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Mietrecht

Urteile

Vorgetäuschter Eigenbedarf und Schadensersatz

1. Dem gekündigten Mieter steht nach einer vorgetäuschten Eigenbedarfskündigung ein Anspruch auf Auskunft gegen den Vermieter darüber zu, welche Miethöhe dieser von dem neuen Drittnutzer vereinnahmt, dem er die Wohnung entgegen der Darstellung in der Kündigung vermietet und überlassen hat (…).
2. Das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für die Auskunft ergibt sich aus dem möglichen Anspruch des früheren Mieters, einen vom Vermieter mit der Neuvermietung laufend erzielten Mehrerlös nach § 285 Abs. 1 BGB her-
aus zu verlangen. Die dafür erforderliche Identität zwischen dem vom früheren Mieter eingebüßten Gegenstand mit dem, für den der Vermieter das herausverlangte Surrogat erhält (…), wird regelmäßig vorliegen.

LG Berlin II, Urteil vom 28.02.2024 – AZ 66 S 178/22 –

Quelle: juris

Die Vermieter einer Dreizimmerwohnung in Kreuzberg kündigten im Jahr 2015 ihrem Mieter wegen Eigenbedarfs. Sie behaupteten, die Wohnung ihrer Tochter überlassen zu wollen. Ihre Räumungsklage hatte Erfolg, im Jahr 2018 wurde der Mieter zur Räumung verurteilt; noch im gleichen Jahr wurde die Räumung der Wohnung im Wege der Zwangsvollstreckung gegen den Mieter durchgesetzt. Nachdem der Mieter festgestellt hatte, dass die Tochter auch im Jahr 2021 noch nicht in die Wohnung eingezogen war, machte er die ihm entstandenen Umzugskosten als Schadensersatz geltend. Außerdem verlangte er mit einer entsprechenden Klage schon im Mai 2021 die Rückgabe der zu dieser Zeit unbewohnten Räume. Die Vermieter erwiderten im Juni 2021, dass ihre Tochter und deren Lebensgefährte unverändert in die Wohnung einziehen und dort dauerhaft wohnen wollten. Mit einem weiteren Schriftsatz an das Amtsgericht teilten sie sodann im Dezember 2021 mit, dass die Wohnung an neue Mieter vermietet worden sei. Sie legten eine Kopie des neuen Mietvertrages vor, in welchem die Miete geschwärzt war. Der Kläger verlangte darauf von den Vermietern Auskunft über die Höhe der mit den neuen Mietern vereinbarten Miete. Das Amtsgericht Kreuzberg wies seine Klage ab, weil es die von den neuen Mietern geschuldete Miete für die Geltendmachung eines etwaigen Schadens des Mieters (Umzugskosten, Mietdifferenzschaden u. a.) für irrelevant hielt.

Die Berufung des Mieters hatte Erfolg, das Landgericht Berlin verurteilte die Vermieter, dem Mieter Auskunft über die von den neuen Mietern vereinnahmte Miete zu erteilen. Diese Auskunft sei für den Mieter keineswegs irrelevant. Die Ansprüche des Mieters seien hier auch nicht zwingend auf seine umzugsbedingten Ausgaben beschränkt. Die Vermieter waren bis November 2021 zur Rückgabe der Wohnung an den Mieter verpflichtet, denn die Wohnung war seit der Räumung keinem anderen Nutzer überlassen worden. Durch die Vermietung und Übergabe an die neuen Mieter wurde ihnen die Erfüllung dieser Pflicht unmöglich. Mit der Folge, dass der Mieter die Erfüllung gemäß § 275 BGB nicht mehr verlangen konnte. Stattdessen kann er jedoch gemäß § 285 Abs. 1 BGB die Herausgabe des Zuwachses bei den Vermietern auf Grund dieser Konstellation – also der Differenz zwischen der alten Miete und der nun erzielten Miete – verlangen. Die Vermieter hätten hier mit dem dauerhaft berechtigten Mietbesitz genau den Gegenstand, den der Mieter zu beanspruchen hatte, den neuen Mietern überlassen. Da er ohne entsprechende Auskunft außer Stande ist, seinen bestehenden Anspruch geltend zu machen, sind die Vermieter verpflichtet, Auskunft über die Höhe der mit den neuen Mietern vereinbarten Miete zu erteilen.