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Mietrecht

Urteile

Maßnahmen des Mieters zur Herstellung von Barrierefreiheit

Der Vermieter muss einem Mieter den Anbau einer Rampe am Eingang des Hauses, welche dessen auf einen Rollstuhl angewiesenem Ehemann die selbständige Überwindung der 6 Stufen im Eingangsbereich ermöglichen soll, erlauben und kann den Mieter nicht auf die Alternative des Anbaus eines Treppenlifts verweisen. Ihm steht jedoch eine Sicherheitsleistung für die Kosten des Rückbaus im Falle eines Auszugs des Mieters zu.

LG Berlin, Urteil vom 11.11.2022 – AZ 66 S 75/22 –

Mitgeteilt von Rechtsanwältin Franziska Dams

Der Mieter einer im Jahr 2009 angemieteten Wohnung in Kreuzberg nahm im Jahr 2020 seinen Ehemann in die Wohnung auf, welcher auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Da sich im Eingangsbereich sechs Treppenstufen befinden, kann sein Ehemann das Haus nicht ohne fremde Hilfe betreten oder verlassen. Der Mieter ließ daher ein fachliches Gutachten über die Möglichkeit der Installation einer Rampe im Eingangsbereich des Gebäudes erstellen. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass die Herstellung einer Rampe möglich und mit den Vorgaben und Empfehlungen der einschlägigen DIN-Norm vereinbar ist. Unter Verweis auf das Gutachten bat der Mieter seinen Vermieter um Erlaubnis zur Herstellung der insgesamt 23 m langen Stahlrampe im Bereich eines Grünstreifens zwischen Gebäude und Bürgersteig. Der Vermieter verweigerte die Erlaubnis und wollte dem Mieter lediglich als Alternative den Anbau eines Treppenlifts am Gebäudeeingang genehmigen. Damit war der Mieter nicht einverstanden. Er wandte ein, dass die Nutzung eines Treppenlifts (einschließlich Auf- und Abschließen sowie Auf- und Zuklappen) jeweils mehrere Minuten in Anspruch nimmt, während sein Ehemann über die geplante Rampe die Stufen in ca. 20 Sekunden überwinden könne. Außerdem sei die Gefahr von technischen Störungen bei einem solchen Treppenlift groß, während solche bei der Rampe nicht auftreten könnten. Das Amtsgericht Kreuzberg verurteilte den Vermieter zur Erlaubnis des geplanten Anbaus einer Rampe. Die Berufung des Vermieters blieb erfolglos, auch das Landgericht sah eine Verpflichtung des Vermieters gemäß § 554 BGB, den vom Mieter geplanten Anbau zu gestatten. Zwar seien grundsätzlich Fälle denkbar, dass „berechtigte und gewichtige Interessen des Vermieters bezogen auf das konkrete Vorhaben das unstreitig vorliegende Interesse des Mieters an barrierefreiem Wohnen überwiegen oder diesem zumindest entgegenstehen“, in diesem Fall könne der Vermieter statt der erbetenen Erlaubnis die Zustimmung zu einer anderen, gleich tauglichen baulichen Veränderungen erteilen. Dazu müssten aber gegen das vom Mieter beantragte konkrete Bauvorhaben ausreichend gewichtige Interessen des Vermieters sprechen, gleichzeitig müsste die vom Vermieter alternativ vorgeschlagene Baumaßnahme gleich tauglich sein wie die vom Mieter ursprünglich geplante. Beides müsse in einer Gesamtabwägung geprüft werden. In diesem Fall standen nach Auffassung des Landgerichts dem Bauvorhaben des Mieters bereits nicht in ausreichendem Maße gewichtige Interessen des Vermieters entgegen. Zwar treffe die Auffassung des Vermieters zu, dass die Rampe optisch und im Hinblick auf die betroffene Grundstücksfläche auffälliger sei als ein Treppenlift, welcher insofern ein weniger einschneidender Eingriff wäre. Allerdings habe dieser optische Gesichtspunkt nicht das gleiche Gewicht wie die praktischen Vorteile der geplanten Rampe. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass es sich bei der überbauten Grundstücksfläche nicht um eine Nutzfläche auf dem Grundstück handele, sondern um einen Grünstreifen zwischen Haus und Gehweg. Auch die Auffassung des Vermieters, er müsse die Erlaubnis jedenfalls nicht erteilen, solange der Mieter keine baurechtliche Genehmigung vorlegen könne, teilte das Landgericht nicht. Zwar müsse der Mieter tatsächlich vor Durchführung des Bauvorhabens zusätzlich zu einer Zustimmung des Vermieters eine baurechtliche Genehmigung sicherstellen, diese sei jedoch nicht Voraussetzung für die Pflicht des Vermieters, eine Zustimmung zu dem Bauvorhaben zu erteilen.

Gegen das Interesse des Vermieters an einer möglichst geringen optischen Veränderung des Grundstücks stünde hier das Interesse des Ehemanns des Mieters an einer Möglichkeit, auf einfache, verlässliche und schnelle Weise in das Gebäude zu gelangen. Ein Treppenlift sei im Vergleich mit einer nicht nur geringfügigen zeitlichen Mehrbelastung sowie einer weitaus höheren Störanfälligkeit verbunden. Lediglich in einem Punkt folgte das Landgericht Berlin dem Amtsgericht Kreuzberg nicht: Dieses hatte die Auffassung vertreten, dass der Vermieter seine Zustimmung nicht von der Zahlung einer Sicherheitsleistung abhängig machen könne, da die vom Mieter geplante Rampe auch im Falle seines späteren Auszugs eine Verbesserung der Mietsache darstelle und die Entfernung diese nur in einen schlechteren Zustand versetzen würde. Das Landgericht stellte demgegenüber klar, dass es Sache des Vermieters sei, nach einem möglichen Auszug des Mieters zu entscheiden, ob er sein Haus weiterhin barrierefrei zugänglich lassen möchte oder einen Rückbau fordert. Gemäß § 554 Abs. 1 Satz 3 BGB könne er daher die Erteilung der Zustimmung von der Zahlung einer angemessenen Sicherheitsleistung in Höhe der voraussichtlichen Kosten des Rückbaus und der Entsorgung abhängig machen. Dementsprechend verurteilte es den Vermieter, dem Mieter die Erlaubnis für die von diesem beabsichtigte Baumaßnahme gegen Zahlung einer Sicherheitsleistung für den Rückbau in Höhe von 5.000 Euro zu erteilen, gegen deren Zahlung der Mieter auch keine Einwände erhoben hatte.