Mietrecht
Urteile
Modernisierung und Notwendigkeit des Angebots einer Umsetzwohnung
LG Berlin, Urteil vom 17.01.2024 – AZ 66 S 93/21 –
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Jan Becker
Mit einem Schreiben vom 26. Januar 2018 kündigte der Vermieter einer Kreuzberger Wohnung seiner Mieterin umfangreiche Modernisierungsmaßnahmen im Haus und in der Wohnung der Mieterin an. Die Mieterin bewohnte die Wohnung zusammen mit ihrem Ehemann und ihren drei Kindern, darunter einem Kleinkind. In der Modernisierungsankündigung wurden unter anderem folgende Arbeiten angekündigt: Anschluss der mit Ofenheizung beheizten Wohnung an die Fernwärmestation, einschließlich Verlegung von Steigeleitungen und Installation von Heizkörpern, Erneuerung der Warmwasser- und Kaltwasser-Steigeleitungen, komplette Sanierung des Bades, Austausch der Abwasserleitungen, teilweiser Austausch von Fenstern, Erneuerung der Gegensprechanlage, Erneuerung der Stromsteigeleitungen sowie der gesamten Elektroinstallationen in der Wohnung, einschließlich Verlegung sämtlicher Leitungen unter Putz.
Die Mieterin wandte eine unzumutbare Härte ein, da ein Verbleib in der Wohnung während der Dauer der Arbeiten auch mit Rücksicht auf ihre Kinder nicht möglich sei. Der Vermieter legte aber auch in der Folge kein Angebot für eine Umsetzwohnung vor, sondern vertrat die Auffassung, dass die fünfköpfige Familie während der Arbeiten in der Wohnung verbleiben könne. Diese Auffassung teilte das Amtsgericht Kreuzberg nicht und wies die Duldungsklage des Vermieters ab. Auch dessen Berufung beim Landgericht Berlin hatte keinen Erfolg. Angesichts des Umfangs der angekündigten Maßnahmen in allen Räumen der Wohnung sei klar, dass durch solche Arbeiten absehbar flächendeckende Belastungen durch Lärm und Schmutz in allen Räumen, sowie erhebliche unzumutbare Einwirkungsmöglichkeiten durch Witterungsverhältnisse, wie sie der geplante komplette Austausch der Verglasung an den Fenstern in Zeiten kalter oder feuchter Witterung mit sich bringen wird, ausgelöst werden. Hinzu käme, dass die Nutzbarkeit der vorhandenen Wasser- und Stromanschlüsse und der Abflüsse der betroffenen Anlagen in Bad und Küche über längere Zeit entfallen würde. Für die Frage, ob auf Seiten der Mieter rechtserhebliche Härtegründe vorliegen, müsse die Gesamtheit der angekündigten Maßnahmen und insbesondere das intensivste Maß der Einwirkung auf die weitere Benutzbarkeit der betroffenen Räume den Maßstab bilden. In diesem Fall sei es daher Voraussetzung für einen fälligen Duldungsanspruch des Vermieters, dass die Ursachen für einen berechtigten Härteeinwand entweder überzeugend gelöst und so die bestehende Härte entschärft wird, oder dass auf die entsprechenden Arbeiten verzichtet wird. Die Modernisierungsankündigung entspreche daher nicht den Vorgaben des Gesetzes.
Das Landgericht führte dazu aus: „Bei derart intensiven Arbeiten, die ein ständiges Ausweichen der betroffenen Familie innerhalb der Räume zur Folge hätte (insbesondere ein ständiges Lavieren und Improvisieren zwischen unbewohnbaren und solchen Bereichen, in denen für kürzere Zeiträume gerade keine Arbeiten und Störungen stattfinden), (…) bedarf es in der Ankündigung der konkreten Benennung entsprechender Optionen, aus denen sich in aussagekräftigen Umrissen ergeben muss, wie der Vermieter gegebenenfalls die Übersiedlung der betroffenen Mieter in eine Ausweichwohnung praktisch vorstellbar und organisatorisch lösbar gestalten will. “ Da die Modernisierungsankündigung des Vermieters bereits die Notwendigkeit eines derartigen Ausweichens der Wohnungsnutzer nicht anerkenne, jedenfalls aber keinerlei konkrete Vorgehensweise aufzeige, mit der er die Hindernisse zu überwinden gedenke, fehle für die Entstehung fälliger Duldungsansprüche eine formal ordnungsgemäße Modernisierungsankündigung als Grundlage. Auch die in einem Schriftsatz aus dem Jahr 2019 vom Vermieter pauschal geäußerte Absicht, er biete für die Dauer der Durchführung der Modernisierungsarbeiten in der Wohnung Ersatzwohnraum an, reichte dem Landgericht nicht. Dieser Ankündigung lasse sich nämlich nicht entnehmen, für welche der zahlreichen in der Wohnung und im Haus geplanten Arbeiten und für welche Zeiträume das Angebot überhaupt gelten solle. Außerdem müsse das Angebot für eine externe Ausweichwohnung jedenfalls so konkret und verbindlich abgefasst sein, dass auch das Verfahren und die Kosten für die Übersiedlung von dem Vermieter eindeutig dem ihn selbst treffenden Verantwortungs- und Planungsbereich zugeschrieben werden.