Logo Berliner Mietergemeinschaft e.V.

Mietrecht

Urteile

Verzicht des Käufers einer Wohnung auf eine Kündigung wegen Eigenbedarfs

Verpflichtet sich der Käufer einer vermieteten Eigentumswohnung gegenüber dem Verkäufer, bei dem es sich um eine juristische Person handelt, innerhalb von 20 Jahren nach Vertragsschluss keine Kündigung wegen Eigenbedarfs auszusprechen, dann handelt es sich bei dieser Vereinbarung um eine Regelung zu Gunsten des Mieters im Sinne des § 328 BGB.
Für die Beurteilung, ob ein solcher in einem vorformulierten Vertrag enthaltener Kündigungsverzicht gegen § 9 AGBG verstößt, ist alleine auf die zur Zeit des Abschlusses des Kaufvertrags geltende Rechtslage abzustellen. Bei der Inhaltskontrolle einer solchen Klausel sind bei generalisierender Betrachtung die Interessen des Verwenders gegenüber denen des typischerweise beteiligten Kunden abzuwägen.

AG Berlin Köpenick, Urteil vom 25.03.2003 – AZ 5 C 6/03 –

Die Vermieterin hatte die von der Mieterin gemietete Wohnung im Jahre 1996 von einer Wohnungsbaugenossenschaft (der Rechtsnachfolgerin einer früheren Kommunalen Wohnungsverwaltung) gekauft. In dem Kaufvertrag war unter anderem folgende Regelung aufgenommen:

"Der Käufer verpflichtet sich gegenüber dem Verkäufer innerhalb von 20 Jahren ab Vertragsschluss keine Kündigungen wegen Eigenbedarfs, auch nicht nach § 564 b Abs. 2 Ziffer 3 BGB, oder entsprechender künftiger Bestimmungen auszusprechen."

Die Vermieterin hatte gleichwohl eine Kündigung wegen Eigenbedarfs ausgesprochen, weil ihr Sohn die Wohnung benötige.

Die Mieterin bestritt unter Hinweis auf den in der Vertragsklausel vereinbarten Kündigungsausschluss die Wirksamkeit der Kündigung.

Die daraufhin von der Vermieterin erhobene Räumungsklage wurde vom Amtsgericht abgewiesen.

Nach Auffassung des Amtsgerichts steht einer wirksamen Kündigung gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB entgegen, dass sich die Vermieterin auf Grund der oben genannten Klausel zu Gunsten der Mieterin verpflichtet habe, auf die Eigenbedarfskündigung für einen Zeitraum von 20 Jahren ab Vertragsschluss zu verzichten. Bei dieser Klausel handele es sich gemäß § 328 BGB um einen wirksamen Vertrag zu Gunsten Dritter, nämlich des jederzeit bestimmbaren Mieters der Wohnung. Eine andere Auslegung lasse diese Bestimmung nicht zu, da ein Verzicht auf Eigenbedarf gegenüber der Verkäuferin, bei der es sich um eine juristische Person handelt, die nicht unmittelbare Besitzerin der Wohnung ist, unsinnig wäre. Etwas anderes könne auch nicht daraus hergeleitet werden, dass die Verkäuferin als Wohnungsunternehmen nach § 5 Abs. 1 Altschuldenhilfegesetz verpflichtet gewesen sei, 15% ihres Wohnungsbestands zu privatisieren und der Senat in diesem Zusammenhang die Vereinbarung eines befristeten Ausschlusses von Eigenbedarfskündigungen empfohlen habe. Das mag zwar politisch so gewollt gewesen sein, hätte aber die Verkäuferin nicht dazu verpflichtet.

Das Gericht sah in der Klausel auch keinen Verstoß gegen § 9 AGBG, der vorliegend weiterhin anwendbar sei.

Nach der zur Zeit des Vertragsschlusses geltenden Rechtslage, worauf nach Ansicht des Amtsgerichts allein abzustellen sei, wäre auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts von Berlin (mit der die Zweite Zweckentfremdungsverbotsverordnung rückwirkend zum 01.09.2000 außer Kraft gesetzt wurde), eine Eigenbedarfskündigung nach dem Sozialklauselgesetz in Verbindung mit der dazu ergangenen Berliner Verordnung für die Dauer von zehn Jahren ausgeschlossen gewesen. Darauf, ob ein Verzicht auf eine Eigenbedarfskündigung für die doppelte Zeit die Vermieterin unter Berücksichtigung ihrer vorgetragenen berechtigten Interessen an der Eigennutzung der Wohnung individuell unangemessen beeinträchtigt, komme es bei einer Inhaltskontrolle dieser Klausel nicht an.

Abzuwägen seien bei generalisierender Betrachtung vielmehr die Interessen des Verwenders einer Formularklausel gegenüber den Interessen des typischerweise beteiligten Kunden. Unter Berücksichtigung dieser Interessen sei die Dauer des Verzichts auf eine Eigenbedarfskündigung gegenüber den jeweiligen Mietern nicht als unangemessen im Sinne des § 9 AGBG anzusehen, denn der Erwerb vermieteter Wohnungen, die zu einem erheblich geringeren Kaufpreis veräußert würden als leerstehende Wohnungen, erfolge in der Regel als Kapitalanlage und nicht aus Gründen der Eigennutzung. Aus den genannten Gründen bedurfte es nach Auffassung des Amtsgerichts auch keiner weiteren Interessenabwägung und es kam auch nicht auf die Frage an, ob der gehbehinderten Mieterin auf Grund ihres hohen Alters (sie war 90 Jahre) und ihrer unstreitigen schweren Erkrankung ein Anspruch auf unbefristete Fortsetzung des Mietverhältnisses gegen die Vermieterin zustand.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Ingo Kruppa

Veröffentlicht in MieterEcho Nr. 300