MieterEcho 323/August 2007: Der schwindende Rest

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MieterEcho 323/August 2007

Quadrat WOHNUNGSMARKT

Der schwindende Rest

Sozialer Wohnungsbau in Berlin

Andrej Holm

Der soziale, geförderte Wohnungsbau bestimmte lange Zeit das Baugeschehen (zumindest in der westlichen Hälfte) der Stadt. Nach der Wende zog die Anzahl neu gebauter Sozialwohnungen kurzzeitig noch einmal an, um dann Ende der 90er Jahre eingestellt zu werden. Insgesamt wurden in Berlin etwa 420.000 geförderte Wohnungen errichtet. Das entspricht etwa einem Drittel aller Mietwohnungen in der Stadt. Doch längst nicht alle geförderten Wohnungen sind noch immer Sozialwohnungen. Fast die Hälfte ist bereits aus der Bindung entlassen und jedes Jahr werden es weniger.

Die Geschichte des Sozialen Wohnungsbaus in Westberlin geht zurück auf den Beginn der 60er Jahre. Mitgerissen von der Euphorie des westdeutschen Wirtschaftswunders wurde auch in Westberlin mit dem Bau von modernen Großsiedlungen begonnen. Die Gropiusstadt (19.000 Wohnungen), das Märkische Viertel (17.000 Wohnungen) und das Falkenhagener Feld (11.500 Wohnungen) sind bis heute die städtebaulichen Zeugen dieser Phase. Ganz selbstverständlich wurden solche Projekte im Rahmen staatlicher Förderprogramme als Sozialer Wohnungsbau realisiert.

Fast 90% des Neubaus gefördert

Seit den 70er Jahren verschoben sich die Neubauaktivitäten des Sozialen Wohnungsbaus stärker auf kleinere Einzelvorhaben. Dennoch blieb der Anteil des geförderten Wohnungsbaus ungebrochen hoch. Zwischen 1961 und 1990 wurden fast 90% aller neugebauten Wohnungen mit öffentlichen Fördergeldern als Sozialer Wohnungsbau errichtet. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum etwa 350.000 Sozialwohnungen gebaut. Nach der Wende wurden nochmals über 70.000 Wohnungen gefördert, sodass mit 420.000 Wohnungen etwa jede dritte Mietwohnung im Rahmen des Sozialen Wohnungsbaus entstanden ist. Die gesamten Fördermittel, die in einem Zeitraum von knapp 40 Jahren ausgegeben wurden, betragen 28 Milliarden Euro.

Doch wohnungspolitisch waren diese Fördergelder nur zum Teil gut angelegt, denn durch die auslaufenden Bindungen verringert sich die Zahl der Sozialwohnungen von Jahr zu Jahr. Nach Angaben des Wohnungsmarktberichts, der von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung herausgegeben wird, haben zurzeit nur etwa 215.000 Wohnungen den Status einer Sozialwohnung - das entspricht etwa 18% aller Mietwohnungen. Bis zum Jahr 2010 - so die Prognosen - wird sich die Zahl der mietpreisgebundenen Wohnungen in Berlin auf unter 200.000 reduzieren.

Diese haushalts- und wohnungspolitisch katastrophale Verringerung von aufwendig geförderten Wohnungsbeständen ist auf die in Europa einzigartige Konzeption des Sozialen Wohnungsbaus als zeitlich begrenzte Lösung zurückzuführen. Statt mit Fördermitteln einen dauerhaften öffentlich-sozialen Wohnungsbestand aufzubauen, waren die Förderprogramme in der BRD immer nur auf eine zeitweilige Mietpreisbindung ausgelegt. Den Status einer Sozialwohnung gibt es im Sozialen Wohnungsbau nur so lange, bis die Förderkredite von den Eigentümern zurückgezahlt sind. Nach den verschiedenen Programmen und Ausführungsverträgen kann sich dies bis zu 40 Jahre hinziehen, üblich sind aber meist deutlich kürzere Laufzeiten. Sind die Förderkredite zurückbezahlt, entfallen auch die Mietpreisbindungen und die Eigentümer/innen können die dann ehemaligen Sozialwohnungen ohne jede Restriktion auf dem Wohnungsmarkt anbieten und vermieten.

Altersstruktur des Sozialen Wohnungsbaus in Berlin

Der derzeitige Bestand an Sozialwohnungen in der Stadt lässt sich in drei große Gruppen teilen, die unterschiedlichen Förderperioden entsprechen.

In den ersten Jahren der Förderung wurden Neubauten im Sozialen Wohnungsbau überwiegend mit direkten Baukostenzuschüssen subventioniert. Die Mieten wurden auf der Höhe einer sogenannten Sozialmiete festgelegt und konnten im Rahmen der Programme jährlich um einen kleinen Betrag erhöht werden. Die Eigentümer zahlten die Zuschüsse langfristig zurück. In dieser Förderung waren die geförderten Wohnungen langfristig gebunden. In Berlin wurden etwa 175.000 Wohnungen unter diesen Konditionen errichtet. Für etwa 78.000 Wohnungen (über 40%) galten 2005 immer noch die Bindungsgrenzen.

1972 ging Berlin bei der Förderung des sozialen Wohnungsbaus zu so genannten Aufwendungshilfen über. Gefördert wurden also nicht mehr die direkten Baukosten, sondern die Kreditkosten der Eigentümer. Die Förderung konzentrierte sich nun stärker auf zinsverbilligte Kredite. Dabei erhielten die Eigentümer Aufwendungshilfen in der Höhe ihrer jährlichen Einnahmelücke, berechnet aus der Differenz zwischen Kostenmiete und Sozialmiete. Bis 1976 bestand die Förderung vollständig aus Aufwendungsdarlehen. Nach 1976 wurden 2/3 der Aufwendungshilfe als Zuschuss und 1/3 als Darlehen gezahlt. Im Zeitraum von 1972 bis 1990 wurden 170.000 geförderte Wohnungen gebaut. Aus dieser Förderperiode waren im Jahr 2005 noch fast 90.000 im Status einer Sozialwohnung, das entspricht etwa 51%.

Änderung der Förderung

Nach der Wende in den 90er Jahren wurde die Förderpraxis zu einer "Vereinbarten Förderung" verändert. Die staatlichen Zuschüsse orientierten sich nun nicht mehr an den tatsächlichen Aufwendungen der Eigentümer, sondern an pauschalierten Grundstückskosten und Baukostenansätzen. Die Mietpreise orientierten sich jedoch auch in diesem Zeitraum noch an einer festgelegten Sozialmiete. Ab 1999 wurde bei der Mietfestlegung die Einkommenssituation der Mieter/innen stärker berücksichtigt (sogenannte Einkommensorientierte Förderung). Insgesamt wurden nach der Wende über 70.000 Wohnungen im Ersten und Zweiten Förderweg des sozialen Wohnungsbaus errichtet. Der größte Teil dieser Wohnungen unterliegt bis heute den Mietpreis- und Belegungsbindungen des sozialen Wohnungsbaus.

Mieten im Sozialen Wohnungsbau

Da die Mieten im Sozialen Wohnungsbau abhängig von den jeweils geltenden Einstiegsmieten und der Dauer der Mietanpassung ist, lässt sich keine eindeutige Verteilung der Mietpreise feststellen. Während die ältesten Bestände oftmals sehr geringe Einstiegsmieten von teilweise unter 4 DM/qm hatten und die Mieten dort erst über einen langen Zeitraum gesteigert werden konnten, wiesen spätere Förderhäuser von Beginn an höhere Mieten auf. Durch die geringeren Laufzeiten, sind jedoch die Mietsteigerungen in diesen Beständen geringer.

Nach Angaben der Senatsverwaltung haben sich aber die durchschnittlichen Nettokaltmieten in den geförderten Wohnungen von 1995 bis 2007 um etwa 1,30 Euro/qm auf inzwischen 5,05 Euro/qm erhöht. Bei den durchschnittlichen Betriebs- und Heizkosten betragen die Gesamtwohnkosten im Sozialen Wohnungsbau inzwischen etwa 7,55 Euro/qm. Für Bedarfsgemeinschaften, die ihre Miete im Rahmen der Sozialgesetzgebung auf "angemessene Wohnkosten" reduzieren müssen, bedeutet dies gravierende Einschränkungen. Denn die mit ALG II bezahlbaren Wohnungen im Sozialen Wohnungsbau liegen deutlich unter den Wohnungsgrößen, die im Rahmen von Wohnberechtigungsscheinen (WBS) für die verschiedenen Haushaltsgrößen als angemessen gelten. Der Soziale Wohnungsbau - errichtet für "breite Schichten der Bevölkerung" früherer Tage - ist für die ökonomisch benachteiligten Haushalte von heute nur eingeschränkt zugänglich.


Tabelle Wohnungsgrößen

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