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Mietrecht

Urteile

MietenWoG Bln – Absenkung der Miete

1. Die Frage, ob dem Land Berlin die Gesetzgebungskompetenz für die Regelungen des MietenWoG Bln zusteht, muss als offen bezeichnet werden und bedarf einer näheren Prüfung.
2. Da die Außervollzugsetzung eines in Kraft getretenen Gesetzes ein erheblicher Eingriff in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ist, müssen die für eine solche vorläufige Regelung sprechenden Gründe nicht nur so schwer wiegen, dass sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung unabdingbar machen, sondern darüber hinaus auch ein besonderes Gewicht haben. Diese liegen im Fall von § 5 MietenWoG Bln nicht schon deshalb vor, weil einer Vermieterin durch diese Regelung etwa 15% ihrer monatlichen Gesamtnettomieteinnahmen entzogen werden und weil die vorgeschriebene Absenkung der Mieten einen erhöhten Verwaltungsaufwand verursacht.
(Leitsatz Redaktion MieterEcho)

BverfG Beschluss vom 28.10.2020 – AZ 1 BvR 972/20 –

Das MietenWoG Bln trat am 23. Februar 2020 in Kraft. § 5 des Gesetzes, nach dem Vermieter auch in bestehenden Mietverhältnissen die Mieten absenken müssen, soweit die vertraglich vereinbarten Mieten die im MietenWoG Bln bestimmten Mietobergrenzen um mehr als 20% überschreiten, trat 9 Monate später, am 22. November 2020 in Kraft.

Die Vermieterin eines Hauses mit 24 Wohnungen, welches sie im Jahr 2009 darlehensfinanziert erworben hatte, beantragte beim Bundesverfassungsgericht, das Inkrafttreten des § 5 MietenWoG Bln im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig auszusetzen. Ihr würden durch diese Vorschrift etwa 15% ihrer monatlichen Gesamtnettomieteinnahmen durch staatlichen Eingriff entzogen, dies stelle einen schweren Nachteil dar. Außerdem verursache die Umsetzung der Vorschrift einen immensen Verwaltungs-, Buchhaltungs- und Kostenaufwand, der sich im Falle der späteren Feststellung der Verfassungswidrigkeit verdoppeln würde. Außerdem sei die Berechnung der Absenkung ohne Kenntnis der Wohnlage des Objekts nicht rechtssicher möglich, da eine Festlegung der Wohnlagen durch Rechtsverordnung nicht vor dem 23. November 2020 erfolgen könne.

Das Bundesverfassungsgericht lehnte den Antrag ab. Es stellte zunächst nochmals klar, dass die Frage, ob dem Land Berlin die Gesetzgebungskompetenz für die angegriffenen Regelungen des Gesetzes zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin zustehe, „jedenfalls als offen bezeichnet werden“ müsse und „einer näheren Prüfung“ im Hauptsacheverfahren bedürfe. Die Verfassungsbeschwerde der Vermieterin gegen das Gesetz sei daher nicht „offensichtlich unbegründet“ . Um das Gesetz aber vor abschließender Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde vorläufig im Eilverfahren außer Vollzug zu setzen, müssten nicht nur schwerwiegende Gründe vorliegen, sondern diese müssten auch noch ein besonderes Gewicht haben. Wenn § 5 des Gesetzes zum 22. November 2020 in Kraft trete, zwinge es zwar alle Vermieter Berlins in vergleichbarer Lage dazu, ihre zunächst wirksam vereinbarten Mieten auf das nach dem MietenWoG Bln zulässige Maß abzusenken. Es sei aus den Darlegungen der Vermieterin jedoch nicht erkennbar, „dass daraus hinreichend schwere Nachteile von ganz besonderem Gewicht folgen“ . Die von ihr angeführten wirtschaftlichen Auswirkungen könnten regelmäßig nicht als „von ganz besonderem Gewicht“ bewertet werden, wenn sie nicht existenzbedrohende Ausmaße annähmen (was die Vermieterin nicht dargelegt habe). Ebenso wenig begründe der durch das angegriffene Gesetz bedingte Verwaltungs- und Kostenaufwand einen „schwerwiegenden Nachteil“ . Auch die angeblichen Schwierigkeiten mit der Neuberechnung der nach § 5 MietenWoG Blnzulässigen Miete wegen der noch nicht vorliegenden Rechtsverordnung zur Wohnlagezuordnung konnte das Bundesverfassungsgericht offenbar nicht nachvollziehen. Zu berücksichtigen sei, „dass es sich bei dem für den Anwendungsbereich des Gesetzes und den für die Berechnung der zulässigen Miethöhe maßgeblichen Umständen weitgehend um solche handelt, die schon bislang für die Bildung der ortsüblichen Vergleichsmiete gemäß § 558 Abs. 2 BGB in den örtlichen Mietspiegeln herangezogen werden“ . Den Ausführungsvorschriften zum MietenWoG Bln sei auch zu entnehmen, dass die Wohnlage anhand des Adressverzeichnisses zum Mietspiegel 2019 zu bestimmen sei und dass zudem beabsichtigt sei, auch der frühestens zum 22. November 2020 zu erlassenden Rechtsverordnung diese Wohnlagezuordnung zu Grunde zu legen. Außerdem habe die Vermieterin ihren Mietern schon bis zum 22. April 2020 unaufgefordert Auskunft über die zur Berechnung der Mietobergrenze maßgeblichen Umstände erteilen müssen. Nun, Monate später, die konkrete Absenkung zu berechnen, könne also keinen übermäßigen weiteren Aufwand bedeuten. Die Berechnung der zulässigen Miete sei ihr auch selbst, wie sich aus ihrer Berechnung künftiger Mieteinbußen ergebe, ohne Weiteres gelungen. Dass eine erhebliche Zahl der Vermieter durch die Anwendung dieser Vorschrift des MietenWoG Bln „über eine Minderung ihrer Mieteinnahmen hinaus (…) dauerhafte Verluste oder eine Substanzgefährdung des Mietobjekts zu befürchten hätte“ , sei nicht ersichtlich. Zudem bestünde im Einzelfall die Möglichkeit, einen Härtefallantrag nach § 8 MietenWoG Bln auf Genehmigung einer höheren Miete zu stellen.

Anmerkung: Das Bundesverfassungsgericht hat es weiter offengelassen, wie seine für das zweite Quartal 2021 zu erwartende Entscheidung zum „Mietendeckel“ ausfallen wird. Bis dahin bleibt also für alle Mieter/innen und Vermieter/innen in Berlin die Ungewissheit, ob das Gesetz verfassungsgemäß ist. Das heißt für alle betroffenen Mieter/innen, dass die Differenzbeträge zur bisherigen Miete im Falle der demnächst erfolgenden Mietabsenkung unbedingt angespart werden sollten für den Fall, dass die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts negativ ausfällt.