoriert. Die Entscheidung, mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BIMA) als Bund wieder selbst Wohnungen zu bauen, klang wie ein Schritt in die richtige Richtung. Doch mit bundesweit gerade einmal 42 fertiggestellten Wohnungen im Jahr 2023 fällt die praktische Umsetzung des öffentlichen Bauens eher bescheiden aus.

Die einzig unerwartete Ankündigung des Koalitionsvertrages war das Versprechen, „zeitnah eine neue Wohngemeinnützigkeit mit steuerlicher Förderung und Investitionszulagen auf den Weg bringen“. Seit gut 10 Jahren kursiert in fachpolitischen Diskussionen und bei Sozialverbänden die Forderung nach einer Wiedereinführung der Wohngemeinnützigkeit. Die Ende der 1980er Jahre in der alten Bundesrepublik abgeschaffte Gemeinnützigkeit umfasste etwa 4 Millionen Wohnungen, die den Prinzipien einer Gewinnbeschränkung und einer Zweckbindung unterlagen. Dabei orientierten sich die Mieten an den tatsächlichen Kosten und nicht an möglichen Höchsterträgen. Überschüsse mussten in den Bau von neuen gemeinnützigen Wohnungen investiert werden. Mit der Aufhebung der Gemeinnützigkeit wurden insbesondere die großen, oft geförderten Wohnanlagen der Kommunen in handelbare Bestände verwandelt, die dann in den 1990er und 2000er Jahren privatisiert werden konnten. 

Die Diskussion über eine Neuauflage der Gemeinnützigkeit war mit der Hoffnung verbunden, möglichst große Bestände aus einer Verwertungslogik herauszulösen und den Prinzipien der Gemeinnützigkeit zu unterstellen. In gemeinsamen Beratungen mit verschiedenen Sozialverbänden, Mieterorganisationen und Gewerkschaften wurden bereits kurz nach Regierungsantritt der neuen Koalition mit dem Bundesbauministerium verschiedenen Varianten für eine neue Wohngemeinnützigkeit erarbeitet, die im Kern darauf zielten, Investitionen für dauerhafte Mietpreis- und Belegungsbindungen zu mobilisieren.   

Wohngemeinnützigkeit auf dem Abstellgleis

In einem von dem Kommunal- und Unternehmensberater Jan Kuhnert erarbeiteten Konzept wurden für unterschiedliche Einkommensgruppen, die mit den gemeinnützigen Wohnungen versorgt werden sollen, verschiedene Kombinationen von Steuervorteilen und Zuschussförderungen vorgeschlagen. Neben der Befreiung von der Körperschafts- und Gewerbesteuer, die es auch in der früheren Wohnungsgemeinnützigkeit gab, setzte das Konzept auf umfangreiche Entlastungen bei der Grunderwerbssteuer, der Ertragssteuer und der Umsatzsteuer. In der relativ simplen Logik, dass sich auch die Steuersätze von Grundnahrungsmitteln und Luxusgütern unterscheiden, wurden dabei substantielle steuerliche Entlastungen für den Bau von dauerhaft bezahlbaren Wohnungen vorgeschlagen. 

Das Koalitionsversprechen von einer „zeitnahen“ Einführung der neuen Wohngemeinnützigkeit wurde mit der Einrichtung einer Arbeitsgruppe im Ministerium, Beratungen mit Expert/innen und Verbänden und der Vorlage von konkreten Konzepten zunächst tatsächlich mit einigem Eifer angegangen. Doch auch wenn die zuständige Ministerin und ihre Staatssekretärin immer wieder betonten, dass die Federführung – also die Verantwortung für die Erarbeitung des Gesetzes – im Bundesbauministerium liege, sind alle Ankündigungen einer zeitnahen Umsetzung ins Leere gelaufen. 

Grund dafür sind wohl die Bedenken der mitzeichnenden FDP-geführten Ministerien für Justiz und Finanzen. Es gibt dazu keine öffentlichen Stellungnahmen, aber den letzten Wasserstandsmeldungen zufolge sind die ambitionierten Vorschläge inzwischen auf einen Minimalkonsens geschrumpft. Demnach soll die Neue Gemeinnützigkeit in der Abgabenordnung verankert werden – aber ohne weitergehende Steuererleichterungen und ohne gesonderte Investitionszulagen. Eine solche Wohngemeinnützigkeit light würde möglicherweise die Aktivitäten von kleinen selbstorganisierten Bauprojekten erleichtern. Das angestrebte Ziel einer „neuen Dynamik“ für den Bau von dauerhaft gebundenen Sozialwohnungen wird jedoch meilenweit verfehlt.  


MieterEcho 439 / März 2024

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