Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter
MieterEcho 439 / März 2024

„Der Kampf gegen eine Eigenbedarfskündigung gleicht einem Marathon“

 

Interview mit der Initiative „Eigenbedarf kennt keine Kündigung“ (E3K)

MieterEcho: Sie engagieren sich seit 2018 gegen Eigenbedarfskündigungen, jetzt waren Sie Mitorganisatorin von zwei Veranstaltungen. Was war der Zweck und wer hat teilgenommen?

E3K: Bei den Veranstaltungen ging es um Informationsvermittlung zu Eigenbedarfskündigungen, den Austausch untereinander, und wie wir uns gemeinsam juristisch und politisch wehren können. Teilgenommen haben betroffene Mieter/innen und solidarische Unterstützer/innen. 

Waren Sie mit den Veranstaltungen zufrieden und wie geht es jetzt weiter?

Wir waren sehr zufrieden. Bei der ersten Veranstaltung im November waren 120 Leute anwesend, bei der Folgeveranstaltung im Januar kam fast die Hälfte wieder, das hat uns positiv überrascht. Bei den Veranstaltungen wurden verschiedene Themen in Gruppen besprochen, wie Recherche zu Eigentümer/innen, Auswirkungen auf die Gesundheit, solidarische Prozessbegleitung, die Phasen von der Kündigung bis zum Urteil, um nur einige zu nennen. Bei der zweiten Veranstaltung hatten wir aber auch überlegt, welche öffentlichen, politischen Aktionen wir machen können. Daran wollen wir jetzt bei weiteren Treffen anknüpfen, gerne können Interessierte dazukommen.

Was sind denn die von Ihnen angesprochenen Phasen von der Kündigung bis zum Urteil?

Wir haben aufgrund unserer bisherigen Erfahrung die Zeit von der Kündigung bis zum Urteil in fünf Phasen eingeteilt. Das beginnt mit dem Eigenbedarfskündigungsschreiben, geht dann weiter mit der Räumungsklagezustellung, den Prozessen an Amts- und Landgericht bis hin zu der Zeit danach. 

Diese Übersicht ist aber keine juristische Beratung, das müssen Anwältinnen und Anwälte machen. Um dabei abgesichert zu sein, sollten Mieter/innen unbedingt eine Mietrechtsversicherung abschließen.

Auf die fünf Phasen würden wir gerne näher eingehen. Der ganze Ärger für die Mieter/innen beginnt, wenn man das Eigenbedarfskündigungsschreiben erhält. Was macht man dann am besten?

Wenn das Eigenbedarfskündigungsschreiben im Briefkasten liegt, sollte man nicht in Panik geraten, sich aber zügig anwaltlich beraten lassen. Es gilt zu prüfen, ob die Kündigung rechtens ist. Mit der Anwältin oder dem Anwalt sollte während des ganzen Verfahrens eng zusammengearbeitet und alle Schritte abgesprochen werden. Ganz wichtig ist, sich nicht gegenüber der Vermieterseite zu äußern. Alle Fristen müssen penibel eingehalten werden, aber man kann sie ausreizen, so gewinnt man Zeit. 

Da der Kampf gegen eine Eigenbedarfskündigung eher einem Marathon gleicht, sollte man sich Verbündete suchen, die einen dabei unterstützen, wie Freund/innen, Familie, Nachbar/innen oder Mieterinitiativen. Auch der Kontakt zu anderen Betroffenen ist sehr hilfreich. Man kann Tipps und Tricks austauschen und andere bei ihren Prozessen begleiten. Da erfährt man schon mal vorab, wie so was abläuft, und unterstützt dabei andere auch noch.

Wie geht es dann weiter, wenn man der Eigenbedarfskündigung, natürlich fristgerecht, widersprochen hat?

Sehr wichtig ist es, in diesem ersten Widerspruch mögliche Härten, die gegen eine Kündigung sprechen, zu benennen. Denn es gibt die sogenannte Härtefallregelung. Diese Gründe können sonst später beim Gericht keine Beachtung finden.

Wenn man der Eigenbedarfskündigung widerspricht, und Eigentümer/innen an der Kündigung festhalten, müssen sie auf Räumung klagen, dann kommt es zum Prozess. Das Gericht prüft die Kündigung durch die Befragung von Zeuginnen und Zeugen. Dazu muss man natürlich der  Räumungsklage mit Hilfe der Anwältin oder des Anwalts fristgerecht widersprochen haben.

Vor dem Prozess steht die Recherche zum Eigentümer und der Person, für die Eigenbedarf angemeldet wurde. Auf dem Grundbuchamt kann man erfahren, ob die Eigentümer noch weitere Wohnungen besitzen und die Frage stellen, warum sie nicht da einziehen. Auf „Social Media“ kann man nach Anhaltspunkten suchen, ob die Person auch wirklich einziehen will. Die Befragung der Zeug/innen sollte gründlich vorbereitet werden. Können die Angaben der Eigentümerseite begründet in Zweifel gezogen werden, bestehen gute Aussichten, den Prozess zu gewinnen.

Wie läuft so eine Gerichtsverhandlung über eine Räumungsklage ab?

Bei einer Gerichtsverhandlung ist man auf ungewohntem Terrain, die Abläufe und die Sprache sind oft schwer zu verstehen. Deshalb ist es gut, wenn man das nicht alleine durchstehen muss. Wir nennen das solidarische Prozessbegleitung, wenn verschiedene Menschen einem den Rücken stärken. Obwohl die Prozesse öffentlich sind, ist da normalerweise nie jemand. Wenn also Leute im Gerichtssaal sitzen, beeindruckt das das Gericht und verunsichert die Gegenseite. Das kann man noch durch eine Kundgebung vor dem Gericht oder weitere Öffentlichkeits- und Pressearbeit verstärken. Mieter/innen sollten das aber nicht selbst machen, um Eigentümern keinen Vorwand zu bieten, dies gegen sie zu verwenden. 

Der erste Prozess findet vor dem Amtsgericht statt. Wie ist der Ablauf und was ist besonders wichtig?

Der Prozess beginnt meist mit einem Gütetermin. Sich gütlich zu einigen ist natürlich schwierig, wenn die eine Seite die andere aus der Wohnung werfen will. Davon abgesehen sollte man Angebote der Eigentümerseite sehr gründlich prüfen. So ist bei Zugeständnissen bei der Auszugsfrist zu bedenken, dass es bereits gesetzliche Kündigungsfristen gibt, je nach Mietdauer mehrere Monate. Auch braucht das Verfahren seine Zeit und selbst bei einem verlorenen Prozess gewährt das Gericht oft eine längere Auszugsfrist. Man sollte deshalb die Angebote der Gegenseite genau abwägen. 

Bei angebotenen finanziellen Abfindungen für einen Auszug sollte man ebenfalls genau rechnen.

Wenn man den Gütetermin ausschlägt, kommt es in der Regel zu einen oder mehreren Verhandlungstagen mit der Befragung der Zeuginnen und Zeugen. Wir wollen noch einmal bekräftigen, dass dies der wichtigste Teil des Prozesses ist, hier können die Argumente der Gegenseite für die Eigenbedarfskündigung entkräftet oder in Zweifel gezogen werden.

Nach dem Prozess wird das Urteil schriftlich zugestellt. Gegen das Urteil kann Berufung eingelegt werden, diese muss vor dem Landgericht eingereicht werden. Auch den Antrag auf Räumungs- und Vollstreckungsschutz sollte man jetzt stellen.

Der nächste Prozess findet dann vor dem Landgericht statt, durch was unterscheidet er sich vom Amtsgerichtsprozess?

Das verläuft relativ ähnlich. Auch am Landgericht gibt es zunächst einen Gütetermin. Gibt es keine Einigung, kann der Prozess mehrere Verhandlungstage und eine Befragung der Zeug/innen umfassen. Oft folgt aber direkt nach der Güteverhandlung beim selben Termin das Hauptverfahren. 

Das Gericht prüft noch einmal alle Fakten und wägt neu ab. Danach fällt es das Urteil. Wenn der Prozess verloren wird, setzt das Gericht einen Räumungstermin fest. Zu diesem Zeitpunkt muss die Wohnung dann verlassen werden. Man kann aber noch Räumungsschutz beantragen und damit vielleicht den Auszug hinauszögern. Der muss aber nicht gewährt werden.

Und dann ist endlich alles vorbei?

Naja, kommt drauf an. Wenn man verloren hat und ausziehen muss, fängt der Stress mit der Wohnungssuche an. Das ist bei der katastrophalen Lage auf dem Wohnungsmarkt natürlich nicht einfach. Hat man gewonnen, kann man erst mal feiern, sollte aber die gesundheitlichen Folgen des ganzen Prozesses nicht unterschätzen. Eine Eigenbedarfskündigung durchzustehen, schlaucht ganz gehörig. Da ist es gut, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen. Und wer die Kraft hat, kann andere Betroffene unterstützen. Man hat ja eine Menge Erfahrungen und Wissen gesammelt, und andere sind bestimmt dankbar, wenn man das mit ihnen teilt. Politisch können wir diesem Damoklesschwert der Eigenbedarfskündigung, das über zehntausenden Mieter/innen schwebt, aber ohnehin nur gemeinsam etwas entgegensetzen. Wir haben damit schon mal angefangen und freuen uns auf Mitstreiter/innen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Andreas Hüttner.

 

Bei E3K organisieren sich Mieter/innen, die von Eigenbedarfskündigungen betroffen sind. Die Gruppe führt auch Veranstaltungen durch, um zu informieren und die Organisierung weiterer Betroffener anzustoßen.

Weitere Informationen:
Webpage: https://tinyurl.com/E3K-start
E-Mail: e3k@riseup.net
X: @E3K19


MieterEcho 439 / März 2024

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