Mietrecht
Urteile
Mieterhöhung nach dem Berliner Mietspiegel und Einordnung in die Orientierungshilfe
AG Berlin-Lichtenberg, Urteil vom 04.02.2025 – AZ 7 C 5099/24 –
Quelle juris
Die Vermieterin verlangte von dem Mieter mit Schreiben vom 30. Juni 2024 eine Mieterhöhung. Das Mieterhöhungsverlangen war formell wirksam. Unter Bezugnahme auf den Berliner Mietspiegel 2024 hatte die Vermieterin in ihrem Erhöhungsverlangen mehrere Merkmale aus der Orientierungshilfe wohnwerterhöhend berücksichtigt.
Unter anderem hatte sie in der Merkmalgruppe 5 (Umfeld) einen Aufschlag von 20% gefordert und begründete dies damit, dass die „gute Anbindung an den ÖPNV“ und die „gute Nahversorgung“ wohnwerterhöhend zu berücksichtigen seien.
Das Gericht hat das Merkmal als „neutral“ bewertet und seine Entscheidung u. a. unter Bezugnahme auf die „Dokumentation Berliner Mietspiegel 2024“ ausführlich und nachvollziehbar begründet:
Die Orientierungshilfe enthalte in der Merkmalgruppe 5 kein Merkmal „gute Anbindung an den ÖPNV“ oder „gute Nahversorgung“. Die Merkmale der Orientierungshilfe berücksichtigen nach den Erfahrungen der Mitglieder der Arbeitsgruppe Mietspiegel die wesentlichen Merkmale. Sie sind jedoch nicht abschließend formuliert, sodass im Einzelfall weitere, ebenfalls gewichtige Merkmale innerhalb der Merkmalgruppen zum Tragen kommen können (Berliner Mietspiegel 2024, S. 20, Ziff. 10.1; vgl. Dokumentation Berliner Mietspiegel 2024, S. 32). So könne eine Berücksichtigung auch dann angemessen sein, wenn ein Merkmal nicht im Wortlaut erfüllt sei, aber im Einzelfall eine vergleichbare Situation vorliege. Dabei sei jedoch zu beachten, dass die Anwendung der Orientierungshilfe einschließlich der wohnwerterhöhenden und wohnwertmindernden Merkmale nicht dadurch entwertet werden dürfe, dass die Schaffung zusätzlicher Merkmale zum Regelfall erhoben werde.
Weiter führte das Gericht aus: Die Vermieterin mache geltend, dass die Merkmalgruppe 5 positiv zu berücksichtigen sei, da sich die nächsten Supermärkte in einer Entfernung von weniger als 100 m (Wegstrecke) auf der gegenüberliegenden Straßenseite der streitgegenständlichen Wohnung befänden, zwei weitere Supermärkte nur 450 m von der Wohnung entfernt seien, eine Apotheke sowie ein Allgemeinarzt in ca. 200 m Entfernung in unmittelbarer Nähe lägen und die Wohnung der Mieter nur ca. 400 m von der Bushaltestelle der Linien 197, 256 und 294 und ca. 350 m von der Bushaltestelle der Linie 294 entfernt sei. Diese Erschließungssituation wird von der Vermieterin unter den Merkmalen „gute ÖPNV-Anbindung“ und „gute Nahversorgung“ zusammengefasst. Das Gericht folgte dem nicht. Bei der von der Vermieterin angeführten Erschließungssituation handele es sich nicht um einen Einzelfall, den die Expert/innen der Arbeitsgruppe Mietspiegel bei der Erstellung der Orientierungshilfe aufgrund seines Einzelfallcharakters nicht berücksichtigen konnten. Vielmehr spielen die Anbindung an den ÖPNV und die Nahversorgung, wie von der Vermieterin dargelegt, für den überwiegenden Teil der Bevölkerung eine wichtige Rolle und wurden im Rahmen der Mietspiegelerstellung innerhalb der Wohnlageneinordnung berücksichtigt (siehe Indikatoren zur Wohnlageneinstufung Dokumentation Berliner Mietspiegel 2024, S. 54 f.). Das Gericht hat daher im Ergebnis der ausführlichen Würdigung die Merkmalgruppe Wohnumfeld als neutral bewertet.
Anmerkung: Haben Sie auch ein derartiges Mieterhöhungsverlangen erhalten, sollten Sie sich beraten lassen, ob u. U. tatsächlich ein begründeter Einzelfall eine andere Bewertung rechtfertigt. Stimmen Sie auf keinen Fall vorschnell zu.