MieterEcho 327/April 2008: Wohnprojekte in Friedrichshain bedroht

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MieterEcho 327/April 2008

Quadrat BERLIN

Wohnprojekte in Friedrichshain bedroht

Der langjährige Konflikt um die ehemals besetzten Häuser Rigaer Straße 94 und Liebigstraße 14 spitzt sich zu

Philipp Mattern

Ein lange schwelender Konflikt um zwei alternative Wohnprojekte in Friedrichshain droht erneut zu eskalieren. Der Eigentümer Suitbert Beulker scheint die Bewohner/innen der Häuser Rigaer Straße 94 und Liebigstraße 14 mit einer Vielzahl von Räumungsklagen zu überziehen und außerdem den Versuch zu unternehmen, mit einem zwielichtigen Kaufangebot die Mieter/innen gegeneinander auszuspielen.

Das vorerst letzte Urteil in einer Reihe von Räumungsklagen stellte das Amtsgericht Charlottenburg dem Hausprojekt Rigaer Straße 94 Anfang Februar zu. Die Bewohner/innen werden darin aufgefordert, die im Erdgeschoss des Hauses liegende Kneipe "Kadterschmiede", eine Waschküche sowie eine Werkstatt "geräumt und besenrein an den Kläger herauszugeben". Bereits in den Monaten davor entschied das Gericht mehrere Klagen zugunsten Beulkers, der die Herausgabe einiger Wohnungen forderte. Wie das Erdgeschoss werden diese seit mehreren Jahren ohne feste Mietverträge genutzt. Auf eine dauerhafte Lösung für den unklaren Status von Teilen des ehemals besetzten Hauses ließ sich Beulker nicht ein, seit er es 1999 kaufte. Trotz dieses langwierigen Konflikts sind die Bewohner/innen nicht bereit, klein beizugeben. "Die Räume werden von uns definitiv nicht freiwillig herausgegeben, was auf jeden Fall einmal mehr eine große polizeiliche Räumung nach sich ziehen wird", heißt es in einer Pressemitteilung. Diesmal wäre rund ein Viertel des Hauses betroffen. Der genaue Termin einer Räumung hängt lediglich vom Gerichtsvollzieher ab. Die Bewohner/innen rechnen noch im Frühjahr damit.

Mieter/innen sollen sich um Räumung eines Nachbarhauses kümmern

Noch während der laufenden Räumungsklagen unterbreitete Beulker dem Wohnprojekt ein ungewöhnliches Kaufangebot. Dort nennt er eine Reihe von Bedingungen, unter denen er sich auf einen Verkauf des Hauses an die Bewohner/innen einlassen würde. In der wohl fragwürdigsten Bedingung werden diese allen Ernstes aufgefordert, sich um eine "Räumung und Herausgabe aller Wohnungen in der Liebigstraße 14" zu kümmern. Dabei handelt es sich um ein voll bewohntes Nachbarhaus, nur wenige Schritte von der Rigaer Straße 94 entfernt, mit einer alternativen Mieterschaft, die seit längerer Zeit im Konflikt mit Beulker steht. Allem Anschein nach hofft er nun auf eine Art Kuhhandel: Das Wohnprojekt Rigaer Straße 94 soll seine Nachbarn zum Auszug überreden, um in den eigenen vier Wänden Ruhe zu haben.

Ruhe hätte damit vor allem Suitbert Beulker, denn momentan hat er gleich mehrere Rechtsstreitigkeiten mit den Mieter/innen aus der Liebigstraße 14 auszufechten. Obwohl die bestehenden Mietverträge eine Klausel beinhalten, die es gestattet, die Verträge an Nachmieter/innen weiterzugeben, weigert sich Beulker nach Auskunft der Mieter/innen, solch einen Mieterwechsel anzuerkennen. Das versuchen die Mieter/innen nun juristisch durchzusetzen. Auf ihr Recht werden sie aber noch eine Weile warten müssen, da das Gericht erst eine andere Entscheidung treffen muss. Dabei geht es um die Frage, ob für die jetzigen Mieter/innen der Liebigstraße 14 überhaupt noch ein gültiges Mietverhältnis besteht. Das zweifelt der Eigentümer nämlich an. Er kündigte sämtliche Wohnungen und stellte Räumungsklagen, die teilweise noch im April entschieden werden könnten. Begründet wird dies zum einen mit allgemeinen Pflichtverletzungen der Mieter/innen. Den Gepflogenheiten ihres alternativen Lebensstils geschuldet, würden diese nicht sorgsam genug mit Beulkers Eigentum umgehen. Zum anderen wird ihnen eine mangelnde Zahlungsmoral vorgehalten. "Dazu hat der Vermieter alle vermeintlichen Mietschulden der letzten Jahre zusammengekratzt, ohne berechtigterweise vorgenommene Mietminderungen zu berücksichtigen", meint Rechtsanwalt Gerhard Fuchs. In diesem Fall malen sich die Mieter/innen gute Chancen auf einen Sieg vor Gericht aus.

Öffentlichkeitsarbeit der Mieterschaft erfolgreich

"Selbstbewusste und handlungsfähige Mieter/innen überfordern Beulker offensichtlich. Logisch, dass er mit allen Mitteln versucht, uns loszuwerden", heißt es in einer Pressemeldung der Hausgemeinschaft der Liebigstraße 14. In ähnlicher Weise dürften auch ihre Nachbar/innen aus der Rigaer Straße 94 das merkwürdige Kaufangebot mit Genugtuung betrachten. Wohl eher ungewollt offenbart Beulker darin seine eigenen Schwachstellen und bescheinigt ihnen ein bisher richtiges Vorgehen im Umgang mit seinen Provokationen. So fordert Beulker in einer weiteren Verkaufsbedingung die Entfernung aller Daten und Informationen über ihn und seinen Hausverwalter Oliver Rohr von "einschlägigen Internetseiten". Dass ihm diese ungewollte Berühmtheit unangenehm ist, zeigt, wie richtig es war, mit den Machenschaften des Eigentümers immer konsequent an die Öffentlichkeit zu gehen. Das haben die Bewohner/innen der Rigaer Straße 94 auch in Zukunft vor und planen derzeit eine Kampagne, um die bevorstehende Räumung durch eine politische Lösung abwenden zu können.

Infos unter: www.rigaer94.squat.net und www.rigaer-strasse.blogspot.com

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