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Mietrecht

Urteile

Minderung wegen deutlicher Uriniergeräusche aus der Nachbarwohnung

Sind in einer Wohnung im zentralen Wohn- und Essbereich nach einem Umbau im darunter liegenden Geschoss Geräusche des Urinierens störend laut und deutlich wahrnehmbar, wenn im unter der Küche der Wohnung liegenden Bad des unteren Geschosses die Toilette benutzt wird, ist die Miete um 10% gemindert. Darüber hinaus ist der Vermieter zur Beseitigung dieses Mangels verpflichtet.

AG Charlottenburg, Urteil vom 12.10.2022 – AZ 215 C 226/19 –

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Hans-Christoph Friedmann

In der Zeit von Juni 2017 bis Februar 2018 ließ die Vermieterin eines Hauses in Charlottenburg im Erdgeschoss des Hauses umfangreiche Umbauarbeiten durchführen. Es wurden zwei Wohnungen zusammengelegt. Unter anderem wurde auch ein zuvor als Küche genutzter Raum zum Bad umgebaut, in diesem wurde an der Wand zum Wohnzimmer, in welcher sich der Schornstein für die Gasetagenheizung befindet, ein neues WC installiert. Seither nimmt die Mieterin der darüber liegenden Wohnung, in welcher sie seit 1999 wohnt, in ihrem darüber befindlichen Wohn- und Esszimmer – ebenso wie ihre Gäste – deutliche und störende Uriniergeräusche wahr, wenn diese Toilette von dem jetzigen Bewohner der Erdgeschosswohnung benutzt wird. Sie bat ihren Vermieter vergeblich, die Toiletteninstallation in der Erdgeschoßwohnung zu überprüfen und für eine Beseitigung dieser unangenehmen Geräuschbelästigung zu sorgen. Mit ihrer beim Amtsgericht Charlottenburg erhobenen Klage machte sie die Mangelbeseitigung geltend und verlangte zudem die Feststellung, dass die Miete wegen dieses Mangels bis zu dessen Behebung gemindert ist. Das Gericht führte eine umfangreiche Beweisaufnahme durch, unter anderem vernahm es die Schwester der Mieterin, welche im gleichen Haus wohnt. Diese konnte bestätigen, dass diese Geräusche im Wohnbereich der Mieterin erst nach dem Umbau im Erdgeschoss aufgetreten und seither sehr „unappetitlich“ sind. Der mit einer Geräuschmessung beauftragte Sachverständige kam zwar aufgrund seiner Messergebnisse zu dem Ergebnis, dass die Geräusche zwar wahrnehmbar, aber nicht deutlich wahrnehmbar seien. Er führte in seiner Vernehmung aber zusätzlich aus, dass Uriniergeräusche etwas „Fremdartiges“ seien, sodass diese leichter wahrgenommen würden, erst recht bei in den Abendstunden heruntergehendem Fremdgeräuschpegel. Dies reichte dem Amtsgericht aus, um eine nicht mehr vertragsgemäße Beschaffenheit anzunehmen. Bei Uriniergeräuschen handele es sich nämlich um solche Geräusche, die von der Allgemeinheit eher als unangenehm empfunden werden und als Geräuschkulisse jedenfalls nicht in Wohn-, Ess- oder Schlafräumen gewünscht werden. Insofern könne der Erholungswert dieser Räume, die einem Mieter als Ort der Privatsphäre dienen, deutlich gestört sein, wenn Uriniergeräusche aus benachbarten Wohnungen wahrnehmbar sind. Da solche Geräusche vor den Umbauarbeiten im Erdgeschoss in der Wohnung der Mieterin nicht wahrnehmbar waren, ist der Vermieter nach dem Urteil des Amtsgerichts zur Beseitigung dieses Mangels verpflichtet. Außerdem gestand das Amtsgericht der Mieterin eine Minderung von 10% der jeweiligen Miete bis zur Beseitigung des Mangels zu.