Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 439 / März 2024

Heizkosten-Schock bei der Nebenkostenabrechnung 2022

 

Von Rechtsanwältin Franziska Dams

Kaum ein Thema beschäftigt Mieter/innen aktuell so stark wie die gestiegenen Heiz- und Betriebskosten, die mit der Nebenkostenabrechnung 2022 in den vergangenen Monaten ins Haus geflattert sind. Laut aktuellem Heizspiegel sind die Kosten um bis zu 81% gestiegen.

Ein durchschnittlicher Haushalt im Mehrfamilienhaus mit  einer 70-Quadratmeter-Wohnung musste 2022 fürs Heizen mit Gas 1.475 Euro bezahlen – 80% mehr als im Vorjahr. Nachforderungen von teilweise mehreren tausend Euro und die in diesem Zusammenhang durch Vermieter geltend gemachte Anpassung der monatlichen Vorauszahlungen bringen nicht wenige Mieter/innen in akute finanzielle Schwierigkeiten. Viele haben ernsthafte Sorgen, die Miete nicht mehr zahlen zu können und im schlimmsten Fall ihre Wohnung zu verlieren. Und: Nach einer Prognose des Energiedienstleisters Ista könnte der Heizkostenschock viele Mieter/innen auch noch mit der Heizkostenabrechnung 2023 treffen. 

Gerade in letzter Zeit häufen sich Meldungen über absurde Kostensteigerungen und Fehler in den Abrechnungen. Nach Schätzungen von Verbraucherexperten ist jede zweite Abrechnung fehlerbehaftet. Sie sind also gut beraten, die Abrechnungen gewissenhaft zu prüfen. Jedoch sind viele Mieter/innen von der Vielzahl der in den Abrechnungen aufgeführten Kostenarten, Quadratmetermengen und Berechnungen schlichtweg überfordert. Dabei macht es gerade jetzt Sinn, Heiz- und Betriebskostenabrechnungen einer genaueren Prüfung zu unterziehen. Doch worauf ist hierbei zu achten? 

Abgleich mit dem Vorjahr und Belegeinsicht

Weist die aktuelle Betriebskostenabrechnung im Vergleich zur Vorjahresabrechnung erhebliche Kostensteigerungen auf, sollten Sie die Posten genauer unter die Lupe nehmen. Hierfür ist regelmäßig eine Belegeinsicht erforderlich. Da Sie bis auf wenige Ausnahmen (Vermieter hat seinen Sitz nicht in Berlin oder es handelt sich um eine preisgebundene Wohnung) keinen Anspruch auf Übersendung von Kopien haben, müssen Sie die Belegeinsicht in den Räumen des Vermieters vornehmen.

Schreiben Sie den Vermieter hierzu per Fax oder Einwurfeinschreiben unter Benennung von Terminvorschlägen an und bitten um schriftliche Bestätigung eines der Termine mit entsprechender Frist. Zudem sollten Sie darauf hinweisen, dass Sie ohne eine Rückmeldung auf die Terminvorschläge zu dem letztgenannten Termin erscheinen und die Belegeinsicht wahrnehmen werden. Stehen die Belege zu dem Datum dann nicht zur Verfügung oder lässt der Vermieter Sie gar nicht erst in die Büroräume, gilt die Belegeinsicht als verweigert und Sie können diese gerichtlich durchsetzen.

Achtung: Bis Sie Belegeinsicht erhalten haben, steht Ihnen ein Zurückbehaltungsrecht an der Nachforderung zu. Das bedeutet, Sie müssen die Nachforderung nicht zahlen, sofern die strittigen zu prüfenden Posten in Summe die Nachforderung ergeben oder übersteigen. Sie sollten daher in Ihrem Schreiben mit der Bitte um Belegeinsicht auch darauf hinweisen, dass Sie bis zur vollständigen Überprüfung der Abrechnung von Ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machen. Bitte beachten Sie bei der Vorbereitung und Durchführung der Belegeinsicht auch die Hinweise aus der Infoschrift „Betriebskostenabrechnung“ sowie „Heizkostenabrechnung“ und den Beitrag im MieterEcho 437/2023 „Fragen und Antworten zur Betriebskostenabrechnung“.  

Die Abrechnung der Heiz- und Warmwasserkosten

Da die größten Kostensteigerungen bei den Heiz- und Warmwasserkosten zu verzeichnen sind, lohnt hier eine genauere Prüfung.Vergleichen Sie die Abrechnung für 2022 mit der Vorjahresabrechnung. Sind die Nummern der Heizkostenverteiler, Warmwasser- und Wärmemengenzähler etc. identisch mit denen der Abrechnung aus dem Vorjahr? Ist die angesetzte Gesamt- und Individualheizfläche gleichgeblieben oder hat sich diese ohne Erläuterung verringert? Fordern Sie auch hierzu von Ihrem Vermieter per Fax oder Einwurfeinschreiben unter Fristsetzung eine Klärung. Ist Ihr Verbrauch trotz sparsamen Heizens gestiegen, fordern Sie die Ableseprotokolle und Verbrauchsaufstellung für die gesamte Liegenschaft zur Prüfung an. Verlangen Sie ggfs. eine monatliche Verbrauchsaufstellung für Ihre Wohnung, um die Werte auf Plausibilität zu überprüfen. Ist Ihr Wasserverbrauch unerklärlich gestiegen, kontrollieren Sie auch die Eichfrist der in der Wohnung verbauten Wasseruhren. Ist diese abgelaufen, monieren Sie dies schriftlich gegenüber dem Vermieter.

Bei stark gestiegenen Brennstoffkosten empfiehlt sich ein Abgleich mit Portalen wie www.destatis.de. Die dort ausgewiesenen Durchschnittspreise für die einzelnen Brennstoffe können Sie mit den Kosten aus der Abrechnung vergleichen. Liegen die Brennstoffkosten in Ihrer Abrechnung deutlich über den Durchschnittswerten, kann dies auf einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot hindeuten. Beruft sich Ihr Vermieter auf Vertragsänderungen oder -anpassungen durch den Energieversorger, sollten Sie Einsicht in die Verträge nehmen. Auch hier müssen Vermieter das Wirtschaftlichkeitsgebot beachten: Verträge sind zu angemessenen Preisen abzuschließen, bei Vertragsanpassungen müssen ggfs. bestehende Sonderkündigungsmöglichkeiten genutzt werden u. ä. Prüfen Sie neben den Verträgen und Brennstoffrechnungen zwingend auch die Zahlungsbelege. 

Aus Ihrer Heizkostenabrechnung muss sich zudem ergeben, wie hoch die Entlastung aufgrund der diversen Hilfen und Entlastungspakete – wie beispielsweise dem Erdgas-Wärme-Soforthilfegesetz –ist. Fehlt ein Hinweis in der Abrechnung, bitten Sie den Vermieter unter Fristsetzung um Klärung. Während sich bei Gas oder Fernwärme die Entlastungsbeträge in der Regel unmittelbar aus den Brennstoffrechnungen der Versorger ergeben, mussten Vermieter beispielsweise bei Öl aktiv werden und eine Entlastung über die Heizkostenhilfe Berlin und/oder die Härtefallhilfe des Bundes beantragen. Wurde dies versäumt, kann auch dies einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot darstellen, mit der Folge, dass Sie von Mehrkosten freizustellen sind. 

Die Heizkostenverordnung und die Kürzungsrechte

Heiz- und Warmwasserkosten müssen nach den Vorschriften der Heizkostenverordnung (HeizKV) abgerechnet werden. Diese schreibt vor, dass eine Umlage im Verhältnis Grundkosten und Verbrauch erfolgen muss. In der Regel findet eine Aufteilung zu 50:50 oder 30:70 statt. Eine Abrechnung zu 100% nach Verbrauch oder nur nach Fläche ist in Mehrfamilienhäusern unzulässig. Bei einem Verstoß dagegen steht Ihnen nach § 12 HeizKV ein Kürzungsrecht von 15% der auf Sie entfallenden Kosten zu. Einen Anspruch auf Erteilung einer neuen Abrechnung haben Sie nicht. Sie können den Betrag selbst errechnen und diesen dann von der Nachforderung abziehen. Haben Sie ein Guthaben, erhöht sich dieses.

Wird das Warmwasser über eine zentrale Heizungsanlage mit erzeugt, prüfen Sie, ob die auf das Warmwasser entfallende Wärmemenge mit einem Zähler gemessen wurde (das ist ein übergeordneter Zähler im Haus). Ist dies nicht der Fall, erkennen Sie dies in der Regel an folgender Formel, die gern kleingedruckt in der Abrechnung oder am Rand auftaucht: Q = 2,5 x V x (tw-10). Wurde die auf das Warmwasser entfallende Wärmemenge nicht gemessen, dürfen Sie Ihre Heizungs- und Warmwasserkosten gemäß § 12 HeizKV um 15% kürzen. 

Hat Ihr Vermieter nach dem 1. Dezember 2021 neue Verbrauchserfassungsgeräte für die Heizung einbauen lassen und sind diese nicht fernablesbar, besteht ein Kürzungsrecht von 3%.

Bei fernablesbaren Zählern müssen Vermieter Ihnen zudem seit 2022 monatlich folgende Informationen zur Verfügung stellen: Verbrauch des betreffenden Monats; Verbrauch im Vormonat mit Angabe, um wie viel Prozent er sich erhöht hat oder gesunken ist; Verbrauch im Vorjahresmonat, sofern Sie dort bereits in der Wohnung gewohnt haben nebst Veränderung des Verbrauchs in Prozent sowie Durchschnittsverbrauch vergleichbarer Wohnungen im selben Zeitraum. Ist der Vermieter dieser Pflicht nicht/nicht rechtzeitig/nicht vollständig nachgekommen, besteht ebenfalls 3% Kürzungsrecht. 

Bei mehreren Verstößen sind die Prozentsätze zu addieren. Ohne fernablesbare Zähler und ohne monatliche Verbrauchsinformationen beträgt das Kürzungsrecht 6%. Wurde zudem nicht verbrauchsabhängig abgerechnet, sind es sogar 21%. 

In all diesen Fällen gilt, dass Sie Ihre Ansprüche aktiv schriftlich gegenüber dem Vermieter geltend machen müssen.

Wenn Sie Fragen haben oder unsicher sind, lassen Sie sich in einer Beratungsstelle der Berliner MieterGemeinschaft beraten.    

 

Rechtsanwältin Franziska Dams ist Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht und berät für die Berliner MieterGemeinschaft.


MieterEcho 439 / März 2024

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