Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

Mietrecht

Urteile

Mieter/innen fragen – wir antworten

Fragen und Antworten zu Besitzstörungen, verbotener Eigenmacht und was zu tun ist,
wenn der Vermieter einfach mit Baumaßnahmen beginnt

Von Rechtsanwältin Ulrike Badewitz    


Was versteht man eigentlich unter einer Besitzstörung?            


Von einer Besitzstörung im Mietverhältnis wird gesprochen, wenn der Vermieter, ein vom Vermieter beauftragter Handwerker, ein/e andere/r Mieter/in oder eine andere dritte Person durch Lärm-, Geruchs- und/oder Staubbelästigungen und Ähnlichem Mieter/innen in ihrer Besitzausübung stören. Beispielsweise stellt das Aufstellen eines Baugerüstes eine Besitzstörung dar, denn dadurch entstehen regelmäßig eine Verschattung der Wohnung, eine gesteigerte Einbruchsgefahr und eine erhöhte Einsichtsmöglichkeit in die Wohnung durch die auf dem Gerüst arbeitenden Handwerker. Es kann auch eine Besitzstörung darstellen, wenn der Vermieter gezielt Druck auf Mieter/innen ausübt, um diese zum Auszug aus der Wohnung zu veranlassen oder Mieter/innen durch falsche Informationen bewusst verunsichert. Mitmieter/innen stören ihre Nachbar/innen beispielsweise in ihrem Besitz, wenn sie auf deren gemieteten Parkplätzen ihre Fahrzeuge abstellen oder bis tief in die Nacht hinein laute Partys feiern.             

 

Bedeutet das, dass ich als Mieter Wohnungsbesitzer bin? Ich dachte, der Vermieter besitzt die Mietwohnung.    


Mieter/innen sind sogenannte unmittelbare Besitzer/innen der Wohnung, die durch den Einzug in die Mietwohnung die tatsächliche Herrschaft über die Sache, also über die Mietwohnung, erlangt haben und diese unmittelbar ausüben. Der Vermieter ist Eigentümer des Gebäudes oder – im Fall des Wohnungseigentums – der Wohnung. Die Unterscheidung zwischen Eigentum und Besitz ist wichtig, denn das Gesetz gibt auch dem Besitzer wichtige Rechte. Für das Mietverhältnis hat das zur Folge, dass Mieter/innen einen gesetzlichen Rechtsanspruch darauf haben, ihren Besitz grundsätzlich ungestört ausüben zu dürfen.                                                                    

 

Stellt eine Instandhaltung wie die Renovierung des Treppenhauses oder das Streichen der Fassade auch schon eine Besitzstörung dar?            


Das kommt darauf an, ob diese Arbeiten mit erheblichen Belästigungen verbunden sind. Ist dies der Fall, stellen diese Arbeiten Besitzstörungen dar. Wenn Sie als Mieter/in mit diesen Arbeiten einverstanden sind, ist die Besitzstörung aber nicht widerrechtlich. Widerrechtlich ist sie nur dann, wenn die Besitzstörung ohne den Willen des Mieters/der Mieterin erfolgt. Das Gesetz spricht in diesem Fall von verbotener Eigenmacht. Verbotene Eigenmacht ist somit eine Besitzstörung gegen den Willen der Mieter/innen.                                                    

 

Was kann ich gegen verbotene Eigenmacht tun?                


Das Gesetz gibt Mieter/innen ein Selbsthilferecht. So heißt es in § 859 Absatz 1 BGB: „Der Besitzer darf sich verbotener Eigenmacht mit Gewalt wehren.“ Aber Vorsicht: Hier muss immer verhältnismäßig gehandelt werden. Das heißt: Von mehreren Reaktionsmöglichkeiten ist grundsätzlich diejenige zu wählen, die den Störer geringstmöglich belastet und gleichzeitig zum Ziel führt. Dies bedeutet zum Beispiel im Fall des unberechtigten Parkens auf dem gemieteten Parkplatz, dass Mieter/innen einen Falschparker grundsätzlich auf dessen Kosten abschleppen lassen dürfen. Wenn aber der Falschparker seine Telefonnummer deutlich sichtbar in seinem Fahrzeug hinterlassen hat, ist zunächst der Versuch zu unternehmen, den Falschparker telefonisch zu erreichen und ihn aufzufordern, den Parkplatz zu verlassen, bevor ein Abschleppunternehmen beauftragt wird.      

 

Mein Vermieter hat bereits mit Modernisierungsarbeiten in unserem Haus begonnen. Die Arbeiten haben zu erheblichen Verschmutzungen und Behinderungen im Treppenhaus geführt. Das Gerüst wird gerade am Gebäude aufgebaut. Da wir uns die angekündigte Mieterhöhung nicht leisten können, haben wir dem Vermieter mitgeteilt, dass wir die Modernisierungsarbeiten nicht dulden. Handelt es sich hier auch um verbotene Eigenmacht?   

 

Durch die Bauarbeiten sind Sie als Besitzer der Mietwohnung in Ihrem Besitz gestört. Eine Besitzstörung besteht in den Verschmutzungen und Behinderungen im Treppenhaus, da diese nicht unwesentlich sind. Dass diese Besitzstörung nur unerheblich wäre, hätte im Übrigen ihr Vermieter zu beweisen. Das Aufstellen des Gerüsts beeinträchtigt Ihren Besitz soweit Ihre Wohnung über Fenster zu der eingerüsteten Fassade verfügt. Da die Besitzstörung ohne Ihren Willen erfolgt, stört der Vermieter Sie durch verbotene Eigenmacht in Ihrem Besitz.     

 

Habe ich in solchen Fällen ein Recht auf Selbsthilfe?                


Die Antwort lautet ja, wobei es im Einzelfall schwierig sein wird, jeweils abzuwägen, welche Reaktionen den Vermieter geringstmöglich belasten. Bei einem Überschreiten der Grenzen des Selbsthilferechts kann man sich selbst schnell schadensersatzpflichtig machen. Um sich dieser Gefahr nicht auszusetzen, empfehle ich in derartigen Fällen unbedingt, zunächst eine anwaltliche Beratung in einer unserer Beratungsstellen einzuholen und dann die weitere Vorgehensweise abzustimmen. So kann es möglicherweise angeraten sein, beim zuständigen Amtsgericht einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Unterlassungsverfügung anzubringen. Das Gericht entscheidet in begründeten Fällen auch ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung vorläufig und untersagt dem Vermieter, die einzelnen Baumaßnahmen durchzuführen und/oder fortzusetzen.    

 

Was heißt vorläufige Entscheidung im Eilverfahren?                


Das heißt, dass eine besonders dringende und eilige Sache ausnahmsweise vorläufig von dem Gericht entschieden wird, bis das normale Klageverfahren – das sogenannte Hauptsacheverfahren – abgeschlossen ist. Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens kann ja einige Zeit vergehen. Bis das Gericht rechtskräftig darüber entschieden hat, ob Mieter/innen zur Duldung von Maßnahmen verpflichtet sind oder nicht, hat der Vermieter die Bauarbeiten womöglich schon zu Ende geführt und auf diese Weise Fakten geschaffen.        

 

Was bringt es mir, wenn die Fortsetzung der Baumaßnahmen vom Gericht nur vorläufig untersagt wird?        


Da Vermieter in der Regel ein hohes Interesse daran haben, die begonnenen Baumaßnahmen zum Abschluss zu bringen und weil Bauverzögerungen für Vermieter hohe Kosten nach sich ziehen können, kommt es häufig vor, dass nach Erlass einer einstweiligen Unterlassungsvereinbarung Mieter/innen und Vermieter miteinander ins Gespräch kommen. So können zum Beispiel Vergleichsverhandlungen geführt werden mit dem Ziel, dass die Modernisierungen für den Mieter keine oder nur eine geringere Mieterhöhung als die angekündigte Mieterhöhung zur Folge haben. Manche Vermieter sind auch bereit, genauer als bisher hinzuschauen und abzuwägen, welche Maßnahmen wirklich im Einzelfall in der Mietwohnung durchgeführt werden müssen. Auch sollte verhandelt werden, ob Mieter/innen für Maßnahmen im Außenbereich die Duldung erklären und hierfür im Gegenzug Mieterhöhungen ausgeschlossen werden. Oft werden auch Vereinbarungen dahingehend geschlossen, dass überfällige Instandsetzungen miterledigt werden oder dass generell Mieterhöhungen für eine bestimmte Zeit ausgeschlossen werden. Natürlich kann im Einzelfall auch einmal die Zahlung einer Auszugsentschädigung für den Mieter von Interesse sein, falls ohnehin ein Ortswechsel aus privaten oder beruflichen Gründen beabsichtigt oder wenn eine attraktive Ersatzwohnung gefunden worden ist. Bei Vergleichsverhandlungen darf man kreativ sein. Wichtig ist, dass beide Interessen angemessen berücksichtigt werden und der Vermieter die Mieter/innen als Verhandlungspartner auf Augenhöhe wahrnimmt.    

 

Wie lange kann ich denn abwarten, bevor ich mich gegen eine Besitzstörung im Eilverfahren wehre?        


Um mit einer einstweiligen Verfügung Erfolg zu haben, benötigen Mieter/innen nicht nur einen Anspruch auf Unterlassung, sondern es muss auch eine besondere Dringlichkeit, also eine besondere Eilbedürftigkeit vorliegen. Im Fall der verbotenen Eigenmacht wird üblicherweise von besonderer Dringlichkeit des rechtswidrigen Zustands ausgegangen, sodass daher im Eilverfahren durch ein Gericht zu entscheiden ist. Diese Dringlichkeitsvermutung kann aber widerlegt werden, wenn Mieter/innen zu lange abwarten und damit die Umstände zu lange hinnehmen. Allerdings gibt es keine festen zeitlichen Grenzen. Es ist völlig unklar, welche Zeitspanne hier noch hinzunehmen ist. Maßgeblich sind die Besonderheiten des Einzelfalls. Grundsätzlich kann gesagt werden, dass bei längerem Abwarten stets ein gewisses Prozessrisiko gegeben ist. Der richtige Zeitpunkt erfordert also ein wenig Fingerspitzengefühl.                                                             

Kann der Vermieter schon im Eilverfahren einwenden, dass ich als Mieterin zur Duldung von Modernisierungen verpflichtet bin?                


Nein, im einstweiligen Verfügungsverfahren (auch Eilverfahren genannt) kommt es nicht darauf an, ob Mieter/innen nach mietrechtlichen Vorschriften verpflichtet sind, die vom Vermieter geplanten Maßnahmen letztlich zu dulden. Bei den Duldungsansprüchen handelt es sich nämlich um sogenannte schuldrechtliche Ansprüche. Wie ich es aber oben schon erwähnt habe, geht es im Eilverfahren zunächst ausschließlich um den Besitzschutz. Für den Besitzschutz ist es also zunächst nicht von Bedeutung, ob Mieter/innen zur Duldung von Modernisierungsmaßnahmen verpflichtet sind oder nicht. Mit anderen Worten: Wenn die Mieter/innen dem Vermieter rechtzeitig mitgeteilt haben, dass sie die Modernisierungen nicht dulden und ggf. sogar einen gesetzlichen Härteeinwand frist- und formgerecht geltend gemacht haben, ist es Sache des Vermieters, gerichtlich klären zu lassen, ob die Mieter/innen zur Duldung der Baumaßnahmen verpflichtet sind. Ob und ggf. in welchem Umfang die Mieter/innen verpflichtet sind, die vom Vermieter angekündigten Maßnahmen zu dulden, ist dann vom Gericht festzustellen. Ebenso die Frage, ob überhaupt rechtmäßig angekündigt worden ist oder ob bereits an dieser Stelle Formfehler seitens des Vermieters begangen worden sind.                

In der Praxis erhebt der Vermieter häufig keine Duldungsklage, da er in der Regel kein Interesse daran hat, erst einmal eine gerichtliche Auseinandersetzung über die Frage der Duldungspflicht zu führen, die ja grundsätzlich auch für ihn mit einem Prozesskostenrisiko verbunden ist und die für ihn auch eine zeitliche Unwägbarkeit bedeutet. Insbesondere haben Vermieter kein Interesse daran, gegen eine Vielzahl von Mieter/innen, die signalisiert haben, dass sie die Maßnahmen nicht dulden werden, jeweils eine Duldungsklage zu erheben. An dieser Stelle zeigt sich wieder einmal, wie wichtig es ist, dass sich die Mieter/innen untereinander vernetzen und die anstehenden Fragen der weiteren Vorgehensweise gemeinsam abstimmen oder sich wenigstens gegenseitig auf dem Laufenden halten.                 

Daher kommt es in der Praxis sehr oft vor, dass nach einer Modernisierungsankündigung häufig einfach drauflosgebaut wird, auch wenn einzelne Mieter/innen mitgeteilt haben, mit der Modernisierung nicht einverstanden zu sein. Da sich Mieter/innen in dieser Phase – aus verständlichen Gründen wie Unsicherheit, Unkenntnis oder einfach aus Kostengründen – häufig zu passiv verhalten, hat ein derartiges Verhalten der Vermieterseite bereits allzu oft zum Erfolg geführt, denn es werden auf diese Weise ja tagtäglich neue Fakten geschaffen. Mieter/innen, die sich, nachdem die Baumaßnahmen abgeschlossen sind, gegen die mit den Modernisierungen verbundenen Mieterhöhungen zur Wehr setzen wollen, müssen sich seitens der Gerichte dann entgegengehalten lassen, dass sie die Maßnahmen ja geduldet und demzufolge auch die Mieterhöhungen hinzunehmen haben. Leider sehe ich in der Praxis aber auch immer wieder Urteile in einstweiligen Verfügungsverfahren, die falsch sind und sich auch bei verbotener Eigenmacht des Vermieters darauf beziehen, dass Mieter/innen für die Dauer der Bauarbeiten ja mietrechtliche Ansprüche wie Mietminderung geltend machen könnten und deshalb etwaige Beeinträchtigungen des Besitzes nicht im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens zu sichern wären. Andererseits liegen bereits zahlreiche landgerichtliche Entscheidungen vor, die die einstweiligen Unterlassungsverfügungen aus den oben genannten Gründen bestätigt haben. Auf diese kann im Streitfall Bezug genommen werden und so können diese dazu beitragen, dass auch andere Mieter/innen zu ihrem Recht gelangen.                                           

 

Wie verhält es sich denn mit den Instandsetzungsmaßnahmen? Können sich Vermieter in einstweiligen Verfügungsverfahren gegen die Durchführung von Baumaßnahmen mit der Begründung durchsetzen, dass es sich bei den Baumaßnahmen nur um reine Instandsetzungen handeln würde?        


Es trifft zu, dass sich die mietrechtliche Interessenlage bei einer Instandsetzung von derjenigen bei einer Modernisierung unterscheidet. Ein wesentlicher Unterschied ist, dass Vermieter gegenüber den Mieter/innen zu Instandhaltung der Mietsache, nicht aber zu deren Modernisierung verpflichtet sind. Auch kann eine Modernisierung, anders als eine Instandsetzung, zu einer Mieterhöhung berechtigen. Bei reinen Instandsetzungen besteht somit häufig eine Duldungsverpflichtung seitens der Mieter/innen. Für den Besitzschutz, um den es ja zunächst im Verfahren wegen verbotener Eigenmacht geht, ist es aber ohne Bedeutung, ob es sich um Instandsetzungsmaßnahmen oder um Modernisierungen handelt. Dies ist von der 18. Kammer des Landgerichts erst kürzlich wieder bestätigt worden. Für Mieter/innen ist es, sofern die Maßnahmen nicht ausdrücklich als reine Instandsetzungsmaßnahmen ohne Mieterhöhung angekündigt wurden, ja auch gar nicht erkennbar, welche Besitzbeeinträchtigungen von Instandsetzungsarbeiten und welche von Modernisierungsmaßnahmen herrühren, sodass ihnen mit diesem Argument stets der Wind aus den Segeln genommen werden könnte. Mit der Begründung, dass es sich bei den Baumaßnahmen nur um reine Instandhaltungs- oder Instandsetzungsarbeiten handelt, kann sich der Vermieter im einstweiligen Verfügungsverfahren daher nicht durchsetzen.                       

 

Rechtsanwältin Ulrike Badewitz berät in der Beratungsstelle Charlottenburg, Sophie-Charlotten-Straße 30 A.

 

 


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