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Mietrecht

Urteile

Minderungsrecht und Zurückbehaltungsrecht des Mieters bei nicht erfolgter Mangelbeseitigung trotz rechtskräftigen Urteils

Ist der Vermieter durch ein rechtskräftiges Urteil zur Beseitigung eines Mangels verpflichtet und hat er diesen dennoch nicht beseitigt, kann er gegen eine wegen dieses Mangels vorgenommene Minderung nicht einwenden, dass der Mangel nicht tatsächlich bestehen würde. Besteht ein zur Minderung berechtigender Mangel, steht dem Mieter neben der Minderung auch ein Zurückbehaltungsrecht in dreifacher Höhe des Minderungsbetrags zu.

LG Berlin, Urteil vom 16.05.2014 – AZ 63 S 165/13 –

 

Nach einem Dachgeschossausbau über ihrer Wohnung hatte die Mieterin im Jahr 2004 gegenüber dem damaligen Vermieter ein rechtskräftiges Versäumnisurteil erwirkt, welches diesen zur Herstellung einer die Trittgeräusche beseitigenden Trittschalldämmung verpflichtete. Da die Eigentumsverhältnisse an der Wohnung der Mieterin in der Folge jahrelang ungeklärt blieben, betrieb die Mieterin nicht die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil, minderte aber die Miete wegen des Mangels um 20%. Erstmals am 16. August 2010 und in der Folge noch mehrmals kündigte der jetzige Vermieter das Mietverhältnis fristlos wegen angeblicher Mietrückstände. Er bestritt, dass ein Mangel der Trittschalldämmung vorliegt. Zudem sei es ihm unmöglich, Feststellungen zu einem solchen Mangel zu treffen oder diesen zu beseitigen, weil der Eigentümer der darüber liegenden Wohnung den Zugang nicht gestatten würde. Da die von der Mieterin über die Jahre einbehaltenen Minderungsbeträge zwei Monatsmieten bei Weitem überstiegen, läge ein Kündigungsgrund vor. Im Rahmen des vom Vermieter angestrengten Räumungsverfahrens beauftragte das Amtsgericht Schöneberg einen Sachverständigen mit der Klärung der Frage, ob eine mangelhafte Trittschalldämmung vorliegt. Da der Eigentümer der darüber liegenden Wohnung auch dem Sachverständigen keinen Zutritt gewährte, konnte dieser jedoch die notwendigen Feststellungen nicht treffen. Darauf verurteilte das Amtsgericht die Mieterin zur Räumung der Wohnung. Es vertrat die Auffassung, dass die Mieterin für das Vorliegen einer mangelhaften Trittschalldämmung und damit auch für ihre Berechtigung, die Miete zu mindern, beweispflichtig sei. Da sie diesen Beweis mangels Mitwirkung des Nachbarn nicht führen konnte, verneinte das Amtsgericht ein Recht zur Minderung mit der Folge, dass die Kündigung des Vermieters wegen Zahlungsrückständen wirksam sei. Die Mieterin legte Berufung gegen das Urteil sein. Das Landgericht Berlin hat das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Räumungsklage des Vermieters abgewiesen. Es stellte klar, dass das rechtskräftige Urteil aus dem Jahr 2004 auch gegen den jetzigen Vermieter als Rechtsnachfolger des damaligen Vermieters wirkt. Wenn der damalige Vermieter rechtskräftig zur Herstellung einer Trittschalldämmung verurteilt wurde, könne der jetzige Vermieter nicht mehr geltend machen, dass eine solche nicht erforderlich und im ersten Prozess falsch entschieden worden sei. Die Rechtskraft des damaligen Urteils bewirke, dass das Gericht davon ausgehen müsse, dass die Trittschalldämmung mangelhaft sei. Unerheblich sei auch, ob sich der Eigentümer der Dachgeschosswohnung weigere, die notwendigen Feststellungen oder Arbeiten zu ermöglichen. Der Vermieter müsse nämlich darlegen, dass diese Weigerung nicht, zum Beispiel durch eine Geldzahlung, überwunden werden könnte. Außerdem ändere die Unmöglichkeit der Mängelbeseitigung nichts an der Gebrauchsbeeinträchtigung und damit am Recht der Mieterin zur Mietminderung. Die angemessene Mietminderung bemaß das Amtsgericht mit lediglich 10%. Dennoch verneinte das Landgericht einen zur Kündigung berechtigenden Mietrückstand. Über diese Minderung hinaus konnte die Mieterin laut Klarstellung des Landgerichts nämlich noch die Einrede des nicht erfüllten Vertrags erheben, in deren Folge sie ein Zurückbehaltungsrecht in Höhe des dreifachen Minderungsbetrags geltend machen konnte. Es komme dabei nicht darauf an, dass die Mieterin ein solches Zurückbehaltungsrecht nicht ausdrücklich geltend gemacht habe.

 

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Hans-Christoph Friedmann