Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 439 / März 2024

Editorial

Editorial MieterEcho

Liebe Leserinnen und Leser,

Katrin Schmidberger, wohnungspolitische Sprecherin der Grünen, stellte auf der Sitzung des Abgeordnetenhauses am 1. Februar 2024 fest: „Während der Neubau von Wohnungen stockt, tut es der Abriss von Wohnungen leider nicht. Die Vernichtung von bezahlbarem Wohnraum ist immer noch die Regel und nicht die Ausnahme.“

Das ist richtig. Besonders gefährdet sind die inzwischen in die Jahre gekommenen Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus der 50er, 60er und 70er Jahre. Ihre noch immer günstigen Mieten sind für die Investoren nicht attraktiv, aber durch Abriss lassen sich sowohl Mieteinnahmen als auch der Wert der Immobilie um ein Vielfaches steigern. Obgleich seit 2018 Abrisse von den Bezirken genehmigt werden müssen – vorher bedurften sie keiner Genehmigung, ja sie wurden noch nicht einmal statistisch erfasst – steigt ihre Zahl kontinuierlich an. Exemplarisch für diese sehr lukrative Verwertung ist die Fasanenstraße 64 in Charlottenburg-Wilmersdorf. In dem Sozialbau aus den 60er Jahren befanden sich 2018 noch 40 preisgünstige Wohnungen. Von der Erwerberin, der „PRIMUS Projekt Fasanenstraße 64 GmbH“ erhielten die Mieter/innen Kündigungen wegen angemessener wirtschaftlicher Verwertung, gleichzeitig wurden Modernisierungen mit Mietsteigerungen von ca. 5 Euro/qm angedroht und zum Ausgleich Abfindungsangebote gemacht.

Diese konsequente Aktion führte zum Auszug fast aller Mieter/innen und ein freundlicher Gutachter, Prof. Dr. Manfred Puche, stellte – obwohl das Haus erst kurz zuvor eine Wärmedämmung und neue Fenster erhalten hatte – einen Sanierungsbedarf von 4,6 Millionen Euro fest. Die Eigentümerin konnte folglich argumentieren, dass angesichts des hohen Leerstands die Sanierungskosten außerordentlich unwirtschaftlich seien und erhielt prompt von der überzeugten Verwaltung des Bezirks die Abrissgenehmigung. Inzwischen ist der bescheidene soziale Wohnungsbau verschwunden und durch einen Prachtbau ersetzt worden.„Der Neubau der Nr. 64 versteht sich als zeitgemäße Antwort auf die Frage danach, was wir heute unter einer innerstädtischen Wohnlage höchster Qualität verstehen können. Die hochwertige und nachhaltige Materialwahl, die sorgfältige handwerkliche Detaillierung und die auf flexibles Wohnen ausgelegte Formenwelt erzeugen zudem ästhetische Nachhaltigkeit, deren Ziel vor allem Dauerhaftigkeit ist.“ Dieser parfümierte Wortbrei beschreibt, was hier entstanden ist. Zwei Wohnungen stehen noch zum Verkauf: 147.07 qm für 3.495.000 Euro und 162 qm für 3.425.500 Euro.

Der Architekt ist unschwer an den gerundeten Kanten des Hauses zu erkennen. Es ist Tobias Nöfer, Vorsitzender des Architekten- und Ingenieurvereins Berlin und engagierter Kämpfer für die Refeudalisierung der Berliner Altstadt.

Katrin Schmidberger hat auf der obigen Sitzung gefordert, dass alle durch Abrissgenehmigung errichteten Neubauten 50% sozialen Wohnungsbau enthalten sollen. Für die Fasanenstraße 64 käme das leider zu spät.

Ihr MieterEcho


MieterEcho 439 / März 2024

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