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Mietrecht

Urteile

Kündigung wegen Hinderung der angemessenen wirtschaftlichen Verwertung

a) Der ersatzlose Abriss eines Gebäudes ist keine wirtschaftliche Verwertung im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB (…).
b) Zu den Anforderungen an eine zu dem vorgenannten Zweck ausgesprochene Kündigung eines Wohnraummietvertrag nach Maßgabe des generalklauselartigen Kündigungstatbestands des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB.

BGH Urteil vom 16.12.2020 – AZ VIII ZR 70/19 –

Die Mieter eines ehemaligen Landarbeiterhauses in Braunschweig erhielten im Jahr 2017 vom Erben des ursprünglichen Vermieters eine ordentliche Kündigung. Der ansonsten ungenutzte Seitenflügel, in welchem sich nur das Badezimmer der Mieter befindet, müsse aus „wirtschaftlichen und statischen Gründen“ abgerissen werden. Der Anbau eines neuen Badezimmers würde 26.000 Euro kosten, dies sei angesichts der niedrigen Miete von 60 Euro pro Monat unwirtschaftlich. 

Die Räumungsklage des Vermieters hatte in zweiter Instanz vor dem Landgericht Braunschweig keinen Erfolg. Der BGH hat auch die Revision des Vermieters zurückgewiesen. 

Bereits die Voraussetzungen einer Verwertungskündigung im Sinne von § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB lägen nicht vor. Durch den ersatzlosen Abriss eines Gebäudes oder Gebäudeteils könnten zwar Kosten vermieden werden, dies stelle jedoch „keine Realisierung des dem Grundstück innewohnenden materiellen Werts und damit keine wirtschaftliche Verwertung“ im Sinne dieser Vorschrift dar. Somit sei die Kündigung des Vermieters am Maßstab der Generalklausel des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB zu messen, „wonach der Vermieter das Mietverhältnis kündigen kann, wenn er ein berechtigtes Interesse an dessen Beendigung hat“ . Ob ein solches „berechtigtes Interesse“ vorliegt, müsse im Einzelfall ermittelt werden. Dabei dürften die dem Vermieter entstehenden Nachteile „keinen Umfang annehmen, welcher die Nachteile weit übersteigt, die dem Mieter im Falle des Verlusts der Wohnung erwachsen“ . Sei das vom Vermieter angeführte Interesse – wie hier – „mit der von § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB erfassten wirtschaftlichen Verwertung vergleichbar, muss der Fortbestand des Wohnraummietverhältnisses für den Vermieter einen Nachteil von einem Gewicht darstellen, der die von § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB vorausgesetzte Intensität erreicht“. Nicht bereits jeder dem Vermieter aus dem Fortbestand des Mietverhältnisses erwachsende wirtschaftliche Nachteil begründe bereits einen Anspruch auf Räumung der Mietwohnung. Zwar würden sich hier die vom Vermieter angegebenen Kosten der Neuerrichtung des Bades nicht über die Miete amortisieren. Der Vermieter müsse jedoch „insoweit lediglich einen Betrag in überschaubarer Höhe und auch diesen nur einmalig“ aufbringen, wenn er im Interesse des Fortbestandes des Mietverhältnisses ein neues Bad anbauen lasse. Außerdem sei zu berücksichtigen, „dass sich durch den Anbau eines Bades nach erfolgtem Abriss des baufälligen Anbaus jedenfalls der Wert des Grundstücks erhöht“ , so dass der vom Vermieter geltend gemachte Aufwand für die Neuerrichtung eines Bades „in gewissem Umfang kompensiert“ würde.