Interessengemeinschaft und Beratung für Berliner Mieter

Mietrecht

Urteile

Kündigung zum Zwecke der überwiegend freiberuflichen Nutzung

a) Ein berechtigtes Interesse des kündigenden Vermieters im Sinne des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt voraus, dass er vernünftige Gründe für die Inanspruchnahme der Wohnung hat, die den ernsthaft verfolgten Nutzungswunsch nachvollziehbar erscheinen lassen.
b) Bei Zweifeln, ob ein solcher ernsthafter Nutzungswunsch beim Vermieter tatsächlich vorliegt, hat der Richter die Entscheidung zu treffen, ob er die an sich möglichen Zweifel überwinden und sich von dem behaupteten Sachverhalt als wahr überzeugen kann; er muss sich dabei mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen.

LG Berlin II, Urteil vom 11.12.2024 – AZ 64 S 333/21 –

Mitgeteilt von Rechtsanwältin Ulrike Badewitz

Im Juli 2013 wurde ein Wohnhaus in Charlottenburg in Eigentumswohnungen aufgeteilt. Im Jahr 2018 kaufte ein Rechtsanwalt eine der vermieteten Eigentumswohnungen. Am 24. Januar 2021 kündigte er den Mietern das Mietverhältnis mit der Begründung, die Räume künftig überwiegend für seine berufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt mit einer Bürohilfe und eventuell mit Kollegen nutzen und gleichzeitig dort auch wohnen zu wollen. Das Mietverhältnis über seine bisherigen Kanzlei- und Wohnräume endete zu diesem Zeitpunkt. Eine entsprechende Genehmigung des Bezirksamts Charlottenburg zur teilweisen gewerblichen „Zweckentfremdung“ hat er am 11. Februar 2021 unter der Voraussetzung erhalten, dass er dort auch seinen Hauptwohnsitz begründe (was er angeblich beabsichtigte).

Am 23. August 2021 erhob er gegen die Mieter Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung und sprach gleichzeitig erneut eine ordentliche Kündigung mit der gleichen Begründung aus. Seine Klage hatte zunächst keinen Erfolg. Das Landgericht Berlin (Zivilkammer 64) vertrat die Auffassung, dass ein „gewichtiger Nachteil“ des Vermieters bei Nichtbezug der Wohnung nicht anzunehmen sei, weshalb das Bestandsinteresse der Mieter auf jeden Fall überwiege. Auf die Revision des Vermieters hat jedoch der Bundesgerichtshof dieses erste Urteil des Landgerichts Berlin aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Berlin zurückverwiesen (siehe ME 443, Seite 29). 

Entsprechend der Vorgaben des Bundesgerichtshofs holte das Landgericht Berlin nun die im ersten Verfahren unterbliebene umfangreiche Beweisaufnahme durch Vernehmung des Vermieters und mehrerer Zeugen – insbesondere auch seiner bisherigen Bürokollegen – nach. Das Landgericht war auf Grund der Vernehmungen jedoch nicht mit dem „erforderlichen Grad der Gewissheit davon überzeugt, dass der Ausspruch der Kündigung auf dem ernsthaften, bestimmt verfolgten, nachvollziehbaren und von vernünftigen Erwägungen getragenen Wunsch“ des Vermieters beruhte, in der Wohnung der Mieter überwiegend seiner freiberuflichen Tätigkeit als Anwalt gemeinsam mit Kollegen nachzugehen und sie gleichzeitig – ebenso wie angeblich die vorherigen Kanzleiräume – zu Wohnzwecken zu nutzen. Schon die Behauptung des Vermieters, in der gekündigten Dreizimmerwohnung mit zwei Kollegen, von denen jeder ein Zimmer für sich anmieten wolle, eine gemeinsame Kanzlei betreiben und gleichzeitig dort wohnen zu wollen, erschien dem Gericht offenbar unglaubwürdig. Der Vermieter hatte unter anderem behauptet, in dem dritten Zimmer wohnen und seine Anwaltstätigkeit in der Küche verrichten zu wollen; in der Speisekammer neben der Küche sollte seine private Küche Platz finden. Hinzu kam, dass die Behauptung des Vermieters, so habe er auch seine vorherigen Kanzleiräume genutzt, durch die Aussagen der beiden Kollegen widerlegt wurde. Diese hatten in den zuvor gemeinsam genutzten Räumen nie Anzeichen dafür entdecken können, dass ihr Kollege dort auch wohnt. Außerdem bestätigten sie auch nicht die Behauptung des Vermieters, dass sie überhaupt mit ihm in die Wohnung umziehen würden. Die Räumungsklage des Vermieters blieb daher ohne Erfolg.


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