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Pressemitteilung der Berliner MieterGemeinschaft vom 17.4.2021

Mietendeckel für nichtig erklärt

Nachforderungen seitens der Vermieter/innen haben hohe soziale Sprengkraft. Die Berliner MieterGemeinschaft e.V. gibt erste rechtliche Hinweise für betroffene Mieter/innen und fordert Senat zum Handeln auf.

Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin („Berliner Mietendeckel“) für nichtig zu erklären, hat eine hohe soziale Sprengkraft. Die seit dem 23. Februar 2020 aufgelaufenen Mietrückstände können sich schnell auf einige Hundert Euro, in manchen Fällen aber auch auf mehrere Tausend Euro belaufen. In vielen Fällen dürfte die kritische Grenze von Rückständen von mehr als einer Monatsmiete für eine fristgemäße Kündigung oder sogar zwei Monatsmieten für eine fristlose Kündigung überschritten sein.

Die Berliner MieterGemeinschaft geht davon aus, dass die Mietdifferenzen, unverzüglich und ohne Zahlungsaufforderung seitens der Vermieter/innen, zu begleichen sind. Im Mietvertrag zur Miethöhe einvernehmlich getroffene Vereinbarungen – sowohl bei Altmietverträgen als auch bei Neumietverträgen – haben Bestand. Aufgrund des Mietendeckels reduzierte Mieten sind unverzüglich zu zahlen, damit der Vermieter das Mietverhältnis nicht fristlos und/oder fristgemäß kündigt. Mit Veröffentlichung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts werden die nicht gezahlten Mieten fällig. Da mit dem Beschluss der genaue Zeitpunkt des Zahlungsverzugs unklar bleibt, wird allen betroffenen Mietern/innen dringend geraten, nicht nur die folgenden Mieten in voller Höhe sondern auch die Mietdifferenz ohne ausdrückliche Aufforderung des Vermieters umgehend zu zahlen.

Mieter/innen sollten sich gegebenenfalls bzgl. der zu zahlenden Mietdifferenzen mit ihrem Vermieter in Verbindung setzen und sich eine Aufstellung der offenen Mietbeträge übersenden lassen. Darauf besteht jedoch kein Anspruch. Die Höhe der offenen Mietbeträge ist ggf. selbst auszurechnen. Noch nicht geklärt ist, ob der Vermieter wegen der Mietrückstände im Zusammenhang mit dem Berliner Mietendeckel sofort kündigen kann, da sich Mieter/innen bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an geltendes Recht gehalten haben. Gleichwohl sind die Mieter/innen verpflichtet, die Mietdifferenzbeträge unverzüglich an den Vermieter zu zahlen. Dies wird dringend empfohlen, um das Risiko einer Kündigung zu vermeiden.

Können Mieter/innen diese Beträge nicht umgehend ausgleichen, sollten sie sich sofort schriftlich und nachweisbar mit ihrem Vermieter bzw. der Hausverwaltung in Verbindung setzen, um eine Ratenzahlung, eine Stundung und /oder einen Verzicht auf Kündigungen wegen der Mietrückstände, die im Zusammenhang mit dem Mietendeckel stehen, zu vereinbaren. Mögliche (Teil)Zahlungen sollten unabhängig von einer derartigen Vereinbarung geleistet werden.

Bei Leistungen des JobCenters für Heizung und Unterkunft im Rahmen von Arbeitslosengeld-2- gemäß Sozialgesetzbuch 2 (SGB II) bzw. sonstigen Sozialleistungen (z. B. Grundsicherung) sollten Mieter/innen, deren Miete aufgrund des Berliner Mietendeckels abgesenkt wurde, umgehend den zuständigen Leistungsträger schriftlich und nachweisbar auffordern, die fälligen Differenzbeträge unverzüglich an den Vermieter zu zahlen und hierüber auch den Vermieter informieren.

„Die Nachforderungen stellen ein existenzielles Risiko dar und drohen eine Verdrängungswelle auszulösen. Besonders Haushalte mit geringen Einkommen treffen sie besonders hart, da sie kaum Rücklagen bilden können. Nach über einem Jahr Pandemie mit Kurzarbeit und Einkommenseinbußen in vielen Branchen dürften viele Haushalte ihre Ersparnisse aufgebraucht haben. Transferleistungsbezieher/innen sind darauf angewiesen, dass die Jobcenter Rückforderungsbeträge schnellstmöglich begleichen oder den Vermieter/innen eine Kostenübernahme zusichern.“ sagt Philipp Möller von der Berliner MieterGemeinschaft.

Der Druck auf bestehende Mietverträge ist enorm. Die im Mietendeckel vorgesehenen Mietobergrenzen bei Neuvermietung hatten das Geschäftsmodell der Verdrängung von Altmieter/innen und anschließender Vermietung zu Höchstpreisen außer Kraft gesetzt. Immerhin gibt es mit der Veröffentlichung des qualifizierten Mietspiegels im Mai eine gerichtsfeste Grundlage für die Berechnung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Die Regelungen zur Mietpreisbremse (§§ 556d ff. BGB) gelten weiterhin. Mieter/innen sollten dringend überprüfen, ob die Mietpreisbremse bei ihnen gilt und sie ggf. nutzen.

Um die sozialen Härten des gestrigen Beschlusses abzufedern, fordert die Berliner MieterGemeinschaft den Senat zum Handeln auf. Es muss schnellstmöglich ein Notfallfonds eingerichtet werden, der Haushalten mit geringen Einkommen auf unbürokratischen Wege finanzielle Unterstützung leistet. Der Senat sollte seinen Ankündigungen aus der Vergangenheit Taten folgen lassen und die Regelungen des Mietendeckels für die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften beibehalten. Die Novelle des Wohnraumversorgungsgesetzes bietet dafür eine passende Gelegenheit. Ein Ausbau des öffentlichen Wohnungsbestandes durch Neubau und Bestandserweiterung ist dringend angezeigt und hat mit dem gestrigen Beschluss weiter an Relevanz gewonnen.
 

Foto: Matthias Coers