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Mietrecht

Urteile

Mieterhöhung auf die ortsübliche Vergleichsmiete und Angabe öffentlicher Fördermittel (3)

Das Berufungsgericht in Mietsachen verstößt gegen den verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf den gesetzlichen Richter, wenn es in einer Frage von grundlegender Bedeutung einen Rechtsentscheid nicht einholt.

BerlVerfGH Berlin, Urteil vom 21.03.2003 – AZ VerfGH 24/01 –

Mieter und Vermieter stritten um die Wirksamkeit einer Mieterhöhung gemäß § 2 MHG (altes Recht). Die Wohnung war mit öffentlichen Mitteln instand gesetzt und modernisiert worden. Noch während der Modernisierung fand ein Austausch der Eigentümer statt. Die Fertigstellung sämtlicher Modernisierungsmaßnahmen erfolgte zum 25.09.1991. Das Mietverhältnis begann am 15.03.1996. In der streitgegenständlichen Mieterhöhung waren keine Kürzungsbeträge wegen der öffentlichen Fördermittel angegeben oder abgezogen. Der Mieter erteilte die verlangte Zustimmung zur Mieterhöhung nicht.

Das Amtsgericht hat die Klage des Vermieters auf Zustimmung zur Mieterhöhung abgewiesen. Es vertrat in seinem Urteil die Ansicht, dass Mieterhöhungsverlangen sei nichtig, da die Kürzungsbeträge gemäß § 2 Absatz 1 Satz 2 MHG nicht angegeben wurden, obgleich die Bindungszeit noch nicht beendet sei. Die neuen Eigentümer seien bei Abschluss der Baumaßnahmen schon Eigentümer gewesen, so dass sie ebenfalls eine Mieterhöhungserklärung gemäß § 3 MHG hätten abgeben können. Folgerichtig seien sie somit auch verpflichtet gewesen, die entsprechenden Kürzungsbeträge gemäß § 2 Absatz 1 Satz 2 MHG in der Mieterhöhungserklärung auszuweisen.

Gegen dieses Urteil hatte der Vermieter Berufung eingelegt. Er vertrat in der Berufungsbegründung insbesondere die Ansicht, dass das Amtsgericht übersehen habe, dass in dem Bewilligungsbescheid eine Mietenberechnung enthalten sei, die eine Anfangsmiete und eine Endmiete vorsehe. Die im Bewilligungsbescheid vorgesehene Endmiete werde nicht überschritten. Da der Mieter erst nach Beendigung der Baumaßnahmen in eine schon modernisierte Wohnung eingezogen sei, käme eine Anrechnung der Kürzungsbeträge für ihn deswegen nicht in Betracht. Im Übrigen seien die öffentlichen Mittel nicht ihm, sondern dem vorangegangenen Eigentümer zugute gekommen.

Das Landgericht Berlin hob das Urteil des Amtsgerichts auf und gab der Klage statt. Es vertrat die Ansicht, die Mieterhöhungserklärung sei wirksam. Der Vermieter müsse Kürzungsbeträge nur dann angeben, wenn er während eines laufenden Mietverhältnisses die Mietwohnung mit öffentlichen Mitteln modernisiert habe, nicht jedoch, wenn Gegenstand des Mietvertrags eine von vornherein modernisierte Wohnung gewesen sei. Nach Ansicht des Landgerichts werde dem Umstand der öffentlichen Förderung dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass die Eingangsmiete zu Lasten des Vermieters bereits "gedeckelt" gewesen sei. Spätere Mieterhöhungen brauchten die öffentliche Förderung nicht erneut anzurechnen.

Das Landgericht vertrat ferner die Ansicht, dass eine Vorlage zum Rechtsentscheid (durch das Kammergericht) nicht in Betracht komme, da eine Abweichung von dem Rechtsentscheid des Kammergerichts vom 17.07.2000 nicht vorliege. Letzterer befasse sich mit der Angabe von Kürzungsbeträgen bei einer öffentlich geförderten Modernisierung während des laufenden Mietverhältnisses.

Gegen dieses Urteil legte der Mieter Verfassungsbeschwerde ein und rügte unter anderem den Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip, das Willkürverbot und gegen das Gebot des gesetzlichen Richters. Er vertrat die Ansicht, das Landgericht habe vor einer Entscheidung einen Rechtsentscheid durch das Kammergericht herbeiführen müssen, da es sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handele, die noch nicht durch Rechtsentscheid entschieden sei. Die Vorschrift des § 2 MHG sei die Basisnorm für die häufigste und üblichste Form der Mieterhöhung, so dass die Frage wegen der großen Zahl der öffentlichen Förderungen eine große praktische Relevanz habe.

Der Verfassungsgerichtshof gab der Beschwerde statt, hob das Urteil auf und verwies die Sache zur neuen Entscheidung an das Landgericht Berlin. Die Beschwerde sei zulässig und begründet. Unzulässig sei die Beschwerde lediglich insoweit, als der Mieter einen Verstoß gegen den Grundsatz der Bindung des Gerichts an die Gesetze rüge, da diese Vorschrift der Verfassung von Berlin kein subjektives Recht des einzelnen Bürgers begründe. Das Gleiche gelte für den vom Mieter behaupteten Verstoß gegen das Rechtsstaatsgebot. Auch insoweit handele es sich nicht um ein unmittelbar rügefähiges individuelles Recht des Bürgers. Die Verfassungsbeschwerde sei jedoch zulässig und begründet, soweit der Mieter die Verletzung seines Grundrechts auf den gesetzlichen Richter rüge.

Der Verfassungsgerichtshof wies darauf hin, dass das Landgericht seiner Verpflichtung zur Einholung eines Rechtsentscheids entgegen § 541 Absatz 1 Satz 1 ZPO (alte Fassung) willkürlich nicht nachgekommen sei und damit unter Verstoß gegen Art. 15 Abs. 5 Satz 2 der Verfassung von Berlin dem Mieter den gesetzlichen garantierten Richter vorenthalten habe. Zwar habe das Landgericht zu Recht angenommen, dass sein Urteil nicht von dem Rechtsentscheid des Kammergerichts vom 17.07.2000 abweiche, denn dem dort entschiedenen Fall habe eine während des laufenden Mietverhältnisses vorgenommene Modernisierung zu Grunde gelegen. Zu Unrecht habe das Landgericht sich jedoch nicht mit der Frage auseinander gesetzt, ob es sich bei der streitigen Rechtsfrage um eine Angelegenheit von grundsätzlicher Bedeutung handele.

Der Verfassungsgerichtshof gelangt in seinem Beschluss zu dem Ergebnis, dass die streitentscheidende Rechtsfrage, ob der Vermieter im Falle einer Neuvermietung nach Abschluss der Modernisierungsarbeiten und vor Auslaufen der Mietbindungsfrist erhaltene Fördermittel durch Angabe von Kürzungsbeträgen in der Mieterhöhung berücksichtigen müsse, eine grundsätzliche Bedeutung zukomme. Diese Frage sei darüber hinaus für das streitige Verfahren entscheidungserheblich gewesen. Dabei sprechen nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs sowohl für die eine als auch für die andere Ansicht jeweils ernsthafte und ernst zu nehmende Argumente. Es sei insbesondere nicht selbstverständlich, dass der Vermieter entgegen dem ausdrücklichen Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 2 MHG die nicht von ihm sondern von der Allgemeinheit finanzierte Wertverbesserung der Wohnung zur Begründung einer (ungekürzten) Mieterhöhung heranziehen dürfe. Die Rechtsprechung der Berufungskammern am Landgericht Berlin sei insoweit uneinheitlich. Auch in der juristischen Literatur bestehe bezüglich der oben genannten Rechtsfrage keine Einigkeit.

Angesichts dieser offenen Divergenzen in den Urteilen und in den Kommentierungen, auf die das Landgericht vom Mieter im Berufungsverfahren ausdrücklich hingewiesen worden war, handelte das Landgericht nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs objektiv willkürlich, wenn es den Rechtsstreit ausschließlich mit dem Hinweis, sich nicht im Widerspruch zu obergerichtlichen Rechtsentscheiden zu befinden nicht vorlege und im Übrigen die Frage, ob eine ungeklärte Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliege mit Stillschweigen übergehe.

Diese Voraussetzungen wurden vom Verfassungsgerichtshof bejaht. Der Verfassungsgerichtshof wies in seinem Beschluss darauf hin, dass die grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit im Wege der Vorlage zum Rechtsentscheid auch nicht deswegen entfallen sei, weil sie auslaufendes Recht betraf, weil die zu Grunde liegende Rechtsvorschrift (das Miethöhegesetz) zum 01.09.2001 außer Kraft getreten sei. Hierbei habe es sich bezüglich der hier maßgeblichen Passagen lediglich um eine formale und redaktionelle, nicht um eine materielle Änderung gehandelt. Die Bestimmungen der § 2 Abs. 1 Satz 2, § 3 Abs. 1 Satz 3 des MHG finden sich inhaltlich in den § 558 Abs. 5, § 559 a Abs. 1 und 2 BGB (neuer Fassung) wieder.

Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs betrifft die Rechtsfrage auch nicht nur noch wenige vorhersehbare Fälle. Zwar sind inzwischen die Richtlinien der Senatsverwaltung über die Gewährung von Zuwendungen zur Modernisierung und Instandsetzung von Altbauten verändert und ist die Förderung von Altbausanierungen aus öffentlichen Haushalten im Land Berlin zum 01.01.2002 überhaupt eingestellt worden; die vorangegangenen Förderprogramme laufen indessen erst sukzessive in dem Zeitraum bis 2005 aus. Die hier gestellte Rechtsfrage kann daher noch für eine erhebliche Anzahl künftiger Fälle Bedeutung erlangen.

Schließlich wies der Verfassungsgerichtshof darauf hin, dass die Verfassungsbeschwerde auch nicht deshalb rückwirkend unbegründet geworden sei, weil das Kammergericht die Rechtsfrage möglicherweise zwischenzeitlich durch Rechtsentscheid vom 17.01.2002 geklärt habe. Für die Frage der Verletzung des Anspruchs des Mieters auf den ihm gesetzlich zustehenden Richter komme es allein auf den Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Urteils an.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Dr. Rainer Tietzsch

Veröffentlicht in MieterEcho Nr. 299