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Mietrecht

Urteile

Vorwegabzug von Gewerbeflächen und Zusendung von Abrechnungsbelegen bei einer Betriebskostenabrechnung

Rechnet der Vermieter preisfreien Wohnraums Betriebskosten in gemischt genutzten Abrechnungseinheiten ab, ist - soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben - ein Vorwegabzug der auf Gewerbeflächen entfallenden Kosten für alle oder einzelne Betriebskostenarten jedenfalls dann nicht geboten, wenn diese Kosten nicht zu einer ins Gewicht fallenden Mehrbelastung der Wohnraummieter führen.
Der Mieter preisfreien Wohnraums hat grundsätzlich keinen Anspruch gegen den Vermieter auf Überlassung von Fotokopien der Abrechnungsbelege zur Betriebskostenabrechnung.

BGH Karlsruhe, Urteil vom 08.03.2006 – AZ VIII ZR 78/05 –

Vermieterin und Mieter stritten um die Wirksamkeit und die Fälligkeit einer Betriebskostenabrechnung. Der Mieter vertrat die Auffassung, sämtliche Betriebskosten seien noch nicht fällig, weil die Vermieterin die im Gebäude befindlichen Gewerbeflächen in der Abrechnung nicht vorweg abgezogen und darüber hinaus die von ihm schriftlich angeforderten Fotokopien zu den Abrechnungsbelegen nicht übermittelt habe.

Der Bundesgerichtshof stellte in seinen Urteilsgründen klar, dass die Abrechnung weder aus formellen noch aus inhaltlichen Gründen zu beanstanden sei. Entgegen der Ansicht des Mieters sei die Betriebskostenabrechnung nicht deshalb unwirksam, weil sich in dem zur Mietwohnung gehörenden Gebäude auch Gewerbeflächen befinden, deren anteilige Betriebskosten nicht vorweg zum Abzug gebracht wurden.

Für den preisgebundenen Wohnraum bestimme die Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 2 Neubaumietenverordnung (NMV), dass sämtliche Betriebskosten, die nicht für Wohnraum entstanden sind, bei der Umlage der Betriebskosten vorweg abgezogen werden müssten. Die Neubaumietenverordnung sei jedoch nur auf den in § 1 NMV näher bestimmten preisgebundenen Wohnraum anzuwenden. Eine analoge Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 2 NMV kam nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht in Betracht. Eine solche Analogie sei nur zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthalte und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht insoweit mit dem (nicht geregelten) Tatbestand vergleichbar sei, dass angenommen werden müsse, der Gesetzgeber hätte sich bei einer entsprechenden Interessenabwägung von den gleichen Grundsätzen leiten lassen wie beim Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift (in diesem Fall der Neubaumietenverordnung).

Eine solche Übertragbarkeit der Interessen liege nicht vor, weil es sich bei § 20 Abs. 2 Satz 2 NMV um eine spezielle, das soziale Wohnungsbaurecht regelnde, Vorschrift handele, die ihre Grundlage auf dem Prinzip der Kostenmiete und den damit verbundenen Preisbindungsvorschriften habe. Darüber hinaus handele es sich um eine nur noch auf den Altbestand des sozialen Wohnungsbaus anzuwendende und daher auslaufende Vorschrift. Der Gesetzgeber habe das Recht des sozialen Wohnungsbaus durch das Wohnraumförderungsgesetz vom 13.09.2001 auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt. Von der Schaffung einer dem § 20 Abs. 2 Satz 2 NMV entsprechenden Nachfolgeregelung habe er abgesehen. Auch aus diesem Grund sei eine analoge Anwendung dieser Vorschrift nicht vorzunehmen.

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ergibt sich auch aus den Gründen der Billigkeit keine Verpflichtung des Vermieters, die anteiligen Betriebskosten für die in dem Gebäude befindlichen Gewerbeflächen vorweg abzuziehen. Soweit zwischen den Vertragsparteien nicht etwas anderes vereinbart werde, sei ein solcher Vorwegabzug zumindest dann nicht geboten, wenn die auf die Gewerbefläche entfallenden Kosten nicht zu einer ins Gewicht fallenden Mehrbelastung des Wohnraums des Mieters führen (d. h. die vom Gewerbe pro qm verursachten Kosten in etwa den vom Wohnraum verursachten Kosten entsprechen).

Ein Vorwegabzug ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nur erforderlich, wenn durch die (bezogen auf die gemietete Fläche) höheren Betriebskosten der gewerblichen Nutzung die Wohnungsmieter zusätzlich belastet werden (d. h. das Gewerbe produziert pro qm höhere Kosten als der Wohnraum). Entgegen der Ansicht des Mieters sei es nicht erforderlich, dass die auf die unterschiedliche Nutzung entfallenden Verursachungsanteile ausnahmsweise gleich hoch seien. Es genüge, wenn die gemeinsame Abrechnung nicht zu einer erheblichen Mehrbelastung des Mieters führe.

Dass dem Vermieter zuzubilligende Interesse an einer Vereinfachung der Abrechnung belaste den Mieter nicht über Gebühr. Insbesondere müsse berücksichtigt werden, dass der von den Wohnungsmietern verursachte Anteil an den Kosten regelmäßig (z. B. beim Wasserverbrauch oder bei der Nutzung der Mülltonnen) vom individuellen Wohnverhalten abhänge. Die damit verbundene Ungenauigkeit sei im Einzelfall nicht zu vermeiden. Gleichwohl müsse auch in diesem Fall der Mieter die Abrechnung nach einem einheitlichen generalisierenden Maßstab hinnehmen.

Im vorliegenden Fall hatte das Berufungsgericht festgestellt, dass die im Gebäude befindlichen fünf Gewerbebetriebe (darunter ein Jobcenter und ein Internetcafé mit Sitzplätzen) nicht zu einer erheblichen Mehrbelastung der einzelnen Betriebskostenarten führen. Diese Feststellung war vom Bundesgerichtshof aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Der Mieter hatte darüber hinaus geltend gemacht, dass die streitgegenständlichen Betriebskosten - unabhängig von ihrer inhaltlichen Berechtigung - deshalb noch nicht fällig seien, weil ihm die Vermieterin die gewünschten Fotokopien der Belege noch nicht übersandt habe.

Auch dieses Argument wies der Bundesgerichtshof zurück. Er führte hierzu aus, die Betriebskostenabrechnung werde sofort nach Erteilung der Abrechnung und nicht erst im Anschluss an eine angemessene Überprüfungsfrist fällig. Der Mieter sei somit grundsätzlich mit Erteilung einer - formell ordnungsgemäßen - Abrechnung zur Zahlung des Ausgleichsbetrags verpflichtet.

Dem Mieter stehe ein Zurückbehaltungsrecht gegen die in einer Betriebskostenabrechnung enthaltene Nachforderung nur dann zu, wenn der Vermieter ihm keine Möglichkeit zur Überprüfung der Abrechnung eröffne. Im vorliegenden Fall hatte die Vermieterin jedoch die Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen in ihren Büroräumen angeboten. Zu einer Übersendung der Fotokopien - gegebenenfalls gegen Erstattung von Auslagen - sei ein Vermieter nicht verpflichtet.

Die Pflicht eines zur Rechenschaft Verpflichteten (im vorliegenden Fall des Vermieters) beschränke sich darauf, dem Berechtigten (dem Mieter) eine geordnete Zusammenstellung der Einnahmen oder Ausgaben und der zugehörigen Belege vorzulegen. Einen Anspruch auf Übersendung von Fotokopien sehe das Gesetz nur für den preisgebundenen Wohnraum (nach Maßgabe des § 29 Abs. 2 Satz 1 NMV) vor. Die analoge Anwendung dieser Vorschrift scheide aus den gleichen Gründen wie beim Vorwegabzug von Gewerbe aus.

Der Bundesgerichtshof führte weiter aus, dass sich auch aus den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nichts anderes ergebe. Zwar könne es sein, dass der Mieter im Anschluss an die Übersendung von Fotokopien die Abrechnung in Ruhe in seiner Wohnung überprüfen oder gegebenenfalls einem fachkundigen Berater überlassen könne. Demgegenüber stehe jedoch das berechtigte Interesse des Vermieters, den zusätzlichen Aufwand bei der Fertigung von Fotokopien zu vermeiden und darüber hinaus mögliche Unklarheiten im Gespräch sofort zu erläutern. Dem Mieter stehe es im Übrigen frei, sich fachkundiger Unterstützung bei der Einsicht in die Belege zu bedienen.

Ein Anspruch des Mieters auf Übersendung von Fotokopien komme daher nur in Ausnahmefällen in Betracht, beispielsweise wenn dem Mieter die Einsichtnahme in die Abrechnungsunterlagen in den Räumen des Vermieters nicht zugemutet werden könne.

Veröffentlicht in Wohnungswirtschaft und Mietrecht 2006, S. 200 ff.

Veröffentlicht in MieterEcho Nr. 316