Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

Mietrecht

Urteile

Modernisierung oder Mangelbeseitigung

1. Die Kosten eines Balkonanbaus können nicht als Modernisierung auf die Miete umgelegt werden, wenn die Wohnung bei Anmietung mit einem Balkon ausgestattet war, welcher rund 30 Jahre zuvor wegen Baufälligkeit abgerissen werden musste.
2. Der Anspruch des Mieters auf Mangelbeseitigung ist nicht verwirkt, wenn er den Vermieter zur Mangelbeseitigung auffordert und diesen Anspruch danach über 30 Jahre nicht durchsetzt, sondern lediglich geringfügig die Miete mindert.
3. Eine Verjährung von Mangelbeseitigungsansprüchen ist während des laufenden Mietverhältnisses ausgeschlossen.

AG Schönberg, Urteil vom 18.07.2017 – AZ 16 C 73/17 –

Die Wohnung einer Mieterin in Schöneberg war bei Anmietung im Jahr 1970 mit einem Balkon ausgestattet gewesen. Wegen Baufälligkeit wurde der Balkon im Jahr 1982 entfernt. Die Aufforderungen der Mieterin, den Balkon wiederherzustellen, blieben vergeblich. Sie minderte die Miete daraufhin über Jahrzehnte hinweg geringfügig, was der Vermieter akzeptierte. Nach einem Eigentümerwechsel im Jahr 2013 ließ der neue Vermieter wieder einen Balkon anbauen. Er verlangte von der Mieterin einen Modernisierungszuschlag von 15,47 Euro. Da die Mieterin die Zahlung dieses Zuschlags verweigerte, ließ er ein Gitter anbringen, welches die Mieterin am Betreten und der Nutzung des Balkons hinderte. Die Mieterin klagte auf Entfernung dieses Gitters. Mit Erfolg: Das Amtsgericht Schöneberg verurteilte den Vermieter zur Beseitigung des Gitters und stellte fest, dass die Mieterin für die Dauer der Sperrung des Balkons zur Minderung ihrer Bruttokaltmiete um 5% berechtigt ist. Es folgte der Auffassung des Vermieters nicht, der Anspruch der Mieterin auf Wiederherstellung des ursprünglichen Balkons sei verwirkt. Hierfür reiche der reine Zeitablauf von mehr als 30 Jahren seit Entfernung des alten Balkons nicht aus. Für eine solche Annahme seien vielmehr weitere besondere Umstände bzw. ein Verhalten der Mieterin erforderlich, aus denen der Vermieter hätte entnehmen können, dass die Mieterin ihr Recht auf Wiederherstellung des Balkons nicht mehr geltend machen wolle. Da sie jedoch den damaligen Vermieter bereits im Jahr des Balkonabrisses zur Wiederherstellung aufgefordert und im Anschluss über Jahrzehnte die Miete gemindert habe, habe er hiervon gerade nicht ausgehen können. Auch eine Verjährung des Instandsetzungsanspruchs der Mieterin verneinte das Amtsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach eine solche während des laufenden Mietverhältnisses nicht möglich ist. Da der Vermieter somit nach Auffassung des Amtsgerichts mit dem Anbau eines neuen Balkons lediglich den vereinbarten Zustand der Mietwohnung wiederhergestellt hatte, konnte er auch keine Modernisierungsumlage von der Mieterin verlangen. Die Sperrung des neuen Balkons stellte folglich einen Mangel dar, welcher die Mieterin zur Minderung berechtigte.


Anmerkung: Eine Umlage von Modernisierungskosten käme in einem derartigen Fall infrage, wenn der Vermieter einen – im Vergleich zum ursprünglich vorhandenen – besseren (insbesondere größeren) Balkon angebaut hätte. Er könnte dann die tatsächlich angefallenen Kosten abzüglich der ersparten Instandsetzungskosten (Kosten eines Balkons in ursprünglicher Qualität und Größe) auf die Mieterin umlegen. Im vorliegenden Fall hatte der Vermieter aber nicht behauptet, dass der neue Balkon irgendeine höhere Qualität als der alte hätte.

 

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Hans-Christoph Friedmann


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