Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 439 / März 2024

Heiße Luft statt Zeitenwende

Die Ampel-Regierung versagt beim sozialen Wohnungsbau

Von Philipp Möller

50 Milliarden Euro für ein Sondervermögen „Sozialer Wohnungsbau“. Mit dieser Forderung machte das Bündnis „Soziales Wohnen“ Anfang des Jahres auf die dramatische Situation im geförderten Wohnungsbau aufmerksam. Der Zusammenschluss aus Gewerkschaften, Sozialverbänden und Mieterorganisationen untermauerte seine Forderung mit einer neuen Studie des Pestel-Instituts, die einen Rekord-Wohnungsmangel von bundesweit 912.000 fehlenden Sozialwohnungen ausweist.    

Doch statt dieses historische Defizit als Anlass zu nehmen, das Ruder beim sozialen Wohnungsbau endlich herumzureißen, kritisierte Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) die Pestel-Studie als „hochgradig unseriös“, da sie mit „ausgedachten Zahlen“ operiere. Eine Schuld für die Misere im sozialen Wohnungsbau wies sie weit von sich. Ein genauerer Blick auf die Vorhaben der Bundesregierung offenbart jedoch: Die Ampel versagt bei der Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus mit Ansage. Das Grundproblem des deutschen Modells des sozialen Wohnungsbaus, welches der Wohnungswissenschaftler Christian Donner als „Förderung privater Mietwohnungsinvestitionen mit sozialer Zwischennutzung“ beschrieb, bleibt ohnehin unangetastet. 

Die Studie offenbart das Scheitern der Bundesregierung an ihren selbstgesteckten Zielen. In ihrem Koalitionsvertrag wurde das Ziel von 100.000 neu geförderten Sozialwohnungen pro Jahr vereinbart. Davon ist sie meilenweit entfernt. 2022 wurden bundesweit gerade einmal 22.500 neue Sozialwohnungen bewilligt. Trotz der vermeintlichen Kraftanstrengungen des sozialdemokratisch geführten Bundesbauministeriums wurden damit sogar 3.500 weniger Sozialwohnungen gefördert als vor fünf Jahren unter Heimat- und Bauminister Horst Seehofer (CDU).

Immer weniger Sozialwohnungen

Seit 2017 sank der bundesweite Sozialwohnungsbestand um mehr als 134.000 auf aktuell nur noch 1,08 Millionen Wohnungen. In den vergangenen 20 Jahren hat sich der Bestand laut einer Studie des Instituts der deutsche Wirtschaft mehr als halbiert, da deutlich weniger Sozialwohnungen neu gebaut wurden als aus der Bindung fielen. Die Mietpreis- und Belegungsbindungen sind im deutschen System des sozialen Wohnungsbaus zeitlich befristet, aktuell betragen die Bindungszeiträume in den meisten Förderprogrammen 15 bis 30 Jahre. Während der Hochphase der neoliberalen Wende in der Wohnungspolitik in den 2000er Jahren, in der sich der Staat aus der Förderung zurückzog, kam der soziale Wohnungsbau bundesweit nahezu zum Erliegen.

Erst zu Beginn der 2010er Jahre nahmen Bund und Länder die Förderung wieder auf, jedoch nur mit geringem Mitteleinsatz. Gleichzeitig erhöhte sich der Bedarf an Sozialwohnungen durch die wachsende Zahl von Beschäftigten im Niedriglohnsektor, die sich Wohnraum auf dem freien Markt kaum leisten können, sowie den anhaltenden Zuzug. Allein im vergangenen Jahr wuchs der Bedarf laut den Autor/innen der Pestel-Studie um mehr als 100.000 Wohnungen. Für die kommenden Jahre werden weitere Wanderungsgewinne erwartet, wodurch weitere Wohnungsbedarfe entstehen. 

Die Ampel begegnet dem jedoch lediglich mit viel heißer Luft. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) verkündete in der Bundestagsdebatte um den Doppelhaushalt 2024/2025, es stünde die „Rekordsumme“ von insgesamt 45 Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau bis 2027 bereit. Darunter seien 18 Milliarden Euro Bundesförderung, der Rest würde durch die Länder übernommen. Statt wie bisher 30 übernimmt der Bund künftig 40% der Anteile an der Förderung. Wer etwas genauer hinschaut, erkennt jedoch, dass die Ampel bei der Finanzierung vor allem auf das Prinzip Hoffnung setzt. 

In einem Faktencheck nimmt Caren Lay, Sprecherin für Mieten und Wohnen der Linkspartei im Bundestag, die schönen Worte des Kanzlers auseinander. Zwischen 2022 und 2024 wurden demnach insgesamt lediglich 7,65 Milliarden Euro für die Wohnungsbauförderung ausgegeben. Ab 2025 will die Ampel dann jährlich 3,5 Milliarden Euro investieren, das muss jedoch erst durch den Bundestag beschlossen werden. Im September 2025 sind Bundestagswahlen, das heißt „für 2026 und 2027 kann die Ampel gar keine Versprechen machen“, führt Lay aus. 

Noch weniger kann die Ampel vorhersagen, wie sich die Finanzierung in den Ländern entwickeln wird. „Würden die Eigenanteile gleich der Bundesförderung angehoben, wären das bis 2027 rund 29 Milliarden Euro, die Bund und Länder zusammen ausgeben würden“, heißt es im Faktencheck. Die 45 Milliarden Euro sind lediglich die Hoffnung darauf, dass die Länder künftig deutlich mehr Geld für die Förderung ausgeben. Vor dem Hintergrund einer anhaltenden Kürzungspolitik auf Bundes- wie auf Landesebene ist das jedoch fraglich. Selbst wenn 45 Milliarden Euro in den kommenden drei Jahren für den sozialen Wohnungsbau investiert würden, reicht die Summe laut Berechnungen des Pestel-Instituts nicht annähernd aus, um die avisierten 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr zu finanzieren. 

Für eine realistische Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus fehlt der Bundesregierung der politische Wille, denn soziale Wohnungspolitik hat in der Ampel keine Priorität. Das war nicht immer so. In der „goldenen Ära“, während des Wiederaufbaus zwischen 1950 und 1956, gab die BRD rund 2% ihres Bruttoinlandsprodukts für die öffentliche Förderung des sozialen Wohnungsbaus aus. Deutlich mehr als die Hälfte aller errichteten Wohnungen waren sozial gefördert. Dies wären im Jahr 2022 laut Pestel-Institut rund 77 Milliarden Euro gewesen. Neben einer adäquaten Förderung bräuchte es auch leistungsfähige Träger, um die Mammutaufgaben im sozialen Wohnungsbau zu stemmen. 

Auch hier lohnt ein Blick in die Geschichte. In der Bundesrepublik waren es die „Wohn-Fords“, wie der Stadtsoziologe Walter Prigge die gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften einmal nannte, die gezielt gefördert wurden und in der Phase des Wiederaufbaus hunderttausende Sozialwohnungen errichteten. Laut Daten des Gesamtverbands gemeinnütziger Wohnungsunternehmen errichteten die Wohn-Fords nicht nur einen Großteil dieses sozialen Wohnungsbaus, sondern ihre Bauaktivitäten machten in den 1950er Jahren deutlich mehr als ein Drittel der gesamten Bautätigkeit aus.

Bruch mit Profitlogik notwendig

Heute fristet der soziale Wohnungsbau ein Schattendasein. 2022 waren nur 6,3% aller bundesweit genehmigten Wohnungen sozial gefördert. Die Träger des sozialen Wohnungsbaus der Nachkriegszeit fallen aus, denn die Wohnungsgemeinnützigkeit wurde 1990 abgeschafft. Zwar taucht deren Wiedereinführung im Koalitionsvertrag der Ampel auf, jedoch liegt bislang immer noch kein Gesetzentwurf auf dem Tisch. Die Fachwelt geht inzwischen davon aus, dass eine etwaige neue Wohnungsgemeinnützigkeit lediglich als kleines Nischenprodukt für einen Wohnungsbau durch soziale Träger enden wird. Damit bleibt auch das grundsätzliche Problem der befristeten Sozialbindungen weiter bestehen. Denn mit der absehbar scheiternden Wohnungsgemeinnützigkeit wird auch die Hoffnung enttäuscht, dauerhafte Mietpreis- und Belegungsbindungen durch einen sozialen Wohnungsbau durch neue, gemeinnützige Träger aufzubauen. Die aufgestockten Mittel für den sozialen Wohnungsbau können damit weiter in die Taschen privater Investoren fließen. 

Ein anderer Weg wäre eine Aktivierung des kommunalen Wohnungsbaus durch eine großzügige Co-Finanzierung durch den Bund, um dauerhaft gebundene Wohnungen in öffentlichem Eigentum zu schaffen. Bereits jetzt stemmen die öffentlichen Wohnungsunternehmen in den meisten Städten und Gemeinden den Mammutanteil des sozialen Wohnungsbaus. Für diesen Systemwechsel müsste jedoch mit dem Prinzip der Investorenförderung und der Orientierung auf private Profitinteressen gebrochen werden.

Indessen drängt die Zeit für ein ambitioniertes Handeln. Mitten in der Wohnungskrise gerät die Baubranche in Schieflage. Die Stimmung im Bausektor ist auf einem historischen Tiefstand, die Baugenehmigungen sind massiv eingebrochen und Analyst/innen rechnen mit einem Verlust von rund 30.000 Arbeitsplätzen in diesem Jahr. Deshalb fordert mittlerweile eine ganze Reihe an Top-Ökonom/innen, durch eine Investitionsoffensive in den sozialen und kommunalen Wohnungsbau antizyklisch gegenzusteuern, um einen Kapazitätsabbau im Bausektor zu verhindern und gleichzeitig die bezahlbaren Wohnungen zu schaffen, die so dringend gebraucht werden. An eine Umsetzung dieser nicht nur wohnungspolitisch, sondern auch ökonomisch gebotenen Forderung durch die Ampel glaubt derweil wohl niemand mehr.


MieterEcho 439 / März 2024

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