Mieterecho - Zeitung der Berliner Mietergemeinschaft e.V.

Nr. 298   Juli 2003

IMMOBILIENVERWERTUNGSBEILAGE

Nach der Rigaer Straße 94 wendet sich Suitbert Beulker nun der Liebigstraße 14 zu

Christoph Villinger

Die Eingangstür ist zu. In der Liebigstraße 14 in Friedrichshain ist der Zugang gut gesichert. Doch sobald man auf- und abgeschlossen hat, beginnt schon im Treppenhaus der kollektive Wohnraum. Die Türen zu den verschiedenen Wohngemeinschaften im Haus sind offen. Doch damit möchte der Hausbesitzer Suitbert Beulker jetzt Schluss machen. Seit neuestem fordert er von den 20 MieterInnen zwischen 19 und 36 Jahren den Schlüssel. Jahrelang hatte er damit kein Problem. Doch "nach den Räumungen in der Rigaer Straße 94" habe er "wieder viel Zeit und die Liebigstraße 14 steht nun ganz oben auf der Prioritätenliste", drohte er am Telefon gegenüber einer Mieterin.

Die Liebigstraße 14 ist eines von drei nebeneinander liegenden Häusern, die seit 1999 Suitbert Beulker gehören. Ende 2000 kaufte er noch als viertes Haus die Rigaer Straße 94 dazu. Anfang 1990 wurde die Liebigstraße 14 besetzt und erhielt 1992 Verträge von der Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Friedrichshain. "Für die zehn Wohnungen gibt es vier Küchen und drei Bäder", berichtet Nina*, "was beweist, dass allen Beteiligten die kollektive Wohnstruktur bewusst war". Dies gilt auch für Beulker, als er das Haus besonders billig erwarb. "Damals machte er auf den netten Papa, der für seine Tochter als finanzielle Absicherung ein Haus sucht", erzählt Charlotta*. Beide Seiten schienen gut miteinander auszukommen. Doch zunehmend, parallel zur Eskalation der Situation in der benachbarten Rigaer Straße 94, verschlechterte sich die Stimmung. "Beulker sagte nichts fest zu", erinnert sich Lea*, "auf einen Vertragsentwurf von uns reagierte er nicht und seit März 2001 lässt er sich auf nichts mehr ein." Damals verweigerte er einer Person als Nachmieter in einen der Verträge einzutreten, obwohl den MieterInnen laut Vertrag das Belegungsrecht zusteht.

Ofenreparatur erst nach Gutachten

Nun begann der Kleinkrieg. Beulker monierte den Kompost im Hof: "Wir würden mit seinem Eigentum nicht sorgsam umgehen", erzählt lachend Nina, und sie berichtet von ihrer ausgiebigen Mängelliste, auf die Beulker nicht reagierte. "Schon im Juli 2000 mahnten wir die Reparatur der Kachelöfen an", aber nichts passierte. Erst am 11.09.2001 kündigte er überraschend an, dass sich weitere Reparaturen an den Öfen nicht lohnen würden und er sie nun komplett austauschen wolle. "Dies konnten wir gerade noch verhindern", blickt Nina zurück, "und schließlich musste er die Öfen nach einem Gutachten fachmännisch instand setzen lassen." Auch mehrere Mieterhöhungen konnten sie vor Gericht abwehren. Und bei den Betriebskosten "wollte er einen Hausmeister umlegen, den es gar nicht gibt". Nun ist ihr Problem die aktuelle Modernisierungsankündigung von Beulker. Diese beinhaltet nicht "nur" die üblichen Maßnahmen, welche die MieterInnen nach aktueller Gesetzeslage akzeptieren müssen, wie Einbau einer Heizung und Anschluss ans Blockheizkraftwerk und das Auswechseln der Fenster, sondern auch Grundrissänderungen. "Die Miete würde danach drastisch steigen", betont Lea. Auch Nina befürchtet, dass "nach einer Modernisierung die meisten von uns hier nicht mehr wohnen können."

Erhalt von kollektiven Strukturen

Doch sie wollen sich nicht vertreiben lassen. "Hier sind unseren sozialen und politischen Zusammenhänge", sagt Lea. Und nicht nur ihre kollektiven Wohnstrukturen wollen die MieterInnen der Liebigstraße 14 erhalten, sondern generell billigen Wohnraum. Dafür sind sie auch bereit, einiges zu tun. Zusammen mit anderen Häusern wie der Rigaer Straße 94 und der Wagenburg "Schwarzer Kanal" engagieren sie sich im PiRat (Projekt- und Initiativen Rat), der sich gegen die Vertreibung von alternativen Lebensformen aus der Innenstadt wehrt.

"Ein widersprüchlicher Mensch"

Auch die MieterInnen in der ebenfalls Beulker gehörenden Rigaer Straße 95 und 96 stehen vor ähnlichen Problemen wie fehlerhafte Betriebskostenabrechnungen und schleppende Mängelbeseitigung (siehe auch MieterEcho Nr. 287, die Red.). So organisierten sie ein gemeinsames Treffen aller MieterInnen von Beulker. "Allerdings haben die MieterInnen in diesen beiden Häusern ganz normale Mietverträge ohne Rahmenvereinbarungen", berichtet Knut Beyer von der Mieterberatung ASUM im Samariterviertel. Für ihn ist Beulker "ein widersprüchlicher Mensch". Einerseits verhandle er gern am Küchentisch nach dem Motto "das machen wir schon", andererseits empfinde er es aber immer als persönliches Misstrauen, wenn Mieter ihre Rechte schriftlich einfordern. Auch findet Beulker "bei von ihm ausgewählten Mietern immer wieder kurzfristige Lösungen, zum Beispiel nimmt er Reparaturen eigenhändig vor". Das Kernproblem sei, so Beyer, "dass Beulker das Persönliche vom Geschäftlichen nicht trennen kann."

Rahmenmietvertrag ist Streitgegenstand

Wie es aussieht, wenn kein persönlicher Draht existiert, erleben seit Jahren die MieterInnen der Rigaer Straße 94. Hausbesitzer Beulker erkennt den 1991 zwischen der WBF (Wohnungsgesellschaft Berlin-Friedrichshain) und den ehemaligen Besetzern abgeschlossenen Rahmenmietvertrag nicht an. Vielmehr versucht er seit Jahren, die Bewohner einzeln aus dem Haus zu klagen und bekam im Dezember 2002 vor dem Landgericht in fünf Fällen Recht, in fünfzehn Fällen gewannen die MieterInnen. Strittig ist, inwieweit durch den Rahmenmietvertrag ein Belegungsrecht der Wohnungen mit neuen MieterInnen durch die BewohnerInnen besteht. Bereits im Herbst letzten Jahres ließ Beulker die Gemeinschaftsräume und das Kneipenprojekt "Kadterschmiede" mit Hilfe der Polizei räumen. Anfang Mai diesen Jahres setzte er die Räumung der fünf Wohnungen durch. In den folgenden Tagen zerstörte er gemeinsam mit Bauarbeitern, immer unter dem Schutz der Berliner Polizei, in den geräumten Wohnungen die Kachelöfen, die Kücheneinrichtungen und riss Zwischenwände heraus. Sogar private Waschmaschinen machten sie vorsätzlich kaputt. Die Bewohner hoffen nun auf eine für Juni angekündigte Entscheidung des Kammergerichts Berlin zur Gültigkeit des Rahmenvertrags. Parallel suchen sie nach einem geeigneten Ersatzobjekt. Selbst möchte Beulker sich zu den Auseinandersetzungen nicht äußern.

"Keine Chance", erwiderte er auch bei wiederholtem Nachfragen am Telefon, "ich sage gar nichts mehr, weil ich in der Presse immer in deformierender Weise dargestellt werde". Auch den an ihn gerichteten "Offenen Brief" des Bezirksamts von Friedrichhain-Kreuzberg, unterschrieben von Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer (PDS) und Baustadtrat Franz Schulz (Grüne), will er nicht kommentieren. Darin wird er "in Sorge um den sozialen Frieden im Quartier" aufgefordert, nach "Lösungswegen außerhalb einer Räumung für die betroffenen Mieter" in der Rigaer Straße 94 zu suchen. Bezüglich der Liebigstraße 14 fordert das Bezirksamt ihn zu Verhandlungen über sozialverträgliche Mieten auf.

Vertreibung kommt teuer

Für Lea ist die Auseinandersetzung "ganz klar eine politische Sache, bei der es um die Vertreibung von Wagenburgen und Hausprojekten geht". Dagegen betonen die PolitikerInnen von Bezirk und Senat immer wieder ihre angebliche Ohnmacht gegenüber Beulker. Sie betrachten die Konflikte mit Beulker "als zivilrechtliche Auseinandersetzung", da dieser nach bürgerlichem Recht Eigentümer der Häuser ist und hoffen darauf, dass Beulker demnächst der finanzielle Atem für seine Klagewellen ausgeht. "Mit dem Geld für die tagelangen Polizeieinsätze und den Sprit für den Polizeihubschrauber hätte der Senat Beulker die Häuser längst abkaufen und den BewohnerInnen schenken können", kommentiert eine Nachbarin die Situation. "Wäre billiger."

*) Namen von der Redaktion geändert

Weitere Informationen im Internet:
www.rigaer94.squat.net
www.kadterschmiede.squat.net